Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

was würde er sagen? und weinst über
seine Vergessenheit! O! nimm diesen
Theil weg, laß ihn immer in mein Ge-
dächtniß kommen; -- sein Herz kannte
das meine für ihn niemals, und nun ist
es zu spät! -- Mein Papier, ach Emi-
lia, mein Papier geht zu Ende; ich darf
nun nicht mehr viel schreiben; der Win-
ter ist lange; ich will den Ueberrest auf
Erzählung meiner noch dunklen Hoffnun-
gen erhalten. O mein Kind! einige Bo-
gen Papier waren mein Glück, und ich
darf es nicht mehr genießen! Jch will
Cannevas sparen und Buchstaben hinein
nähen.

Jm Aprill.

O Zeit, wohlthätigstes unter allen We-
sen, wie viel Gutes hab' ich dir zu danken!
du führtest allmählig die tiefen Eindrücke
meiner Leiden und verlornen Glückselig-
keit von mir weg, und stelltest sie in den
Nebel der Entfernung, während du eine
liebreiche Heiterkeit auf die Gegenstände

verbrei-

was wuͤrde er ſagen? und weinſt uͤber
ſeine Vergeſſenheit! O! nimm dieſen
Theil weg, laß ihn immer in mein Ge-
daͤchtniß kommen; — ſein Herz kannte
das meine fuͤr ihn niemals, und nun iſt
es zu ſpaͤt! — Mein Papier, ach Emi-
lia, mein Papier geht zu Ende; ich darf
nun nicht mehr viel ſchreiben; der Win-
ter iſt lange; ich will den Ueberreſt auf
Erzaͤhlung meiner noch dunklen Hoffnun-
gen erhalten. O mein Kind! einige Bo-
gen Papier waren mein Gluͤck, und ich
darf es nicht mehr genießen! Jch will
Cannevas ſparen und Buchſtaben hinein
naͤhen.

Jm Aprill.

O Zeit, wohlthaͤtigſtes unter allen We-
ſen, wie viel Gutes hab’ ich dir zu danken!
du fuͤhrteſt allmaͤhlig die tiefen Eindruͤcke
meiner Leiden und verlornen Gluͤckſelig-
keit von mir weg, und ſtellteſt ſie in den
Nebel der Entfernung, waͤhrend du eine
liebreiche Heiterkeit auf die Gegenſtaͤnde

verbrei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0236" n="230"/>
was wu&#x0364;rde er &#x017F;agen? und wein&#x017F;t u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;eine Verge&#x017F;&#x017F;enheit! O! nimm die&#x017F;en<lb/>
Theil weg, laß ihn immer in mein Ge-<lb/>
da&#x0364;chtniß kommen; &#x2014; &#x017F;ein Herz kannte<lb/>
das meine fu&#x0364;r ihn niemals, und nun i&#x017F;t<lb/>
es zu &#x017F;pa&#x0364;t! &#x2014; Mein Papier, ach Emi-<lb/>
lia, mein Papier geht zu Ende; ich darf<lb/>
nun nicht mehr viel &#x017F;chreiben; der Win-<lb/>
ter i&#x017F;t lange; ich will den Ueberre&#x017F;t auf<lb/>
Erza&#x0364;hlung meiner noch dunklen Hoffnun-<lb/>
gen erhalten. O mein Kind! einige Bo-<lb/>
gen Papier waren mein Glu&#x0364;ck, und ich<lb/>
darf es nicht mehr genießen! Jch will<lb/>
Cannevas &#x017F;paren und Buch&#x017F;taben hinein<lb/>
na&#x0364;hen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Jm Aprill.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">O</hi> Zeit, wohltha&#x0364;tig&#x017F;tes unter allen We-<lb/>
&#x017F;en, wie viel Gutes hab&#x2019; ich dir zu danken!<lb/>
du fu&#x0364;hrte&#x017F;t allma&#x0364;hlig die tiefen Eindru&#x0364;cke<lb/>
meiner Leiden und verlornen Glu&#x0364;ck&#x017F;elig-<lb/>
keit von mir weg, und &#x017F;tellte&#x017F;t &#x017F;ie in den<lb/>
Nebel der Entfernung, wa&#x0364;hrend du eine<lb/>
liebreiche Heiterkeit auf die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">verbrei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0236] was wuͤrde er ſagen? und weinſt uͤber ſeine Vergeſſenheit! O! nimm dieſen Theil weg, laß ihn immer in mein Ge- daͤchtniß kommen; — ſein Herz kannte das meine fuͤr ihn niemals, und nun iſt es zu ſpaͤt! — Mein Papier, ach Emi- lia, mein Papier geht zu Ende; ich darf nun nicht mehr viel ſchreiben; der Win- ter iſt lange; ich will den Ueberreſt auf Erzaͤhlung meiner noch dunklen Hoffnun- gen erhalten. O mein Kind! einige Bo- gen Papier waren mein Gluͤck, und ich darf es nicht mehr genießen! Jch will Cannevas ſparen und Buchſtaben hinein naͤhen. Jm Aprill. O Zeit, wohlthaͤtigſtes unter allen We- ſen, wie viel Gutes hab’ ich dir zu danken! du fuͤhrteſt allmaͤhlig die tiefen Eindruͤcke meiner Leiden und verlornen Gluͤckſelig- keit von mir weg, und ſtellteſt ſie in den Nebel der Entfernung, waͤhrend du eine liebreiche Heiterkeit auf die Gegenſtaͤnde verbrei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/236
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/236>, abgerufen am 21.12.2024.