Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Lord Seymour an Doctor T.

Bester Freund, geben Sie mir Jhren
Rath, um mich in dem Kummer zu er-
halten, in welchen ich aufs neue, und,
gewiß auf ewig gefallen bin! Sie wissen,
daß ich meine Leidenschaft für das Fräu-
lein von Sternheim ganz unterdrückt hatte,
weil die Versicherung ihres niederträchti-
gen Bündnisses mit John ihren Geist und
Charakter aller meiner Hochachtung be-
raubte. Jch fieng auch an, eine ruhige
und reizende Liebe zu kosten, indem ich
meine ganze Zärtlichkeit dem Fräulein von
C -- widmete, und der ihrigen völlig ver-
sichert war: als mein Oheim unversehens
den Befehl vom Hofe erhielt, eine Reise
nach W. zu machen. Die Empfindlich-
keit des liebenswürdigen Fräuleins von
C -- hatte vieles bey unserer Tennung
zu leiden, und ich war eben so traurig
als sie. Misvergnügt und murrend über
die Fesseln, welche mir der Ehrgeiz meiner
Familie, und die Zuneigung von Mylord
Crafton anlegten, saß ich stumm und fin-

ster
H 3

Lord Seymour an Doctor T.

Beſter Freund, geben Sie mir Jhren
Rath, um mich in dem Kummer zu er-
halten, in welchen ich aufs neue, und,
gewiß auf ewig gefallen bin! Sie wiſſen,
daß ich meine Leidenſchaft fuͤr das Fraͤu-
lein von Sternheim ganz unterdruͤckt hatte,
weil die Verſicherung ihres niedertraͤchti-
gen Buͤndniſſes mit John ihren Geiſt und
Charakter aller meiner Hochachtung be-
raubte. Jch fieng auch an, eine ruhige
und reizende Liebe zu koſten, indem ich
meine ganze Zaͤrtlichkeit dem Fraͤulein von
C — widmete, und der ihrigen voͤllig ver-
ſichert war: als mein Oheim unverſehens
den Befehl vom Hofe erhielt, eine Reiſe
nach W. zu machen. Die Empfindlich-
keit des liebenswuͤrdigen Fraͤuleins von
C — hatte vieles bey unſerer Tennung
zu leiden, und ich war eben ſo traurig
als ſie. Misvergnuͤgt und murrend uͤber
die Feſſeln, welche mir der Ehrgeiz meiner
Familie, und die Zuneigung von Mylord
Crafton anlegten, ſaß ich ſtumm und fin-

ſter
H 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0123" n="117"/>
        <fw place="top" type="header"><lb/>
        </fw>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Lord Seymour an Doctor T.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">B</hi>e&#x017F;ter Freund, geben Sie mir Jhren<lb/>
Rath, um mich in dem Kummer zu er-<lb/>
halten, in welchen ich aufs neue, und,<lb/>
gewiß auf ewig gefallen bin! Sie wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß ich meine Leiden&#x017F;chaft fu&#x0364;r das Fra&#x0364;u-<lb/>
lein von Sternheim ganz unterdru&#x0364;ckt hatte,<lb/>
weil die Ver&#x017F;icherung ihres niedertra&#x0364;chti-<lb/>
gen Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es mit <hi rendition="#fr">John</hi> ihren Gei&#x017F;t und<lb/>
Charakter aller meiner Hochachtung be-<lb/>
raubte. Jch fieng auch an, eine ruhige<lb/>
und reizende Liebe zu ko&#x017F;ten, indem ich<lb/>
meine ganze Za&#x0364;rtlichkeit dem Fra&#x0364;ulein von<lb/>
C &#x2014; widmete, und der ihrigen vo&#x0364;llig ver-<lb/>
&#x017F;ichert war: als mein Oheim unver&#x017F;ehens<lb/>
den Befehl vom Hofe erhielt, eine Rei&#x017F;e<lb/>
nach W. zu machen. Die Empfindlich-<lb/>
keit des liebenswu&#x0364;rdigen Fra&#x0364;uleins von<lb/>
C &#x2014; hatte vieles bey un&#x017F;erer Tennung<lb/>
zu leiden, und ich war eben &#x017F;o traurig<lb/>
als &#x017F;ie. Misvergnu&#x0364;gt und murrend u&#x0364;ber<lb/>
die Fe&#x017F;&#x017F;eln, welche mir der Ehrgeiz meiner<lb/>
Familie, und die Zuneigung von Mylord<lb/>
Crafton anlegten, &#x017F;aß ich &#x017F;tumm und fin-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ter</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0123] Lord Seymour an Doctor T. Beſter Freund, geben Sie mir Jhren Rath, um mich in dem Kummer zu er- halten, in welchen ich aufs neue, und, gewiß auf ewig gefallen bin! Sie wiſſen, daß ich meine Leidenſchaft fuͤr das Fraͤu- lein von Sternheim ganz unterdruͤckt hatte, weil die Verſicherung ihres niedertraͤchti- gen Buͤndniſſes mit John ihren Geiſt und Charakter aller meiner Hochachtung be- raubte. Jch fieng auch an, eine ruhige und reizende Liebe zu koſten, indem ich meine ganze Zaͤrtlichkeit dem Fraͤulein von C — widmete, und der ihrigen voͤllig ver- ſichert war: als mein Oheim unverſehens den Befehl vom Hofe erhielt, eine Reiſe nach W. zu machen. Die Empfindlich- keit des liebenswuͤrdigen Fraͤuleins von C — hatte vieles bey unſerer Tennung zu leiden, und ich war eben ſo traurig als ſie. Misvergnuͤgt und murrend uͤber die Feſſeln, welche mir der Ehrgeiz meiner Familie, und die Zuneigung von Mylord Crafton anlegten, ſaß ich ſtumm und fin- ſter H 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/123
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/123>, abgerufen am 21.11.2024.