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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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so einen Kerl brauche ich jetzt, weil ich selbst
nicht frey agieren kann; heute nichts
mehr, man unterbricht mich.



Fräulein von Sternheim
an
Emilia.

Emilia! ich erliege fast unter meinem
Kummer; mein Pflegvater todt! warum
schrieben Sie mir, oder doch Rosinen
nichts, als da alles vorbey war? Die gu-
te Rosine vergeht vor Jammer. Jch su-
che sie zu trösten, und meine eigne See-
le ist niedergeschlagen. Meine werthe
Freundin, die Erde deckt nun das Beste,
das sie uns gegeben hatte, gütige vereh-
rungswürdige Aeltern! -- Kein Herz
kennt Jhren Verlust so wohl als das mei-
nige; ich empfinde Jhren Schmerz dop-
pelt. -- Warum konnte ich seinen See-
gen nicht selbst hören? Warum benetzen
meine Thränen seine heilige Grabstätte
nicht? da ich mit gleichen kindlichen Ge-

sinnungen

ſo einen Kerl brauche ich jetzt, weil ich ſelbſt
nicht frey agieren kann; heute nichts
mehr, man unterbricht mich.



Fraͤulein von Sternheim
an
Emilia.

Emilia! ich erliege faſt unter meinem
Kummer; mein Pflegvater todt! warum
ſchrieben Sie mir, oder doch Roſinen
nichts, als da alles vorbey war? Die gu-
te Roſine vergeht vor Jammer. Jch ſu-
che ſie zu troͤſten, und meine eigne See-
le iſt niedergeſchlagen. Meine werthe
Freundin, die Erde deckt nun das Beſte,
das ſie uns gegeben hatte, guͤtige vereh-
rungswuͤrdige Aeltern! — Kein Herz
kennt Jhren Verluſt ſo wohl als das mei-
nige; ich empfinde Jhren Schmerz dop-
pelt. — Warum konnte ich ſeinen See-
gen nicht ſelbſt hoͤren? Warum benetzen
meine Thraͤnen ſeine heilige Grabſtaͤtte
nicht? da ich mit gleichen kindlichen Ge-

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[170/0196] ſo einen Kerl brauche ich jetzt, weil ich ſelbſt nicht frey agieren kann; heute nichts mehr, man unterbricht mich. Fraͤulein von Sternheim an Emilia. Emilia! ich erliege faſt unter meinem Kummer; mein Pflegvater todt! warum ſchrieben Sie mir, oder doch Roſinen nichts, als da alles vorbey war? Die gu- te Roſine vergeht vor Jammer. Jch ſu- che ſie zu troͤſten, und meine eigne See- le iſt niedergeſchlagen. Meine werthe Freundin, die Erde deckt nun das Beſte, das ſie uns gegeben hatte, guͤtige vereh- rungswuͤrdige Aeltern! — Kein Herz kennt Jhren Verluſt ſo wohl als das mei- nige; ich empfinde Jhren Schmerz dop- pelt. — Warum konnte ich ſeinen See- gen nicht ſelbſt hoͤren? Warum benetzen meine Thraͤnen ſeine heilige Grabſtaͤtte nicht? da ich mit gleichen kindlichen Ge- ſinnungen

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/196>, abgerufen am 21.11.2024.