Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

von den Eintheilungen.
kenntlich vorzustellen. Daß ein Ton höher sey, als
ein andrer, ist eine bloße Metapher. Jndessen macht
sie die musikalische Erkenntniß figürlich, und dadurch
beurtheilt gleichsam das Auge, was schlechthin ein
Gegenstand des Gehörs war. Was die Noten in
Ansehung der Jntervallen, der Töne und ihrer Dauer
thun, das thun die Buchstaben in Ansehung eines
andern Unterschiedes, den zwar das Ohr bemerkt, der
aber noch durch keine Metapher auf em figürliches
Bild gebracht worden ist. Daher sind die Buchsta-
ben noch in allen Sprachen ganz willkührliche Zeichen
der Töne, die sie vorstellen.

§. 114.

Es ist nicht zu zweifeln, daß es nicht auch figür-
liche Vorstellungen von Begriffen geben sollte, die
ganz abstract sind. So ist man schon längst gewohnt
die Arten und Gattungen unter die höhern Gattungen
zu ordnen, wenn sie Tabellenmäßig vorgestellt werden,
daß man mit einem Anblicke übersehen kann, wie sie
von einander abstammen, und solche Tabellen sind den
vorhin angeführten Formeln von Stammtafeln voll-
kommen ähnlich. Man hat sie aber noch zu keiner
merklichen Vollständigkeit bringen können, und wer
solche Tabellen genauer untersucht, wird immer Lücken
darinn finden, weil die meisten Eintheilungen, die man
für wesentlich ausgiebt, nur Eintheilungen in gewis-
sen Absichten sind. Es fehlt demnach auch hiebey die
vorhin (§. 110) erwähnte vollständige Abzählung
aller Absichten, in welche sich ein Ding überhaupt
eintheilen läßt. Wir haben daher noch nicht alle
partes integrantes, daß wir sie auseinander setzen,
und figürliche Combinationen und andre Bestimmun-
gen damit vornehmen könnten. Jn einfachern Fäl-
len, wo das Ganze eine kleinere, aber dabey bestimmte

Anzahl
E 5

von den Eintheilungen.
kenntlich vorzuſtellen. Daß ein Ton hoͤher ſey, als
ein andrer, iſt eine bloße Metapher. Jndeſſen macht
ſie die muſikaliſche Erkenntniß figuͤrlich, und dadurch
beurtheilt gleichſam das Auge, was ſchlechthin ein
Gegenſtand des Gehoͤrs war. Was die Noten in
Anſehung der Jntervallen, der Toͤne und ihrer Dauer
thun, das thun die Buchſtaben in Anſehung eines
andern Unterſchiedes, den zwar das Ohr bemerkt, der
aber noch durch keine Metapher auf em figuͤrliches
Bild gebracht worden iſt. Daher ſind die Buchſta-
ben noch in allen Sprachen ganz willkuͤhrliche Zeichen
der Toͤne, die ſie vorſtellen.

§. 114.

Es iſt nicht zu zweifeln, daß es nicht auch figuͤr-
liche Vorſtellungen von Begriffen geben ſollte, die
ganz abſtract ſind. So iſt man ſchon laͤngſt gewohnt
die Arten und Gattungen unter die hoͤhern Gattungen
zu ordnen, wenn ſie Tabellenmaͤßig vorgeſtellt werden,
daß man mit einem Anblicke uͤberſehen kann, wie ſie
von einander abſtammen, und ſolche Tabellen ſind den
vorhin angefuͤhrten Formeln von Stammtafeln voll-
kommen aͤhnlich. Man hat ſie aber noch zu keiner
merklichen Vollſtaͤndigkeit bringen koͤnnen, und wer
ſolche Tabellen genauer unterſucht, wird immer Luͤcken
darinn finden, weil die meiſten Eintheilungen, die man
fuͤr weſentlich ausgiebt, nur Eintheilungen in gewiſ-
ſen Abſichten ſind. Es fehlt demnach auch hiebey die
vorhin (§. 110) erwaͤhnte vollſtaͤndige Abzaͤhlung
aller Abſichten, in welche ſich ein Ding uͤberhaupt
eintheilen laͤßt. Wir haben daher noch nicht alle
partes integrantes, daß wir ſie auseinander ſetzen,
und figuͤrliche Combinationen und andre Beſtimmun-
gen damit vornehmen koͤnnten. Jn einfachern Faͤl-
len, wo das Ganze eine kleinere, aber dabey beſtimmte

Anzahl
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0095" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den Eintheilungen.</hi></fw><lb/>
kenntlich vorzu&#x017F;tellen. Daß ein Ton ho&#x0364;her &#x017F;ey, als<lb/>
ein andrer, i&#x017F;t eine bloße Metapher. Jnde&#x017F;&#x017F;en macht<lb/>
&#x017F;ie die mu&#x017F;ikali&#x017F;che Erkenntniß figu&#x0364;rlich, und dadurch<lb/>
beurtheilt gleich&#x017F;am das Auge, was &#x017F;chlechthin ein<lb/>
Gegen&#x017F;tand des Geho&#x0364;rs war. Was die Noten in<lb/>
An&#x017F;ehung der Jntervallen, der To&#x0364;ne und ihrer Dauer<lb/>
thun, das thun die Buch&#x017F;taben in An&#x017F;ehung eines<lb/>
andern Unter&#x017F;chiedes, den zwar das Ohr bemerkt, der<lb/>
aber noch durch keine Metapher auf em figu&#x0364;rliches<lb/>
Bild gebracht worden i&#x017F;t. Daher &#x017F;ind die Buch&#x017F;ta-<lb/>
ben noch in allen Sprachen ganz willku&#x0364;hrliche Zeichen<lb/>
der To&#x0364;ne, die &#x017F;ie vor&#x017F;tellen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 114.</head><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t nicht zu zweifeln, daß es nicht auch figu&#x0364;r-<lb/>
liche Vor&#x017F;tellungen von Begriffen geben &#x017F;ollte, die<lb/>
ganz ab&#x017F;tract &#x017F;ind. So i&#x017F;t man &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t gewohnt<lb/>
die Arten und Gattungen unter die ho&#x0364;hern Gattungen<lb/>
zu ordnen, wenn &#x017F;ie Tabellenma&#x0364;ßig vorge&#x017F;tellt werden,<lb/>
daß man mit einem Anblicke u&#x0364;ber&#x017F;ehen kann, wie &#x017F;ie<lb/>
von einander ab&#x017F;tammen, und &#x017F;olche Tabellen &#x017F;ind den<lb/>
vorhin angefu&#x0364;hrten Formeln von Stammtafeln voll-<lb/>
kommen a&#x0364;hnlich. Man hat &#x017F;ie aber noch zu keiner<lb/>
merklichen Voll&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit bringen ko&#x0364;nnen, und wer<lb/>
&#x017F;olche Tabellen genauer unter&#x017F;ucht, wird immer Lu&#x0364;cken<lb/>
darinn finden, weil die mei&#x017F;ten Eintheilungen, die man<lb/>
fu&#x0364;r we&#x017F;entlich ausgiebt, nur Eintheilungen in gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Ab&#x017F;ichten &#x017F;ind. Es fehlt demnach auch hiebey die<lb/>
vorhin (§. 110) erwa&#x0364;hnte voll&#x017F;ta&#x0364;ndige Abza&#x0364;hlung<lb/>
aller Ab&#x017F;ichten, in welche &#x017F;ich ein Ding u&#x0364;berhaupt<lb/>
eintheilen la&#x0364;ßt. Wir haben daher noch nicht alle<lb/><hi rendition="#aq">partes integrantes,</hi> daß wir &#x017F;ie auseinander &#x017F;etzen,<lb/>
und figu&#x0364;rliche Combinationen und andre Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen damit vornehmen ko&#x0364;nnten. Jn einfachern Fa&#x0364;l-<lb/>
len, wo das Ganze eine kleinere, aber dabey be&#x017F;timmte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Anzahl</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0095] von den Eintheilungen. kenntlich vorzuſtellen. Daß ein Ton hoͤher ſey, als ein andrer, iſt eine bloße Metapher. Jndeſſen macht ſie die muſikaliſche Erkenntniß figuͤrlich, und dadurch beurtheilt gleichſam das Auge, was ſchlechthin ein Gegenſtand des Gehoͤrs war. Was die Noten in Anſehung der Jntervallen, der Toͤne und ihrer Dauer thun, das thun die Buchſtaben in Anſehung eines andern Unterſchiedes, den zwar das Ohr bemerkt, der aber noch durch keine Metapher auf em figuͤrliches Bild gebracht worden iſt. Daher ſind die Buchſta- ben noch in allen Sprachen ganz willkuͤhrliche Zeichen der Toͤne, die ſie vorſtellen. §. 114. Es iſt nicht zu zweifeln, daß es nicht auch figuͤr- liche Vorſtellungen von Begriffen geben ſollte, die ganz abſtract ſind. So iſt man ſchon laͤngſt gewohnt die Arten und Gattungen unter die hoͤhern Gattungen zu ordnen, wenn ſie Tabellenmaͤßig vorgeſtellt werden, daß man mit einem Anblicke uͤberſehen kann, wie ſie von einander abſtammen, und ſolche Tabellen ſind den vorhin angefuͤhrten Formeln von Stammtafeln voll- kommen aͤhnlich. Man hat ſie aber noch zu keiner merklichen Vollſtaͤndigkeit bringen koͤnnen, und wer ſolche Tabellen genauer unterſucht, wird immer Luͤcken darinn finden, weil die meiſten Eintheilungen, die man fuͤr weſentlich ausgiebt, nur Eintheilungen in gewiſ- ſen Abſichten ſind. Es fehlt demnach auch hiebey die vorhin (§. 110) erwaͤhnte vollſtaͤndige Abzaͤhlung aller Abſichten, in welche ſich ein Ding uͤberhaupt eintheilen laͤßt. Wir haben daher noch nicht alle partes integrantes, daß wir ſie auseinander ſetzen, und figuͤrliche Combinationen und andre Beſtimmun- gen damit vornehmen koͤnnten. Jn einfachern Faͤl- len, wo das Ganze eine kleinere, aber dabey beſtimmte Anzahl E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/95
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/95>, abgerufen am 21.11.2024.