hin für sich alles möglich erkennen. Da nun das Mögliche, so nicht für sich erkennbar ist, einen Grund hat, (§. 227.) so ist klar, daß auch, was nicht unbedingt noch allgemein möglich ist, einen Grund seiner Mög- lichkeit und deren Gränzen haben müsse.
§. 239. a)
Dieser Lehrsatz ist auch in der Ausübung und in der Erkenntniß a posteriori von vielfachem Gebrauche. Er diente dem Torricelli, den Abscheu vor dem Leeren aus der Naturlehre zu verbannen, und die Schwere der Luft, als den wahren Grund einer Erfahrung zu finden, die man bis dahin allgemeiner glaubte, als sie wirklich war. Uebrigens gebrauchte er diesen Satz nicht in seiner völligen Allgemeinheit, weil er nur für einen erdichteten Grund, der die Erfahrung unbedingt mach- te, den wahren aus der Bedingung fand, die die Er- fahrung selbst angab.
§. 239. b)
Die willkührliche Zusammensetzung einfacher Begriffe ist nicht allgemein möglich. Dieser Satz wird schlechthin durch Exempla in contrarium erwie- sen. (§. 227. Dianoiol.) Man wird aber leicht solche finden, wenn man den im zweyten Hauptstück gegebe- nen Grundsätzen zuwider, Begriffe zusammensetzen will. Z. E. man gebe dem Soliden nur eine Dimension. (§. 94.) Man setze, daß itzt sey, was erst künftig seyn wird, (§. 81.) daß, was in einem Raume ist, zugleich außer demselben sey (§. 87.) etc. so wird man unmögliche Dinge setzen. Demnach ist die willkührliche Zusammen- setzung einfacher Begriffe nicht allgemein möglich. Es ist für sich klar, daß diese Möglichkeit der Zusammen- setzung bereits schon zusammengesetzter Begriffe noch eingeschränkter ist.
§. 240.
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
hin fuͤr ſich alles moͤglich erkennen. Da nun das Moͤgliche, ſo nicht fuͤr ſich erkennbar iſt, einen Grund hat, (§. 227.) ſo iſt klar, daß auch, was nicht unbedingt noch allgemein moͤglich iſt, einen Grund ſeiner Moͤg- lichkeit und deren Graͤnzen haben muͤſſe.
§. 239. a)
Dieſer Lehrſatz iſt auch in der Ausuͤbung und in der Erkenntniß a poſteriori von vielfachem Gebrauche. Er diente dem Torricelli, den Abſcheu vor dem Leeren aus der Naturlehre zu verbannen, und die Schwere der Luft, als den wahren Grund einer Erfahrung zu finden, die man bis dahin allgemeiner glaubte, als ſie wirklich war. Uebrigens gebrauchte er dieſen Satz nicht in ſeiner voͤlligen Allgemeinheit, weil er nur fuͤr einen erdichteten Grund, der die Erfahrung unbedingt mach- te, den wahren aus der Bedingung fand, die die Er- fahrung ſelbſt angab.
§. 239. b)
Die willkuͤhrliche Zuſammenſetzung einfacher Begriffe iſt nicht allgemein moͤglich. Dieſer Satz wird ſchlechthin durch Exempla in contrarium erwie- ſen. (§. 227. Dianoiol.) Man wird aber leicht ſolche finden, wenn man den im zweyten Hauptſtuͤck gegebe- nen Grundſaͤtzen zuwider, Begriffe zuſammenſetzen will. Z. E. man gebe dem Soliden nur eine Dimenſion. (§. 94.) Man ſetze, daß itzt ſey, was erſt kuͤnftig ſeyn wird, (§. 81.) daß, was in einem Raume iſt, zugleich außer demſelben ſey (§. 87.) ꝛc. ſo wird man unmoͤgliche Dinge ſetzen. Demnach iſt die willkuͤhrliche Zuſammen- ſetzung einfacher Begriffe nicht allgemein moͤglich. Es iſt fuͤr ſich klar, daß dieſe Moͤglichkeit der Zuſammen- ſetzung bereits ſchon zuſammengeſetzter Begriffe noch eingeſchraͤnkter iſt.
§. 240.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0598"n="576"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede</hi></fw><lb/>
hin fuͤr ſich alles moͤglich erkennen. Da nun das<lb/>
Moͤgliche, ſo nicht fuͤr ſich erkennbar iſt, einen Grund<lb/>
hat, (§. 227.) ſo iſt klar, daß auch, was nicht unbedingt<lb/>
noch allgemein moͤglich iſt, einen Grund ſeiner Moͤg-<lb/>
lichkeit und deren Graͤnzen haben muͤſſe.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 239. <hirendition="#aq">a</hi>)</head><lb/><p>Dieſer Lehrſatz iſt auch in der Ausuͤbung und in<lb/>
der Erkenntniß <hirendition="#aq">a poſteriori</hi> von vielfachem Gebrauche.<lb/>
Er diente dem <hirendition="#fr">Torricelli,</hi> den Abſcheu vor dem Leeren<lb/>
aus der Naturlehre zu verbannen, und die Schwere<lb/>
der Luft, als den wahren Grund einer Erfahrung zu<lb/>
finden, die man bis dahin allgemeiner glaubte, als ſie<lb/>
wirklich war. Uebrigens gebrauchte er dieſen Satz nicht<lb/>
in ſeiner voͤlligen Allgemeinheit, weil er nur fuͤr einen<lb/>
erdichteten Grund, der die Erfahrung unbedingt mach-<lb/>
te, den wahren aus der Bedingung fand, die die Er-<lb/>
fahrung ſelbſt angab.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 239. <hirendition="#aq">b</hi>)</head><lb/><p><hirendition="#fr">Die willkuͤhrliche Zuſammenſetzung einfacher<lb/>
Begriffe iſt nicht allgemein moͤglich.</hi> Dieſer Satz<lb/>
wird ſchlechthin durch <hirendition="#aq">Exempla in contrarium</hi> erwie-<lb/>ſen. (§. 227. Dianoiol.) Man wird aber leicht ſolche<lb/>
finden, wenn man den im zweyten Hauptſtuͤck gegebe-<lb/>
nen Grundſaͤtzen zuwider, Begriffe zuſammenſetzen will.<lb/>
Z. E. man gebe dem Soliden nur eine Dimenſion. (§.<lb/>
94.) Man ſetze, daß itzt ſey, was erſt kuͤnftig ſeyn wird,<lb/>
(§. 81.) daß, was in einem Raume iſt, zugleich außer<lb/>
demſelben ſey (§. 87.) ꝛc. ſo wird man unmoͤgliche<lb/>
Dinge ſetzen. Demnach iſt die willkuͤhrliche Zuſammen-<lb/>ſetzung einfacher Begriffe nicht allgemein moͤglich. Es<lb/>
iſt fuͤr ſich klar, daß dieſe Moͤglichkeit der Zuſammen-<lb/>ſetzung bereits ſchon zuſammengeſetzter Begriffe noch<lb/>
eingeſchraͤnkter iſt.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 240.</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[576/0598]
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
hin fuͤr ſich alles moͤglich erkennen. Da nun das
Moͤgliche, ſo nicht fuͤr ſich erkennbar iſt, einen Grund
hat, (§. 227.) ſo iſt klar, daß auch, was nicht unbedingt
noch allgemein moͤglich iſt, einen Grund ſeiner Moͤg-
lichkeit und deren Graͤnzen haben muͤſſe.
§. 239. a)
Dieſer Lehrſatz iſt auch in der Ausuͤbung und in
der Erkenntniß a poſteriori von vielfachem Gebrauche.
Er diente dem Torricelli, den Abſcheu vor dem Leeren
aus der Naturlehre zu verbannen, und die Schwere
der Luft, als den wahren Grund einer Erfahrung zu
finden, die man bis dahin allgemeiner glaubte, als ſie
wirklich war. Uebrigens gebrauchte er dieſen Satz nicht
in ſeiner voͤlligen Allgemeinheit, weil er nur fuͤr einen
erdichteten Grund, der die Erfahrung unbedingt mach-
te, den wahren aus der Bedingung fand, die die Er-
fahrung ſelbſt angab.
§. 239. b)
Die willkuͤhrliche Zuſammenſetzung einfacher
Begriffe iſt nicht allgemein moͤglich. Dieſer Satz
wird ſchlechthin durch Exempla in contrarium erwie-
ſen. (§. 227. Dianoiol.) Man wird aber leicht ſolche
finden, wenn man den im zweyten Hauptſtuͤck gegebe-
nen Grundſaͤtzen zuwider, Begriffe zuſammenſetzen will.
Z. E. man gebe dem Soliden nur eine Dimenſion. (§.
94.) Man ſetze, daß itzt ſey, was erſt kuͤnftig ſeyn wird,
(§. 81.) daß, was in einem Raume iſt, zugleich außer
demſelben ſey (§. 87.) ꝛc. ſo wird man unmoͤgliche
Dinge ſetzen. Demnach iſt die willkuͤhrliche Zuſammen-
ſetzung einfacher Begriffe nicht allgemein moͤglich. Es
iſt fuͤr ſich klar, daß dieſe Moͤglichkeit der Zuſammen-
ſetzung bereits ſchon zuſammengeſetzter Begriffe noch
eingeſchraͤnkter iſt.
§. 240.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/598>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.