Diese Redensarten sind noch immer figürlich, und folglich haben wir sie noch genauer auf die Jntellectu- alwelt anzuwenden. Daß sie, überhaupt betrachtet, auch hier vorkommen, darf man sich nur der Fälle erinnern, wo man sich von jemand hat etwas erklä- ren oder beweisen lassen, und wo man gleich anfangs den Zusammenhang sich nicht hat vorstellen können. Die Redensarten: ich sehe noch nicht, wie die- ses aus jenem folge, wie diese Stücke beysam- men bestehen können, woher dieses oder jenes dazu kömmt, dabey ist etc. sind theils in solchen Fällen, theils auch bey eigenem Nachdenken sehr ge- wöhnlich, und man zeigt dadurch zugleich die Lücken in dem Bewußtseyn an, theils auch, daß man nicht gesonnen sey, von einem auf das andre zu kommen, ohne zu wissen, ob allenfalls der Sprung nicht feh- lerhaft wäre, wenn man ihn gleich thun wollte. Man will daher die Lücke erst ausgefüllt wissen, um sich zu versichern, daß nichts eingebildetes, (§. 205.) darinn sey.
§. 217.
Das Schritt für Schritt gehen, welches uns die Lücken anzeigt, will demnach hier sagen: sich bey einer Vorstellung bewußt seyn, wie von Anfang bis zum Ende eines mit dem andern beysam- men besteht, oder eines mit dem andern ver- bunden ist, und zusammenhängt. Demnach kömmt es auf die bereits zu Anfange dieses Hauptstückes (§. 161.) angeführten Forderungen an, welche man bey jedem einzelnen Stücke der Vorstellung will genau beobachtet wissen, und allerdings beobachtet werden müssen, wenn man Schritt für Schritt gehen, und Lücken und Jrrthum vermeiden will. So ist auch für sich klar, daß die absolute Gewißheit for-
dert,
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
§. 216.
Dieſe Redensarten ſind noch immer figuͤrlich, und folglich haben wir ſie noch genauer auf die Jntellectu- alwelt anzuwenden. Daß ſie, uͤberhaupt betrachtet, auch hier vorkommen, darf man ſich nur der Faͤlle erinnern, wo man ſich von jemand hat etwas erklaͤ- ren oder beweiſen laſſen, und wo man gleich anfangs den Zuſammenhang ſich nicht hat vorſtellen koͤnnen. Die Redensarten: ich ſehe noch nicht, wie die- ſes aus jenem folge, wie dieſe Stuͤcke beyſam- men beſtehen koͤnnen, woher dieſes oder jenes dazu koͤmmt, dabey iſt ꝛc. ſind theils in ſolchen Faͤllen, theils auch bey eigenem Nachdenken ſehr ge- woͤhnlich, und man zeigt dadurch zugleich die Luͤcken in dem Bewußtſeyn an, theils auch, daß man nicht geſonnen ſey, von einem auf das andre zu kommen, ohne zu wiſſen, ob allenfalls der Sprung nicht feh- lerhaft waͤre, wenn man ihn gleich thun wollte. Man will daher die Luͤcke erſt ausgefuͤllt wiſſen, um ſich zu verſichern, daß nichts eingebildetes, (§. 205.) darinn ſey.
§. 217.
Das Schritt fuͤr Schritt gehen, welches uns die Luͤcken anzeigt, will demnach hier ſagen: ſich bey einer Vorſtellung bewußt ſeyn, wie von Anfang bis zum Ende eines mit dem andern beyſam- men beſteht, oder eines mit dem andern ver- bunden iſt, und zuſammenhaͤngt. Demnach koͤmmt es auf die bereits zu Anfange dieſes Hauptſtuͤckes (§. 161.) angefuͤhrten Forderungen an, welche man bey jedem einzelnen Stuͤcke der Vorſtellung will genau beobachtet wiſſen, und allerdings beobachtet werden muͤſſen, wenn man Schritt fuͤr Schritt gehen, und Luͤcken und Jrrthum vermeiden will. So iſt auch fuͤr ſich klar, daß die abſolute Gewißheit for-
dert,
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IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
§. 216.
Dieſe Redensarten ſind noch immer figuͤrlich, und
folglich haben wir ſie noch genauer auf die Jntellectu-
alwelt anzuwenden. Daß ſie, uͤberhaupt betrachtet,
auch hier vorkommen, darf man ſich nur der Faͤlle
erinnern, wo man ſich von jemand hat etwas erklaͤ-
ren oder beweiſen laſſen, und wo man gleich anfangs
den Zuſammenhang ſich nicht hat vorſtellen koͤnnen.
Die Redensarten: ich ſehe noch nicht, wie die-
ſes aus jenem folge, wie dieſe Stuͤcke beyſam-
men beſtehen koͤnnen, woher dieſes oder jenes
dazu koͤmmt, dabey iſt ꝛc. ſind theils in ſolchen
Faͤllen, theils auch bey eigenem Nachdenken ſehr ge-
woͤhnlich, und man zeigt dadurch zugleich die Luͤcken
in dem Bewußtſeyn an, theils auch, daß man nicht
geſonnen ſey, von einem auf das andre zu kommen,
ohne zu wiſſen, ob allenfalls der Sprung nicht feh-
lerhaft waͤre, wenn man ihn gleich thun wollte. Man
will daher die Luͤcke erſt ausgefuͤllt wiſſen, um ſich zu
verſichern, daß nichts eingebildetes, (§. 205.) darinn
ſey.
§. 217.
Das Schritt fuͤr Schritt gehen, welches uns die
Luͤcken anzeigt, will demnach hier ſagen: ſich bey
einer Vorſtellung bewußt ſeyn, wie von Anfang
bis zum Ende eines mit dem andern beyſam-
men beſteht, oder eines mit dem andern ver-
bunden iſt, und zuſammenhaͤngt. Demnach koͤmmt
es auf die bereits zu Anfange dieſes Hauptſtuͤckes
(§. 161.) angefuͤhrten Forderungen an, welche man
bey jedem einzelnen Stuͤcke der Vorſtellung will genau
beobachtet wiſſen, und allerdings beobachtet werden
muͤſſen, wenn man Schritt fuͤr Schritt gehen, und
Luͤcken und Jrrthum vermeiden will. So iſt auch
fuͤr ſich klar, daß die abſolute Gewißheit for-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/586>, abgerufen am 21.11.2024.
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