Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

der Wahren und Jrrigen.
klar, daß man sie sich als eine Einheit vorstellen kann,
(§. 26.) das nicht gedenkbare darinn eine Lücke lasse,
welche macht, daß die Vorstellung nicht völlig = 1
ist. Jndessen, so fern man sich das nicht Gedenkbare
oder das eigentlich Jrrige unter dem Bilde des Gedenk-
baren vorstellt, so macht dieser eingebildete (§. 42.)
Theil mit dem realen Theile der Vorstellung
eine Einheit aus, die ebenfalls nur eingebildet
ist.
Weil sie sonst durchaus real und folglich die
Vorstellung durchaus wahr und richtig wäre. Auf
diese Art sagt man z. E. es seyn in einer Vorstellung
drey Theile wahr, und ein Theil irrig. Das heißt nun
auf Algebraisch, die Einheit der Vorstellung sey=
3/4+1/4. sqrt--1.

§. 206.

Wenn aber eine Vorstellung an sich durchaus
wahr ist, so kann es dennoch geschehen, daß wir uns
des Wahren nicht durchaus bewußt sind. Da wir
aber für den Theil, dessen wir uns nicht bewußt sind,
nicht gut stehen können, ob er auch wahr oder nur
eingebildet sey, so bleibt uns in so fern noch die Un-
gewißheit,
ob in der Vorstellung noch etwas irriges
versteckt liege oder nicht. Und in so fern unterschei-
det sich der zurückbleibende Theil, in Absicht auf das
Wahre und Jrrige, nur dadurch, daß wir ihn, wenn
er wahr ist, schlechthin nur nicht gedenken, wenn er
aber irrig ist, nicht nur nicht gedenken, sondern so fern
er irrig ist, gar nicht gedenken können. (§. 195.)

§. 207.

Soll demnach jede Ungewißheit bey einer
Vorstellung gehoben werden, so muß die Ein-
heit darinn nicht nur durchaus real und com-
plet seyn, sondern wir müssen uns bewußt seyn,
daß sie es ist.
Denn ist sie complet, so ist auch die
Vorstellung durchaus richtig und wahr. (§. 204.)

Dieses

der Wahren und Jrrigen.
klar, daß man ſie ſich als eine Einheit vorſtellen kann,
(§. 26.) das nicht gedenkbare darinn eine Luͤcke laſſe,
welche macht, daß die Vorſtellung nicht voͤllig = 1
iſt. Jndeſſen, ſo fern man ſich das nicht Gedenkbare
oder das eigentlich Jrrige unter dem Bilde des Gedenk-
baren vorſtellt, ſo macht dieſer eingebildete (§. 42.)
Theil mit dem realen Theile der Vorſtellung
eine Einheit aus, die ebenfalls nur eingebildet
iſt.
Weil ſie ſonſt durchaus real und folglich die
Vorſtellung durchaus wahr und richtig waͤre. Auf
dieſe Art ſagt man z. E. es ſeyn in einer Vorſtellung
drey Theile wahr, und ein Theil irrig. Das heißt nun
auf Algebraiſch, die Einheit der Vorſtellung ſey=
¾+¼. √—1.

§. 206.

Wenn aber eine Vorſtellung an ſich durchaus
wahr iſt, ſo kann es dennoch geſchehen, daß wir uns
des Wahren nicht durchaus bewußt ſind. Da wir
aber fuͤr den Theil, deſſen wir uns nicht bewußt ſind,
nicht gut ſtehen koͤnnen, ob er auch wahr oder nur
eingebildet ſey, ſo bleibt uns in ſo fern noch die Un-
gewißheit,
ob in der Vorſtellung noch etwas irriges
verſteckt liege oder nicht. Und in ſo fern unterſchei-
det ſich der zuruͤckbleibende Theil, in Abſicht auf das
Wahre und Jrrige, nur dadurch, daß wir ihn, wenn
er wahr iſt, ſchlechthin nur nicht gedenken, wenn er
aber irrig iſt, nicht nur nicht gedenken, ſondern ſo fern
er irrig iſt, gar nicht gedenken koͤnnen. (§. 195.)

§. 207.

Soll demnach jede Ungewißheit bey einer
Vorſtellung gehoben werden, ſo muß die Ein-
heit darinn nicht nur durchaus real und com-
plet ſeyn, ſondern wir muͤſſen uns bewußt ſeyn,
daß ſie es iſt.
Denn iſt ſie complet, ſo iſt auch die
Vorſtellung durchaus richtig und wahr. (§. 204.)

Dieſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0581" n="559"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Wahren und Jrrigen.</hi></fw><lb/>
klar, daß man &#x017F;ie &#x017F;ich als eine Einheit vor&#x017F;tellen kann,<lb/>
(§. 26.) das nicht gedenkbare darinn eine Lu&#x0364;cke la&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
welche macht, daß die Vor&#x017F;tellung nicht vo&#x0364;llig = 1<lb/>
i&#x017F;t. Jnde&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o fern man &#x017F;ich das nicht Gedenkbare<lb/>
oder das eigentlich Jrrige unter dem Bilde des Gedenk-<lb/>
baren vor&#x017F;tellt, <hi rendition="#fr">&#x017F;o macht die&#x017F;er eingebildete</hi> (§. 42.)<lb/><hi rendition="#fr">Theil mit dem realen Theile der Vor&#x017F;tellung<lb/>
eine Einheit aus, die ebenfalls nur eingebildet<lb/>
i&#x017F;t.</hi> Weil &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t durchaus real und folglich die<lb/>
Vor&#x017F;tellung durchaus wahr und richtig wa&#x0364;re. Auf<lb/>
die&#x017F;e Art &#x017F;agt man z. E. es &#x017F;eyn in einer Vor&#x017F;tellung<lb/>
drey Theile wahr, und ein Theil irrig. Das heißt nun<lb/>
auf Algebrai&#x017F;ch, die Einheit der Vor&#x017F;tellung &#x017F;ey=<lb/>
¾+¼. &#x221A;&#x2014;1.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 206.</head><lb/>
            <p>Wenn aber eine Vor&#x017F;tellung an &#x017F;ich durchaus<lb/>
wahr i&#x017F;t, &#x017F;o kann es dennoch ge&#x017F;chehen, daß wir uns<lb/>
des Wahren nicht durchaus bewußt &#x017F;ind. Da wir<lb/>
aber fu&#x0364;r den Theil, de&#x017F;&#x017F;en wir uns nicht bewußt &#x017F;ind,<lb/>
nicht gut &#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, ob er auch wahr oder nur<lb/>
eingebildet &#x017F;ey, &#x017F;o bleibt uns in &#x017F;o fern noch die <hi rendition="#fr">Un-<lb/>
gewißheit,</hi> ob in der Vor&#x017F;tellung noch etwas irriges<lb/>
ver&#x017F;teckt liege oder nicht. Und in &#x017F;o fern unter&#x017F;chei-<lb/>
det &#x017F;ich der zuru&#x0364;ckbleibende Theil, in Ab&#x017F;icht auf das<lb/>
Wahre und Jrrige, nur dadurch, daß wir ihn, wenn<lb/>
er wahr i&#x017F;t, &#x017F;chlechthin nur nicht gedenken, wenn er<lb/>
aber irrig i&#x017F;t, nicht nur nicht gedenken, &#x017F;ondern &#x017F;o fern<lb/>
er irrig i&#x017F;t, gar nicht gedenken ko&#x0364;nnen. (§. 195.)</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 207.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Soll demnach jede Ungewißheit bey einer<lb/>
Vor&#x017F;tellung gehoben werden, &#x017F;o muß die Ein-<lb/>
heit darinn nicht nur durchaus real und com-<lb/>
plet &#x017F;eyn, &#x017F;ondern wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns bewußt &#x017F;eyn,<lb/>
daß &#x017F;ie es i&#x017F;t.</hi> Denn i&#x017F;t &#x017F;ie complet, &#x017F;o i&#x017F;t auch die<lb/>
Vor&#x017F;tellung durchaus richtig und wahr. (§. 204.)<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[559/0581] der Wahren und Jrrigen. klar, daß man ſie ſich als eine Einheit vorſtellen kann, (§. 26.) das nicht gedenkbare darinn eine Luͤcke laſſe, welche macht, daß die Vorſtellung nicht voͤllig = 1 iſt. Jndeſſen, ſo fern man ſich das nicht Gedenkbare oder das eigentlich Jrrige unter dem Bilde des Gedenk- baren vorſtellt, ſo macht dieſer eingebildete (§. 42.) Theil mit dem realen Theile der Vorſtellung eine Einheit aus, die ebenfalls nur eingebildet iſt. Weil ſie ſonſt durchaus real und folglich die Vorſtellung durchaus wahr und richtig waͤre. Auf dieſe Art ſagt man z. E. es ſeyn in einer Vorſtellung drey Theile wahr, und ein Theil irrig. Das heißt nun auf Algebraiſch, die Einheit der Vorſtellung ſey= ¾+¼. √—1. §. 206. Wenn aber eine Vorſtellung an ſich durchaus wahr iſt, ſo kann es dennoch geſchehen, daß wir uns des Wahren nicht durchaus bewußt ſind. Da wir aber fuͤr den Theil, deſſen wir uns nicht bewußt ſind, nicht gut ſtehen koͤnnen, ob er auch wahr oder nur eingebildet ſey, ſo bleibt uns in ſo fern noch die Un- gewißheit, ob in der Vorſtellung noch etwas irriges verſteckt liege oder nicht. Und in ſo fern unterſchei- det ſich der zuruͤckbleibende Theil, in Abſicht auf das Wahre und Jrrige, nur dadurch, daß wir ihn, wenn er wahr iſt, ſchlechthin nur nicht gedenken, wenn er aber irrig iſt, nicht nur nicht gedenken, ſondern ſo fern er irrig iſt, gar nicht gedenken koͤnnen. (§. 195.) §. 207. Soll demnach jede Ungewißheit bey einer Vorſtellung gehoben werden, ſo muß die Ein- heit darinn nicht nur durchaus real und com- plet ſeyn, ſondern wir muͤſſen uns bewußt ſeyn, daß ſie es iſt. Denn iſt ſie complet, ſo iſt auch die Vorſtellung durchaus richtig und wahr. (§. 204.) Dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/581
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/581>, abgerufen am 21.11.2024.