Da die complete Harmonie eine absolute Einheit, und folglich das Maaß der Wahrheit ist, wenn diese aus ihren Folgen bestimmt werden soll, (§. 183.) so ist klar, daß uns ein Satz desto richtiger vor- kommen muß, je mehr Harmonie mit Wahr- heiten wir in demselben finden, und daß hinge- gen diese Richtigkeit wegfällt, so bald sich eine solche Dissonanz äussert, die eine wirkliche Wahrheit umstoßen würde. (§. 166.)
§. 189.
Da wir aber diese Dissonanzen nicht immer so- bald finden, und wenn wir solche antreffen, auch nicht immer finden können, welcher Satz dadurch wegfallen muß, so nennen wir die Sätze, nämlich Vergleichungs- weise, die richtigsten, die uns noch immer auf Har- monien, und hingegen noch nie auf Dissonanzen geführt haben. Jch sage Vergleichungsweise, in so fern wir nämlich noch nicht entscheiden können, ob die ge- fundenen Harmonien zusammen genommen vollzählig sind, oder nicht, (§ 183. wie dieses in vielen Fällen kann gefunden werden. (§. 176.)
§. 190.
Wissen wir aber, daß diese Harmonie com- plet ist, so hat auch der Satz seine absolute Rich- tigkeit, weil die complete Harmonie der Wahrheit eigen ist, (§. 185.) und aus gleichem Grunde, wenn wir von der Wahrheit des Satzes nicht aus seinen Folgen, sondern aus Gründen versichert sind, so sind wir eben dadurch auch versichert, daß seine Harmonie complet seyn müsse, ohne daß wir nöthig haben, sie abzuzählen, oder uns durch eine vollständige Jnduction davon zu versichern. (§. 395 Dianoiol.)
§. 191.
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des Wahren und Jrrigen.
§. 188.
Da die complete Harmonie eine abſolute Einheit, und folglich das Maaß der Wahrheit iſt, wenn dieſe aus ihren Folgen beſtimmt werden ſoll, (§. 183.) ſo iſt klar, daß uns ein Satz deſto richtiger vor- kommen muß, je mehr Harmonie mit Wahr- heiten wir in demſelben finden, und daß hinge- gen dieſe Richtigkeit wegfaͤllt, ſo bald ſich eine ſolche Diſſonanz aͤuſſert, die eine wirkliche Wahrheit umſtoßen wuͤrde. (§. 166.)
§. 189.
Da wir aber dieſe Diſſonanzen nicht immer ſo- bald finden, und wenn wir ſolche antreffen, auch nicht immer finden koͤnnen, welcher Satz dadurch wegfallen muß, ſo nennen wir die Saͤtze, naͤmlich Vergleichungs- weiſe, die richtigſten, die uns noch immer auf Har- monien, und hingegen noch nie auf Diſſonanzen gefuͤhrt haben. Jch ſage Vergleichungsweiſe, in ſo fern wir naͤmlich noch nicht entſcheiden koͤnnen, ob die ge- fundenen Harmonien zuſammen genommen vollzaͤhlig ſind, oder nicht, (§ 183. wie dieſes in vielen Faͤllen kann gefunden werden. (§. 176.)
§. 190.
Wiſſen wir aber, daß dieſe Harmonie com- plet iſt, ſo hat auch der Satz ſeine abſolute Rich- tigkeit, weil die complete Harmonie der Wahrheit eigen iſt, (§. 185.) und aus gleichem Grunde, wenn wir von der Wahrheit des Satzes nicht aus ſeinen Folgen, ſondern aus Gruͤnden verſichert ſind, ſo ſind wir eben dadurch auch verſichert, daß ſeine Harmonie complet ſeyn muͤſſe, ohne daß wir noͤthig haben, ſie abzuzaͤhlen, oder uns durch eine vollſtaͤndige Jnduction davon zu verſichern. (§. 395 Dianoiol.)
§. 191.
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des Wahren und Jrrigen.
§. 188.
Da die complete Harmonie eine abſolute Einheit,
und folglich das Maaß der Wahrheit iſt, wenn dieſe
aus ihren Folgen beſtimmt werden ſoll, (§. 183.) ſo
iſt klar, daß uns ein Satz deſto richtiger vor-
kommen muß, je mehr Harmonie mit Wahr-
heiten wir in demſelben finden, und daß hinge-
gen dieſe Richtigkeit wegfaͤllt, ſo bald ſich eine
ſolche Diſſonanz aͤuſſert, die eine wirkliche
Wahrheit umſtoßen wuͤrde. (§. 166.)
§. 189.
Da wir aber dieſe Diſſonanzen nicht immer ſo-
bald finden, und wenn wir ſolche antreffen, auch nicht
immer finden koͤnnen, welcher Satz dadurch wegfallen
muß, ſo nennen wir die Saͤtze, naͤmlich Vergleichungs-
weiſe, die richtigſten, die uns noch immer auf Har-
monien, und hingegen noch nie auf Diſſonanzen gefuͤhrt
haben. Jch ſage Vergleichungsweiſe, in ſo fern
wir naͤmlich noch nicht entſcheiden koͤnnen, ob die ge-
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ſind, oder nicht, (§ 183. wie dieſes in vielen Faͤllen
kann gefunden werden. (§. 176.)
§. 190.
Wiſſen wir aber, daß dieſe Harmonie com-
plet iſt, ſo hat auch der Satz ſeine abſolute Rich-
tigkeit, weil die complete Harmonie der Wahrheit
eigen iſt, (§. 185.) und aus gleichem Grunde, wenn
wir von der Wahrheit des Satzes nicht aus
ſeinen Folgen, ſondern aus Gruͤnden verſichert
ſind, ſo ſind wir eben dadurch auch verſichert,
daß ſeine Harmonie complet ſeyn muͤſſe, ohne
daß wir noͤthig haben, ſie abzuzaͤhlen, oder uns
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/573>, abgerufen am 21.12.2024.
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