wendig etwas irriges darinn. Denn dieses ist der Wahrheit eigen, daß sie durchaus harmonirt, folglich alle Dissonanzen ausschleußt. (§. 184. 185.) Wo demnach Dissonanzen vorkommen, da ist mehr oder minder irriges.
§. 187.
Die Dissonanzen sind dem Jrrthum eigen, doch so, daß auch scheinbare Harmonien mit unterlaufen, die uns, so lange wir nur diese wissen, das irrige als wahr vorstellen, oder wahrscheinlich machen. Denn da es nothwendig möglich bleibt, aus irrigen oder falschen Sätzen Widersprüche und folglich Dissonanzen herzuleiten, (§. 171. 172. 173.) so sind in jedem Jrrthum noth- wendig Dissonanzen. Ferner da bey jeder Wahrheit die Harmonie complet, und folglich jede Dissonanz ausgeschlossen ist, so bleibt die Dissonanz dem Jrrthum eigen. Denn wäre dieses nicht, so müßte sie dem Wahren und Falschen gemein seyn, welches nicht an- geht. (§. 184.) Endlich da es möglich bleibt, aus einem irrigen Satze Schlußsätze zu ziehen, die wahr sind, (§. 182.) so haben sie in ihren Folgen eine Harmonie, die aber nothwendig incomplet bleibt, weil die com- plete der Wahrheit eigen ist. (§. 185.) So lange wir demnach nur diese harmonirende Seite des Jrri- gen wissen, so lange scheint es uns von dem Wahren nicht verschieden, und ist demnach wahrscheinlich, und zwar so, daß wir es leicht mit dem Wahren vermen- gen, bis sich uns etwann die Dissonanzen aufdecken. Man sehe, was wir in der Dianoiologie, (§. 379.) bey Gelegenheit der apogogischen Beweise hierüber angemerkt, desgleichen was wir oben (§. 179.) von den Gesetzen unsres Beyfalls erinnert haben.
§. 188.
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
wendig etwas irriges darinn. Denn dieſes iſt der Wahrheit eigen, daß ſie durchaus harmonirt, folglich alle Diſſonanzen ausſchleußt. (§. 184. 185.) Wo demnach Diſſonanzen vorkommen, da iſt mehr oder minder irriges.
§. 187.
Die Diſſonanzen ſind dem Jrrthum eigen, doch ſo, daß auch ſcheinbare Harmonien mit unterlaufen, die uns, ſo lange wir nur dieſe wiſſen, das irrige als wahr vorſtellen, oder wahrſcheinlich machen. Denn da es nothwendig moͤglich bleibt, aus irrigen oder falſchen Saͤtzen Widerſpruͤche und folglich Diſſonanzen herzuleiten, (§. 171. 172. 173.) ſo ſind in jedem Jrrthum noth- wendig Diſſonanzen. Ferner da bey jeder Wahrheit die Harmonie complet, und folglich jede Diſſonanz ausgeſchloſſen iſt, ſo bleibt die Diſſonanz dem Jrrthum eigen. Denn waͤre dieſes nicht, ſo muͤßte ſie dem Wahren und Falſchen gemein ſeyn, welches nicht an- geht. (§. 184.) Endlich da es moͤglich bleibt, aus einem irrigen Satze Schlußſaͤtze zu ziehen, die wahr ſind, (§. 182.) ſo haben ſie in ihren Folgen eine Harmonie, die aber nothwendig incomplet bleibt, weil die com- plete der Wahrheit eigen iſt. (§. 185.) So lange wir demnach nur dieſe harmonirende Seite des Jrri- gen wiſſen, ſo lange ſcheint es uns von dem Wahren nicht verſchieden, und iſt demnach wahrſcheinlich, und zwar ſo, daß wir es leicht mit dem Wahren vermen- gen, bis ſich uns etwann die Diſſonanzen aufdecken. Man ſehe, was wir in der Dianoiologie, (§. 379.) bey Gelegenheit der apogogiſchen Beweiſe hieruͤber angemerkt, desgleichen was wir oben (§. 179.) von den Geſetzen unſres Beyfalls erinnert haben.
§. 188.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0572"n="550"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">wendig etwas irriges darinn.</hi> Denn dieſes iſt<lb/>
der Wahrheit eigen, daß ſie durchaus harmonirt,<lb/>
folglich alle Diſſonanzen ausſchleußt. (§. 184. 185.)<lb/>
Wo demnach Diſſonanzen vorkommen, da iſt mehr<lb/>
oder minder irriges.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 187.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Die Diſſonanzen ſind dem Jrrthum eigen,<lb/>
doch ſo, daß auch ſcheinbare Harmonien mit<lb/>
unterlaufen, die uns, ſo lange wir nur dieſe<lb/>
wiſſen, das irrige als wahr vorſtellen, oder<lb/>
wahrſcheinlich machen.</hi> Denn da es nothwendig<lb/>
moͤglich bleibt, aus irrigen oder falſchen Saͤtzen<lb/>
Widerſpruͤche und folglich Diſſonanzen herzuleiten,<lb/>
(§. 171. 172. 173.) ſo ſind in jedem Jrrthum noth-<lb/>
wendig Diſſonanzen. Ferner da bey jeder Wahrheit<lb/>
die Harmonie complet, und folglich jede Diſſonanz<lb/>
ausgeſchloſſen iſt, ſo bleibt die Diſſonanz dem Jrrthum<lb/>
eigen. Denn waͤre dieſes nicht, ſo muͤßte ſie dem<lb/>
Wahren und Falſchen gemein ſeyn, welches nicht an-<lb/>
geht. (§. 184.) Endlich da es moͤglich bleibt, aus<lb/>
einem irrigen Satze Schlußſaͤtze zu ziehen, die wahr ſind,<lb/>
(§. 182.) ſo haben ſie in ihren Folgen eine Harmonie,<lb/>
die aber nothwendig incomplet bleibt, weil die com-<lb/>
plete der Wahrheit eigen iſt. (§. 185.) So lange<lb/>
wir demnach nur dieſe harmonirende Seite des Jrri-<lb/>
gen wiſſen, ſo lange ſcheint es uns von dem Wahren<lb/>
nicht verſchieden, und iſt demnach wahrſcheinlich, und<lb/>
zwar ſo, daß wir es leicht mit dem Wahren vermen-<lb/>
gen, bis ſich uns etwann die Diſſonanzen aufdecken.<lb/>
Man ſehe, was wir in der Dianoiologie, (§. 379.)<lb/>
bey Gelegenheit der apogogiſchen Beweiſe hieruͤber<lb/>
angemerkt, desgleichen was wir oben (§. 179.) von<lb/>
den Geſetzen unſres Beyfalls erinnert haben.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 188.</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[550/0572]
IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
wendig etwas irriges darinn. Denn dieſes iſt
der Wahrheit eigen, daß ſie durchaus harmonirt,
folglich alle Diſſonanzen ausſchleußt. (§. 184. 185.)
Wo demnach Diſſonanzen vorkommen, da iſt mehr
oder minder irriges.
§. 187.
Die Diſſonanzen ſind dem Jrrthum eigen,
doch ſo, daß auch ſcheinbare Harmonien mit
unterlaufen, die uns, ſo lange wir nur dieſe
wiſſen, das irrige als wahr vorſtellen, oder
wahrſcheinlich machen. Denn da es nothwendig
moͤglich bleibt, aus irrigen oder falſchen Saͤtzen
Widerſpruͤche und folglich Diſſonanzen herzuleiten,
(§. 171. 172. 173.) ſo ſind in jedem Jrrthum noth-
wendig Diſſonanzen. Ferner da bey jeder Wahrheit
die Harmonie complet, und folglich jede Diſſonanz
ausgeſchloſſen iſt, ſo bleibt die Diſſonanz dem Jrrthum
eigen. Denn waͤre dieſes nicht, ſo muͤßte ſie dem
Wahren und Falſchen gemein ſeyn, welches nicht an-
geht. (§. 184.) Endlich da es moͤglich bleibt, aus
einem irrigen Satze Schlußſaͤtze zu ziehen, die wahr ſind,
(§. 182.) ſo haben ſie in ihren Folgen eine Harmonie,
die aber nothwendig incomplet bleibt, weil die com-
plete der Wahrheit eigen iſt. (§. 185.) So lange
wir demnach nur dieſe harmonirende Seite des Jrri-
gen wiſſen, ſo lange ſcheint es uns von dem Wahren
nicht verſchieden, und iſt demnach wahrſcheinlich, und
zwar ſo, daß wir es leicht mit dem Wahren vermen-
gen, bis ſich uns etwann die Diſſonanzen aufdecken.
Man ſehe, was wir in der Dianoiologie, (§. 379.)
bey Gelegenheit der apogogiſchen Beweiſe hieruͤber
angemerkt, desgleichen was wir oben (§. 179.) von
den Geſetzen unſres Beyfalls erinnert haben.
§. 188.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/572>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.