Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

des Wahren und Jrrigen.
(§. 242. Dianoiol.) Und die Wahrheit des
Schlußsatzes aus wahren Vordersätzen, und
richtiger Form.
(§. 248. Dianoiol.)

§. 162.

Diese Forderungen gründen sich fast unmittelbar
auf den Satz des Widerspruches, den wir eben-
falls zum ersten Grunde alles dessen legen können, was
wir von der Wahrheit sagen werden. Nämlich un-
ser Verstand empfindet ein Widerstreben, wel-
ches ihm die Unmöglichkeit aufdringt, bey ei-
nem Dinge, das
A ist, zu denken, es sey nicht
A. Dieses Widerstreben des Verstandes, welches
er empfindet, von A zu denken, es sey nicht A, giebt
uns den ursprünglichen und strengsten Begriff der
Unmöglichkeit. Denn wir finden es so unmöglich,
daß wir nicht nur denken, es könne nicht seyn, son-
dern daß, wenn wir es auch versuchen wollten, es an-
zunehmen, wir gleichsam davon zurück gehalten wer-
den. Diese Unmöglichkeit dringt sich uns auf.

§. 163.

Man kann demnach den Satz des Widerspruches
unter die Postulata setzen, weil man jedesmal diese
Probe in sich erneuern, und sich von dieser Unmög-
lichkeit versichern kann. Man fordere demnach, daß
man die Unmöglichkeit, von
A zu glauben,
daß es nicht
A sey, empfinden könne.

§. 164.

Bey dieser Empfindung haben wir die einfachen
Begriffe seyn, nicht, nicht seyn, und die Ver-
gleichung von seyn und nicht seyn, giebt uns den
Begriff des Widerspruches, nämlich seyn und
nicht seyn widerspricht einander, und beydes zu-
gleich
ist unmöglich.

§. 165.

des Wahren und Jrrigen.
(§. 242. Dianoiol.) Und die Wahrheit des
Schlußſatzes aus wahren Vorderſaͤtzen, und
richtiger Form.
(§. 248. Dianoiol.)

§. 162.

Dieſe Forderungen gruͤnden ſich faſt unmittelbar
auf den Satz des Widerſpruches, den wir eben-
falls zum erſten Grunde alles deſſen legen koͤnnen, was
wir von der Wahrheit ſagen werden. Naͤmlich un-
ſer Verſtand empfindet ein Widerſtreben, wel-
ches ihm die Unmoͤglichkeit aufdringt, bey ei-
nem Dinge, das
A iſt, zu denken, es ſey nicht
A. Dieſes Widerſtreben des Verſtandes, welches
er empfindet, von A zu denken, es ſey nicht A, giebt
uns den urſpruͤnglichen und ſtrengſten Begriff der
Unmoͤglichkeit. Denn wir finden es ſo unmoͤglich,
daß wir nicht nur denken, es koͤnne nicht ſeyn, ſon-
dern daß, wenn wir es auch verſuchen wollten, es an-
zunehmen, wir gleichſam davon zuruͤck gehalten wer-
den. Dieſe Unmoͤglichkeit dringt ſich uns auf.

§. 163.

Man kann demnach den Satz des Widerſpruches
unter die Poſtulata ſetzen, weil man jedesmal dieſe
Probe in ſich erneuern, und ſich von dieſer Unmoͤg-
lichkeit verſichern kann. Man fordere demnach, daß
man die Unmoͤglichkeit, von
A zu glauben,
daß es nicht
A ſey, empfinden koͤnne.

§. 164.

Bey dieſer Empfindung haben wir die einfachen
Begriffe ſeyn, nicht, nicht ſeyn, und die Ver-
gleichung von ſeyn und nicht ſeyn, giebt uns den
Begriff des Widerſpruches, naͤmlich ſeyn und
nicht ſeyn widerſpricht einander, und beydes zu-
gleich
iſt unmoͤglich.

§. 165.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0561" n="539"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Wahren und Jrrigen.</hi></fw><lb/>
(§. 242. Dianoiol.) Und <hi rendition="#fr">die Wahrheit des<lb/>
Schluß&#x017F;atzes aus wahren Vorder&#x017F;a&#x0364;tzen, und<lb/>
richtiger Form.</hi> (§. 248. Dianoiol.)</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 162.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Forderungen gru&#x0364;nden &#x017F;ich fa&#x017F;t unmittelbar<lb/>
auf den <hi rendition="#fr">Satz des Wider&#x017F;pruches,</hi> den wir eben-<lb/>
falls zum er&#x017F;ten Grunde alles de&#x017F;&#x017F;en legen ko&#x0364;nnen, was<lb/>
wir von der Wahrheit &#x017F;agen werden. Na&#x0364;mlich <hi rendition="#fr">un-<lb/>
&#x017F;er Ver&#x017F;tand empfindet ein Wider&#x017F;treben, wel-<lb/>
ches ihm die Unmo&#x0364;glichkeit aufdringt, bey ei-<lb/>
nem Dinge, das</hi> <hi rendition="#aq">A</hi> <hi rendition="#fr">i&#x017F;t, zu denken, es &#x017F;ey nicht</hi><lb/><hi rendition="#aq">A.</hi> Die&#x017F;es Wider&#x017F;treben des Ver&#x017F;tandes, welches<lb/>
er empfindet, von <hi rendition="#aq">A</hi> zu denken, es &#x017F;ey nicht <hi rendition="#aq">A,</hi> giebt<lb/>
uns den ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen und &#x017F;treng&#x017F;ten Begriff der<lb/><hi rendition="#fr">Unmo&#x0364;glichkeit.</hi> Denn wir finden es &#x017F;o unmo&#x0364;glich,<lb/>
daß wir nicht nur denken, <hi rendition="#fr">es ko&#x0364;nne</hi> nicht &#x017F;eyn, &#x017F;on-<lb/>
dern daß, wenn wir es auch ver&#x017F;uchen wollten, es an-<lb/>
zunehmen, wir gleich&#x017F;am davon zuru&#x0364;ck gehalten wer-<lb/>
den. Die&#x017F;e Unmo&#x0364;glichkeit dringt &#x017F;ich uns auf.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 163.</head><lb/>
            <p>Man kann demnach den Satz des Wider&#x017F;pruches<lb/>
unter die <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulata</hi> &#x017F;etzen, weil man jedesmal die&#x017F;e<lb/>
Probe in &#x017F;ich erneuern, und &#x017F;ich von die&#x017F;er Unmo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit ver&#x017F;ichern kann. Man fordere demnach, <hi rendition="#fr">daß<lb/>
man die Unmo&#x0364;glichkeit, von</hi> <hi rendition="#aq">A</hi> <hi rendition="#fr">zu glauben,<lb/>
daß es nicht</hi> <hi rendition="#aq">A</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;ey, empfinden ko&#x0364;nne.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 164.</head><lb/>
            <p>Bey die&#x017F;er Empfindung haben wir die einfachen<lb/>
Begriffe <hi rendition="#fr">&#x017F;eyn, nicht, nicht &#x017F;eyn,</hi> und die Ver-<lb/>
gleichung von <hi rendition="#fr">&#x017F;eyn</hi> und <hi rendition="#fr">nicht &#x017F;eyn,</hi> giebt uns den<lb/>
Begriff des <hi rendition="#fr">Wider&#x017F;pruches,</hi> na&#x0364;mlich <hi rendition="#fr">&#x017F;eyn</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">nicht &#x017F;eyn wider&#x017F;pricht</hi> einander, und beydes <hi rendition="#fr">zu-<lb/>
gleich</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#fr">unmo&#x0364;glich.</hi></p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 165.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[539/0561] des Wahren und Jrrigen. (§. 242. Dianoiol.) Und die Wahrheit des Schlußſatzes aus wahren Vorderſaͤtzen, und richtiger Form. (§. 248. Dianoiol.) §. 162. Dieſe Forderungen gruͤnden ſich faſt unmittelbar auf den Satz des Widerſpruches, den wir eben- falls zum erſten Grunde alles deſſen legen koͤnnen, was wir von der Wahrheit ſagen werden. Naͤmlich un- ſer Verſtand empfindet ein Widerſtreben, wel- ches ihm die Unmoͤglichkeit aufdringt, bey ei- nem Dinge, das A iſt, zu denken, es ſey nicht A. Dieſes Widerſtreben des Verſtandes, welches er empfindet, von A zu denken, es ſey nicht A, giebt uns den urſpruͤnglichen und ſtrengſten Begriff der Unmoͤglichkeit. Denn wir finden es ſo unmoͤglich, daß wir nicht nur denken, es koͤnne nicht ſeyn, ſon- dern daß, wenn wir es auch verſuchen wollten, es an- zunehmen, wir gleichſam davon zuruͤck gehalten wer- den. Dieſe Unmoͤglichkeit dringt ſich uns auf. §. 163. Man kann demnach den Satz des Widerſpruches unter die Poſtulata ſetzen, weil man jedesmal dieſe Probe in ſich erneuern, und ſich von dieſer Unmoͤg- lichkeit verſichern kann. Man fordere demnach, daß man die Unmoͤglichkeit, von A zu glauben, daß es nicht A ſey, empfinden koͤnne. §. 164. Bey dieſer Empfindung haben wir die einfachen Begriffe ſeyn, nicht, nicht ſeyn, und die Ver- gleichung von ſeyn und nicht ſeyn, giebt uns den Begriff des Widerſpruches, naͤmlich ſeyn und nicht ſeyn widerſpricht einander, und beydes zu- gleich iſt unmoͤglich. §. 165.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/561
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/561>, abgerufen am 23.11.2024.