Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Hauptstück,
§. 144.

Bey allen solchen Begriffen, deren Umfang will-
kührlich ist, wird es nothwendig, denselben durch ge-
naue Definitionen zu bestimmen, wozu wir im ersten
Hauptstücke der Dianoiologie ausführliche Anweisung
gegeben haben. Da sie zusammengesetzt sind, so muß
nicht nur die Möglichkeit eines jeden Merkmaals
für sich, sondern auch die Möglichkeit der Zusam-
mensetzung erwiesen werden, es sey, daß man durch
die Erfahrung zeige, daß solche Merkmaale irgend
beysammen sind; oder daß man es aus Gründen aus-
mache. Jm ersten Fall werden sie zu richtigen und
erwiesenen Erfahrungsbegriffen, im andern Fall
aber zu eigentlich sogenannten Lehrbegriffen ge-
macht. Wir können noch anmerken, daß sich solche
Begriffe unter allen am leichtesten definiren lassen.
Denn da sie aus einer gewissen Anzahl von Merkmaa-
len bestehen, die man zusammennimmt, so gebraucht
es nichts weiters, als daß man diese Merkmaale
aufsuche, und sehe, wie sie mit einander verbunden
sind. Die meisten metaphysischen und moralischen
Begriffe gehören in diese Klasse. Man muß sich aber
vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey
hüten, weil sonst solche Definitionen zu einem leeren
Wortkram werden.

§. 145.

Man thut hiebey auch wohl, wenn man solche
Fälle anführen kann, wobey das Wort, oder besser zu
sagen, der Begriff, den es vorstellt, am wenigsten
mit fremden Umständen vermengt vorkömmt, aber
ganz dabey vorkömmt. Solche Fälle dürfen eben
nicht immer special seyn, sondern öfters giebt es ganze
Klassen. Z. E. Um sich vorzustellen, daß das will-
kührliche in dem Umfange der zusammengesetzten

Be-
III. Hauptſtuͤck,
§. 144.

Bey allen ſolchen Begriffen, deren Umfang will-
kuͤhrlich iſt, wird es nothwendig, denſelben durch ge-
naue Definitionen zu beſtimmen, wozu wir im erſten
Hauptſtuͤcke der Dianoiologie ausfuͤhrliche Anweiſung
gegeben haben. Da ſie zuſammengeſetzt ſind, ſo muß
nicht nur die Moͤglichkeit eines jeden Merkmaals
fuͤr ſich, ſondern auch die Moͤglichkeit der Zuſam-
menſetzung erwieſen werden, es ſey, daß man durch
die Erfahrung zeige, daß ſolche Merkmaale irgend
beyſammen ſind; oder daß man es aus Gruͤnden aus-
mache. Jm erſten Fall werden ſie zu richtigen und
erwieſenen Erfahrungsbegriffen, im andern Fall
aber zu eigentlich ſogenannten Lehrbegriffen ge-
macht. Wir koͤnnen noch anmerken, daß ſich ſolche
Begriffe unter allen am leichteſten definiren laſſen.
Denn da ſie aus einer gewiſſen Anzahl von Merkmaa-
len beſtehen, die man zuſammennimmt, ſo gebraucht
es nichts weiters, als daß man dieſe Merkmaale
aufſuche, und ſehe, wie ſie mit einander verbunden
ſind. Die meiſten metaphyſiſchen und moraliſchen
Begriffe gehoͤren in dieſe Klaſſe. Man muß ſich aber
vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey
huͤten, weil ſonſt ſolche Definitionen zu einem leeren
Wortkram werden.

§. 145.

Man thut hiebey auch wohl, wenn man ſolche
Faͤlle anfuͤhren kann, wobey das Wort, oder beſſer zu
ſagen, der Begriff, den es vorſtellt, am wenigſten
mit fremden Umſtaͤnden vermengt vorkoͤmmt, aber
ganz dabey vorkoͤmmt. Solche Faͤlle duͤrfen eben
nicht immer ſpecial ſeyn, ſondern oͤfters giebt es ganze
Klaſſen. Z. E. Um ſich vorzuſtellen, daß das will-
kuͤhrliche in dem Umfange der zuſammengeſetzten

Be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0550" n="528"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 144.</head><lb/>
            <p>Bey allen &#x017F;olchen Begriffen, deren <hi rendition="#fr">Umfang</hi> will-<lb/>
ku&#x0364;hrlich i&#x017F;t, wird es nothwendig, den&#x017F;elben durch ge-<lb/>
naue Definitionen zu be&#x017F;timmen, wozu wir im er&#x017F;ten<lb/>
Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke der Dianoiologie ausfu&#x0364;hrliche Anwei&#x017F;ung<lb/>
gegeben haben. Da &#x017F;ie zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt &#x017F;ind, &#x017F;o muß<lb/>
nicht nur die Mo&#x0364;glichkeit eines jeden Merkmaals<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich, &#x017F;ondern auch die Mo&#x0364;glichkeit der Zu&#x017F;am-<lb/>
men&#x017F;etzung erwie&#x017F;en werden, es &#x017F;ey, daß man durch<lb/>
die Erfahrung zeige, daß &#x017F;olche Merkmaale irgend<lb/>
bey&#x017F;ammen <hi rendition="#fr">&#x017F;ind;</hi> oder daß man es aus Gru&#x0364;nden aus-<lb/>
mache. Jm er&#x017F;ten Fall werden &#x017F;ie zu richtigen und<lb/>
erwie&#x017F;enen <hi rendition="#fr">Erfahrungsbegriffen,</hi> im andern Fall<lb/>
aber zu eigentlich &#x017F;ogenannten <hi rendition="#fr">Lehrbegriffen</hi> ge-<lb/>
macht. Wir ko&#x0364;nnen noch anmerken, daß &#x017F;ich &#x017F;olche<lb/>
Begriffe unter allen am leichte&#x017F;ten definiren la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Denn da &#x017F;ie aus einer gewi&#x017F;&#x017F;en Anzahl von Merkmaa-<lb/>
len be&#x017F;tehen, die man zu&#x017F;ammennimmt, &#x017F;o gebraucht<lb/>
es nichts weiters, als daß man die&#x017F;e Merkmaale<lb/>
auf&#x017F;uche, und &#x017F;ehe, wie &#x017F;ie mit einander verbunden<lb/>
&#x017F;ind. Die mei&#x017F;ten metaphy&#x017F;i&#x017F;chen und morali&#x017F;chen<lb/>
Begriffe geho&#x0364;ren in die&#x017F;e Kla&#x017F;&#x017F;e. Man muß &#x017F;ich aber<lb/>
vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey<lb/>
hu&#x0364;ten, weil &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;olche Definitionen zu einem leeren<lb/>
Wortkram werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 145.</head><lb/>
            <p>Man thut hiebey auch wohl, wenn man &#x017F;olche<lb/>
Fa&#x0364;lle anfu&#x0364;hren kann, wobey das Wort, oder be&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
&#x017F;agen, der Begriff, den es vor&#x017F;tellt, am wenig&#x017F;ten<lb/>
mit fremden Um&#x017F;ta&#x0364;nden vermengt vorko&#x0364;mmt, aber<lb/>
ganz dabey vorko&#x0364;mmt. Solche Fa&#x0364;lle du&#x0364;rfen eben<lb/>
nicht immer &#x017F;pecial &#x017F;eyn, &#x017F;ondern o&#x0364;fters giebt es ganze<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;en. Z. E. Um &#x017F;ich vorzu&#x017F;tellen, daß das will-<lb/>
ku&#x0364;hrliche in dem Umfange der zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[528/0550] III. Hauptſtuͤck, §. 144. Bey allen ſolchen Begriffen, deren Umfang will- kuͤhrlich iſt, wird es nothwendig, denſelben durch ge- naue Definitionen zu beſtimmen, wozu wir im erſten Hauptſtuͤcke der Dianoiologie ausfuͤhrliche Anweiſung gegeben haben. Da ſie zuſammengeſetzt ſind, ſo muß nicht nur die Moͤglichkeit eines jeden Merkmaals fuͤr ſich, ſondern auch die Moͤglichkeit der Zuſam- menſetzung erwieſen werden, es ſey, daß man durch die Erfahrung zeige, daß ſolche Merkmaale irgend beyſammen ſind; oder daß man es aus Gruͤnden aus- mache. Jm erſten Fall werden ſie zu richtigen und erwieſenen Erfahrungsbegriffen, im andern Fall aber zu eigentlich ſogenannten Lehrbegriffen ge- macht. Wir koͤnnen noch anmerken, daß ſich ſolche Begriffe unter allen am leichteſten definiren laſſen. Denn da ſie aus einer gewiſſen Anzahl von Merkmaa- len beſtehen, die man zuſammennimmt, ſo gebraucht es nichts weiters, als daß man dieſe Merkmaale aufſuche, und ſehe, wie ſie mit einander verbunden ſind. Die meiſten metaphyſiſchen und moraliſchen Begriffe gehoͤren in dieſe Klaſſe. Man muß ſich aber vor dem vorhin (§. 125.) angezeigten Fehler dabey huͤten, weil ſonſt ſolche Definitionen zu einem leeren Wortkram werden. §. 145. Man thut hiebey auch wohl, wenn man ſolche Faͤlle anfuͤhren kann, wobey das Wort, oder beſſer zu ſagen, der Begriff, den es vorſtellt, am wenigſten mit fremden Umſtaͤnden vermengt vorkoͤmmt, aber ganz dabey vorkoͤmmt. Solche Faͤlle duͤrfen eben nicht immer ſpecial ſeyn, ſondern oͤfters giebt es ganze Klaſſen. Z. E. Um ſich vorzuſtellen, daß das will- kuͤhrliche in dem Umfange der zuſammengeſetzten Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/550
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/550>, abgerufen am 21.12.2024.