Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

von zusammengesetzten Begriffen.
Verfahren läßt sich aus mehrern Gründen rechtfer-
tigen. Denn einmal haben wir bereits oben (§ 30.)
angemerkt, daß eben die Wörter, welche unsre ein-
fache Begriffe ausdrücken, am wenigsten vieldeutig
oder in ihrer Bedeutung veränderlich sind. Sollten
sie demnach definirt werden, so würde es durch Wör-
ter geschehen müssen, deren Bedeutung unbestimmter
und veränderlich ist. Damit wäre nun der Richtig-
keit unsrer Erkenntniß wenig geholfen, weil diese ganz
im Gegentheil fordert, daß das unbestimmtere durch
das, so bestimmter ist, vestgesetzt werde.

§. 120.

Sodann würden die Definitionen einfacher Be-
griffe, wenn sie auch an sich gemacht werden können,
weder diese Begriffe kenntlicher machen, noch zur
Bestimmung ihres Umfanges etwas beytragen. Denn
einfache Begriffe sind für sich gedenkbar und haben
auch keine gemeinsame innere Merkmaale, wodurch
sie etwann leicht könnten verwechselt werden. Aus
gleichem Grunde, da sie sich selbst ihr eigenes Merk-
maal sind, so haben sie auch keinen Umfang, der meh-
rere Merkmaale in sich schloß, und dessen Größe oder
Ausdehnung bestimmt werden müßte, wie dieses bey
zusammengesetzten Begriffen nothwendig ist.

§. 121.

Ferner lassen sich einfache Begriffe ohne einen
logischen Zirkel nicht definiren. Denn man müßte
zusammengesetzte Begriffe dazu gebrauchen, von de-
nen man noch nicht bewiesen hätte, ob sie auf eine
gültige Art zusammengesetzt sind, oder ob sie nicht
etwas Widersprechendes haben.

§. 122.

Endlich da man in dem Vortrage der Erkenntniß
das Postulatum annehmen muß, daß man den Wör-

tern
K k 3

von zuſammengeſetzten Begriffen.
Verfahren laͤßt ſich aus mehrern Gruͤnden rechtfer-
tigen. Denn einmal haben wir bereits oben (§ 30.)
angemerkt, daß eben die Woͤrter, welche unſre ein-
fache Begriffe ausdruͤcken, am wenigſten vieldeutig
oder in ihrer Bedeutung veraͤnderlich ſind. Sollten
ſie demnach definirt werden, ſo wuͤrde es durch Woͤr-
ter geſchehen muͤſſen, deren Bedeutung unbeſtimmter
und veraͤnderlich iſt. Damit waͤre nun der Richtig-
keit unſrer Erkenntniß wenig geholfen, weil dieſe ganz
im Gegentheil fordert, daß das unbeſtimmtere durch
das, ſo beſtimmter iſt, veſtgeſetzt werde.

§. 120.

Sodann wuͤrden die Definitionen einfacher Be-
griffe, wenn ſie auch an ſich gemacht werden koͤnnen,
weder dieſe Begriffe kenntlicher machen, noch zur
Beſtimmung ihres Umfanges etwas beytragen. Denn
einfache Begriffe ſind fuͤr ſich gedenkbar und haben
auch keine gemeinſame innere Merkmaale, wodurch
ſie etwann leicht koͤnnten verwechſelt werden. Aus
gleichem Grunde, da ſie ſich ſelbſt ihr eigenes Merk-
maal ſind, ſo haben ſie auch keinen Umfang, der meh-
rere Merkmaale in ſich ſchloß, und deſſen Groͤße oder
Ausdehnung beſtimmt werden muͤßte, wie dieſes bey
zuſammengeſetzten Begriffen nothwendig iſt.

§. 121.

Ferner laſſen ſich einfache Begriffe ohne einen
logiſchen Zirkel nicht definiren. Denn man muͤßte
zuſammengeſetzte Begriffe dazu gebrauchen, von de-
nen man noch nicht bewieſen haͤtte, ob ſie auf eine
guͤltige Art zuſammengeſetzt ſind, oder ob ſie nicht
etwas Widerſprechendes haben.

§. 122.

Endlich da man in dem Vortrage der Erkenntniß
das Poſtulatum annehmen muß, daß man den Woͤr-

tern
K k 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0539" n="517"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Begriffen.</hi></fw><lb/>
Verfahren la&#x0364;ßt &#x017F;ich aus mehrern Gru&#x0364;nden rechtfer-<lb/>
tigen. Denn einmal haben wir bereits oben (§ 30.)<lb/>
angemerkt, daß eben die Wo&#x0364;rter, welche un&#x017F;re ein-<lb/>
fache Begriffe ausdru&#x0364;cken, am wenig&#x017F;ten vieldeutig<lb/>
oder in ihrer Bedeutung vera&#x0364;nderlich &#x017F;ind. Sollten<lb/>
&#x017F;ie demnach definirt werden, &#x017F;o wu&#x0364;rde es durch Wo&#x0364;r-<lb/>
ter ge&#x017F;chehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, deren Bedeutung unbe&#x017F;timmter<lb/>
und vera&#x0364;nderlich i&#x017F;t. Damit wa&#x0364;re nun der Richtig-<lb/>
keit un&#x017F;rer Erkenntniß wenig geholfen, weil die&#x017F;e ganz<lb/>
im Gegentheil fordert, daß das unbe&#x017F;timmtere durch<lb/>
das, &#x017F;o be&#x017F;timmter i&#x017F;t, ve&#x017F;tge&#x017F;etzt werde.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 120.</head><lb/>
            <p>Sodann wu&#x0364;rden die Definitionen einfacher Be-<lb/>
griffe, wenn &#x017F;ie auch an &#x017F;ich gemacht werden ko&#x0364;nnen,<lb/>
weder die&#x017F;e Begriffe kenntlicher machen, noch zur<lb/>
Be&#x017F;timmung ihres Umfanges etwas beytragen. Denn<lb/>
einfache Begriffe &#x017F;ind fu&#x0364;r &#x017F;ich gedenkbar und haben<lb/>
auch keine gemein&#x017F;ame innere Merkmaale, wodurch<lb/>
&#x017F;ie etwann leicht ko&#x0364;nnten verwech&#x017F;elt werden. Aus<lb/>
gleichem Grunde, da &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ihr eigenes Merk-<lb/>
maal &#x017F;ind, &#x017F;o haben &#x017F;ie auch keinen Umfang, der meh-<lb/>
rere Merkmaale in &#x017F;ich &#x017F;chloß, und de&#x017F;&#x017F;en Gro&#x0364;ße oder<lb/>
Ausdehnung be&#x017F;timmt werden mu&#x0364;ßte, wie die&#x017F;es bey<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Begriffen nothwendig i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 121.</head><lb/>
            <p>Ferner la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich einfache Begriffe ohne einen<lb/>
logi&#x017F;chen Zirkel nicht definiren. Denn man mu&#x0364;ßte<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte Begriffe dazu gebrauchen, von de-<lb/>
nen man noch nicht bewie&#x017F;en ha&#x0364;tte, ob &#x017F;ie auf eine<lb/>
gu&#x0364;ltige Art zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt &#x017F;ind, oder ob &#x017F;ie nicht<lb/>
etwas Wider&#x017F;prechendes haben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 122.</head><lb/>
            <p>Endlich da man in dem Vortrage der Erkenntniß<lb/>
das <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulatum</hi> annehmen muß, daß man den Wo&#x0364;r-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k 3</fw><fw place="bottom" type="catch">tern</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[517/0539] von zuſammengeſetzten Begriffen. Verfahren laͤßt ſich aus mehrern Gruͤnden rechtfer- tigen. Denn einmal haben wir bereits oben (§ 30.) angemerkt, daß eben die Woͤrter, welche unſre ein- fache Begriffe ausdruͤcken, am wenigſten vieldeutig oder in ihrer Bedeutung veraͤnderlich ſind. Sollten ſie demnach definirt werden, ſo wuͤrde es durch Woͤr- ter geſchehen muͤſſen, deren Bedeutung unbeſtimmter und veraͤnderlich iſt. Damit waͤre nun der Richtig- keit unſrer Erkenntniß wenig geholfen, weil dieſe ganz im Gegentheil fordert, daß das unbeſtimmtere durch das, ſo beſtimmter iſt, veſtgeſetzt werde. §. 120. Sodann wuͤrden die Definitionen einfacher Be- griffe, wenn ſie auch an ſich gemacht werden koͤnnen, weder dieſe Begriffe kenntlicher machen, noch zur Beſtimmung ihres Umfanges etwas beytragen. Denn einfache Begriffe ſind fuͤr ſich gedenkbar und haben auch keine gemeinſame innere Merkmaale, wodurch ſie etwann leicht koͤnnten verwechſelt werden. Aus gleichem Grunde, da ſie ſich ſelbſt ihr eigenes Merk- maal ſind, ſo haben ſie auch keinen Umfang, der meh- rere Merkmaale in ſich ſchloß, und deſſen Groͤße oder Ausdehnung beſtimmt werden muͤßte, wie dieſes bey zuſammengeſetzten Begriffen nothwendig iſt. §. 121. Ferner laſſen ſich einfache Begriffe ohne einen logiſchen Zirkel nicht definiren. Denn man muͤßte zuſammengeſetzte Begriffe dazu gebrauchen, von de- nen man noch nicht bewieſen haͤtte, ob ſie auf eine guͤltige Art zuſammengeſetzt ſind, oder ob ſie nicht etwas Widerſprechendes haben. §. 122. Endlich da man in dem Vortrage der Erkenntniß das Poſtulatum annehmen muß, daß man den Woͤr- tern K k 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/539
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/539>, abgerufen am 03.12.2024.