Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Hauptst. von den Grundsätzen u. Forder.
senschaft, die weiter nichts gebraucht, und die Lehr-
sätze der Arithmetik auf die Zeit anwendet, dagegen
nachher selbst wiederum auf die Existenz und Bewe-
gung angewandt wird.

§. 81.

Da die Theile der Dauer nicht zugleich sind, (§.
78.) so machen sie eine gewisse Bestimmung aus, die
von jeden Möglichkeiten nur eine Reihe wirklich seyn
läßt. Und es giebt daher Wahrheiten, die an die
Zeit dergestalt gebunden sind, daß etwas weder
früher noch später ist, als es ist.
Auf diese Art
sagen wir: Was erst künftig seyn wird, ist itzt
noch nicht,
ungeachtet es seyn könnte.

§. 82.

Den Begriff der Ausdehnung haben wir un-
mittelbar durchs Gefühl, mittelbar auch durch das
Sehen. Die einfache Ausdehnung ist eine Linie,
die wir sodann nach dreyen Dimensionen, nämlich
nach der Länge, Breite und Dicke legen, und uns
dadurch Flächen und körperliche Räume vorstellen,
und Figuren und Körper bilden. Die Wissenschaft
der Größe der Ausdehnung ist die Geometrie.

§. 83.

Die Grundsätze dabey sind: Daß die Theile
der Ausdehnung zugleich existiren, oder als
existirend gedacht werden, daß sie nach allen
drey Dimensionen in einem fortgehen, daß kein
Theil vom andern sich anders als durch das

vor, nach, oben, unten etc. unterscheide, daß
kein Theil derselben da sey, wo der andre ist,
folglich jeder außer dem andern etc.

§. 84.

Die Postulata aber sind: Daß man in der Aus-
dehnung oder dem Raume, wo man will, ei-

nen

II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder.
ſenſchaft, die weiter nichts gebraucht, und die Lehr-
ſaͤtze der Arithmetik auf die Zeit anwendet, dagegen
nachher ſelbſt wiederum auf die Exiſtenz und Bewe-
gung angewandt wird.

§. 81.

Da die Theile der Dauer nicht zugleich ſind, (§.
78.) ſo machen ſie eine gewiſſe Beſtimmung aus, die
von jeden Moͤglichkeiten nur eine Reihe wirklich ſeyn
laͤßt. Und es giebt daher Wahrheiten, die an die
Zeit dergeſtalt gebunden ſind, daß etwas weder
fruͤher noch ſpaͤter iſt, als es iſt.
Auf dieſe Art
ſagen wir: Was erſt kuͤnftig ſeyn wird, iſt itzt
noch nicht,
ungeachtet es ſeyn koͤnnte.

§. 82.

Den Begriff der Ausdehnung haben wir un-
mittelbar durchs Gefuͤhl, mittelbar auch durch das
Sehen. Die einfache Ausdehnung iſt eine Linie,
die wir ſodann nach dreyen Dimenſionen, naͤmlich
nach der Laͤnge, Breite und Dicke legen, und uns
dadurch Flaͤchen und koͤrperliche Raͤume vorſtellen,
und Figuren und Koͤrper bilden. Die Wiſſenſchaft
der Groͤße der Ausdehnung iſt die Geometrie.

§. 83.

Die Grundſaͤtze dabey ſind: Daß die Theile
der Ausdehnung zugleich exiſtiren, oder als
exiſtirend gedacht werden, daß ſie nach allen
drey Dimenſionen in einem fortgehen, daß kein
Theil vom andern ſich anders als durch das

vor, nach, oben, unten ꝛc. unterſcheide, daß
kein Theil derſelben da ſey, wo der andre iſt,
folglich jeder außer dem andern ꝛc.

§. 84.

Die Poſtulata aber ſind: Daß man in der Aus-
dehnung oder dem Raume, wo man will, ei-

nen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0524" n="502"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Haupt&#x017F;t. von den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen u. Forder.</hi></fw><lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft, die weiter nichts gebraucht, und die Lehr-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze der Arithmetik auf die Zeit anwendet, dagegen<lb/>
nachher &#x017F;elb&#x017F;t wiederum auf die Exi&#x017F;tenz und Bewe-<lb/>
gung angewandt wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 81.</head><lb/>
            <p>Da die Theile der Dauer nicht zugleich &#x017F;ind, (§.<lb/>
78.) &#x017F;o machen &#x017F;ie eine gewi&#x017F;&#x017F;e Be&#x017F;timmung aus, die<lb/>
von jeden Mo&#x0364;glichkeiten nur eine Reihe wirklich &#x017F;eyn<lb/>
la&#x0364;ßt. Und es giebt daher Wahrheiten, die an die<lb/><hi rendition="#fr">Zeit</hi> derge&#x017F;talt gebunden &#x017F;ind, <hi rendition="#fr">daß etwas weder<lb/>
fru&#x0364;her noch &#x017F;pa&#x0364;ter i&#x017F;t, als es i&#x017F;t.</hi> Auf die&#x017F;e Art<lb/>
&#x017F;agen wir: <hi rendition="#fr">Was er&#x017F;t ku&#x0364;nftig &#x017F;eyn wird, i&#x017F;t itzt<lb/>
noch nicht,</hi> ungeachtet es &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 82.</head><lb/>
            <p>Den Begriff der <hi rendition="#fr">Ausdehnung</hi> haben wir un-<lb/>
mittelbar durchs <hi rendition="#fr">Gefu&#x0364;hl,</hi> mittelbar auch durch das<lb/><hi rendition="#fr">Sehen.</hi> Die einfache Ausdehnung i&#x017F;t eine <hi rendition="#fr">Linie,</hi><lb/>
die wir &#x017F;odann nach dreyen Dimen&#x017F;ionen, na&#x0364;mlich<lb/>
nach der <hi rendition="#fr">La&#x0364;nge, Breite</hi> und <hi rendition="#fr">Dicke</hi> legen, und uns<lb/>
dadurch Fla&#x0364;chen und ko&#x0364;rperliche Ra&#x0364;ume vor&#x017F;tellen,<lb/>
und Figuren und Ko&#x0364;rper bilden. Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
der Gro&#x0364;ße der Ausdehnung i&#x017F;t die Geometrie.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 83.</head><lb/>
            <p>Die Grund&#x017F;a&#x0364;tze dabey &#x017F;ind: <hi rendition="#fr">Daß die Theile<lb/>
der Ausdehnung zugleich exi&#x017F;tiren, oder als<lb/>
exi&#x017F;tirend gedacht werden, daß &#x017F;ie nach allen<lb/>
drey Dimen&#x017F;ionen in einem fortgehen, daß kein<lb/>
Theil vom andern &#x017F;ich anders als durch das</hi><lb/>
vor, nach, oben, unten &#xA75B;c. <hi rendition="#fr">unter&#x017F;cheide, daß<lb/>
kein Theil der&#x017F;elben da &#x017F;ey, wo der andre i&#x017F;t,<lb/>
folglich jeder außer dem andern &#xA75B;c.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 84.</head><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulata</hi> aber &#x017F;ind: <hi rendition="#fr">Daß man in der Aus-<lb/>
dehnung oder dem Raume, wo man will, ei-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">nen</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502/0524] II. Hauptſt. von den Grundſaͤtzen u. Forder. ſenſchaft, die weiter nichts gebraucht, und die Lehr- ſaͤtze der Arithmetik auf die Zeit anwendet, dagegen nachher ſelbſt wiederum auf die Exiſtenz und Bewe- gung angewandt wird. §. 81. Da die Theile der Dauer nicht zugleich ſind, (§. 78.) ſo machen ſie eine gewiſſe Beſtimmung aus, die von jeden Moͤglichkeiten nur eine Reihe wirklich ſeyn laͤßt. Und es giebt daher Wahrheiten, die an die Zeit dergeſtalt gebunden ſind, daß etwas weder fruͤher noch ſpaͤter iſt, als es iſt. Auf dieſe Art ſagen wir: Was erſt kuͤnftig ſeyn wird, iſt itzt noch nicht, ungeachtet es ſeyn koͤnnte. §. 82. Den Begriff der Ausdehnung haben wir un- mittelbar durchs Gefuͤhl, mittelbar auch durch das Sehen. Die einfache Ausdehnung iſt eine Linie, die wir ſodann nach dreyen Dimenſionen, naͤmlich nach der Laͤnge, Breite und Dicke legen, und uns dadurch Flaͤchen und koͤrperliche Raͤume vorſtellen, und Figuren und Koͤrper bilden. Die Wiſſenſchaft der Groͤße der Ausdehnung iſt die Geometrie. §. 83. Die Grundſaͤtze dabey ſind: Daß die Theile der Ausdehnung zugleich exiſtiren, oder als exiſtirend gedacht werden, daß ſie nach allen drey Dimenſionen in einem fortgehen, daß kein Theil vom andern ſich anders als durch das vor, nach, oben, unten ꝛc. unterſcheide, daß kein Theil derſelben da ſey, wo der andre iſt, folglich jeder außer dem andern ꝛc. §. 84. Die Poſtulata aber ſind: Daß man in der Aus- dehnung oder dem Raume, wo man will, ei- nen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/524
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/524>, abgerufen am 21.12.2024.