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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück,
durchgehen, die in besondern Fällen vorkommen kann.
Die erste Regel forderte: daß man sich von allen
und besonders von den verschiedensten Fällen
versichere, die unter die Gattung gehören.

Der Maaßstab hiezu ist der gemeine Gebrauch des
Wortes, und wir haben angegeben, daß man sich hie-
bey des Nachfragens und Aufschlagens der Bücher
bedienen müsse, um die Ungewißheit so viel als mög-
lich oder ganz zu heben. Kann dieses nun nicht zu-
reichend geschehen, so bleibt eine Lücke, welche zwar
nicht nothwendig den Begriff fehlerhaft macht, aber
doch machen kann. Es bleibt nämlich ungewiß, ob
die Fälle, die man etwann nicht weis, solche Merk-
maale, die den übrigen allen gemeinsam sind, nicht
haben? Die Folge davon ist, daß der Begriff der
Gattung nicht genug allgemein wird, weil man meh-
rere Merkmaale dazu nimmt, als seyn sollten. Denn
alle die sollten wegbleiben, die in den unbekannten
Fällen, so dennoch unter den Begriff gehören, nicht
vorkommen.

§. 46.

Man kann hierbey versuchen, den Begriff, so
wie man ihn hat, allgemeiner zu machen, und die
Frage kömmt hiebey auf die größte Allgemeinheit
an, die man ihm geben könne, und die er viel-
leicht mit der Zeit durch den gemeinen Ge-
brauch zu reden selbst erhalten würde.
Um
diese Frage genauer zu untersuchen, merken wir an,
daß man den Begriff der Gattung dadurch allgemein
gemacht hat, weil man alle Merkmaale weggelassen,
die nicht in allen vorgenommenen Fällen vorkommen.
Solle er de[m] nach noch allgemeiner werden, so müssen
noch mehrere Merkmaale weggelassen werden. Dieses
kann allerdings geschehen, so lange die übrig bleiben-

den

I. Hauptſtuͤck,
durchgehen, die in beſondern Faͤllen vorkommen kann.
Die erſte Regel forderte: daß man ſich von allen
und beſonders von den verſchiedenſten Faͤllen
verſichere, die unter die Gattung gehoͤren.

Der Maaßſtab hiezu iſt der gemeine Gebrauch des
Wortes, und wir haben angegeben, daß man ſich hie-
bey des Nachfragens und Aufſchlagens der Buͤcher
bedienen muͤſſe, um die Ungewißheit ſo viel als moͤg-
lich oder ganz zu heben. Kann dieſes nun nicht zu-
reichend geſchehen, ſo bleibt eine Luͤcke, welche zwar
nicht nothwendig den Begriff fehlerhaft macht, aber
doch machen kann. Es bleibt naͤmlich ungewiß, ob
die Faͤlle, die man etwann nicht weis, ſolche Merk-
maale, die den uͤbrigen allen gemeinſam ſind, nicht
haben? Die Folge davon iſt, daß der Begriff der
Gattung nicht genug allgemein wird, weil man meh-
rere Merkmaale dazu nimmt, als ſeyn ſollten. Denn
alle die ſollten wegbleiben, die in den unbekannten
Faͤllen, ſo dennoch unter den Begriff gehoͤren, nicht
vorkommen.

§. 46.

Man kann hierbey verſuchen, den Begriff, ſo
wie man ihn hat, allgemeiner zu machen, und die
Frage koͤmmt hiebey auf die groͤßte Allgemeinheit
an, die man ihm geben koͤnne, und die er viel-
leicht mit der Zeit durch den gemeinen Ge-
brauch zu reden ſelbſt erhalten wuͤrde.
Um
dieſe Frage genauer zu unterſuchen, merken wir an,
daß man den Begriff der Gattung dadurch allgemein
gemacht hat, weil man alle Merkmaale weggelaſſen,
die nicht in allen vorgenommenen Faͤllen vorkommen.
Solle er de[m] nach noch allgemeiner werden, ſo muͤſſen
noch mehrere Merkmaale weggelaſſen werden. Dieſes
kann allerdings geſchehen, ſo lange die uͤbrig bleiben-

den
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[28/0050] I. Hauptſtuͤck, durchgehen, die in beſondern Faͤllen vorkommen kann. Die erſte Regel forderte: daß man ſich von allen und beſonders von den verſchiedenſten Faͤllen verſichere, die unter die Gattung gehoͤren. Der Maaßſtab hiezu iſt der gemeine Gebrauch des Wortes, und wir haben angegeben, daß man ſich hie- bey des Nachfragens und Aufſchlagens der Buͤcher bedienen muͤſſe, um die Ungewißheit ſo viel als moͤg- lich oder ganz zu heben. Kann dieſes nun nicht zu- reichend geſchehen, ſo bleibt eine Luͤcke, welche zwar nicht nothwendig den Begriff fehlerhaft macht, aber doch machen kann. Es bleibt naͤmlich ungewiß, ob die Faͤlle, die man etwann nicht weis, ſolche Merk- maale, die den uͤbrigen allen gemeinſam ſind, nicht haben? Die Folge davon iſt, daß der Begriff der Gattung nicht genug allgemein wird, weil man meh- rere Merkmaale dazu nimmt, als ſeyn ſollten. Denn alle die ſollten wegbleiben, die in den unbekannten Faͤllen, ſo dennoch unter den Begriff gehoͤren, nicht vorkommen. §. 46. Man kann hierbey verſuchen, den Begriff, ſo wie man ihn hat, allgemeiner zu machen, und die Frage koͤmmt hiebey auf die groͤßte Allgemeinheit an, die man ihm geben koͤnne, und die er viel- leicht mit der Zeit durch den gemeinen Ge- brauch zu reden ſelbſt erhalten wuͤrde. Um dieſe Frage genauer zu unterſuchen, merken wir an, daß man den Begriff der Gattung dadurch allgemein gemacht hat, weil man alle Merkmaale weggelaſſen, die nicht in allen vorgenommenen Faͤllen vorkommen. Solle er dem nach noch allgemeiner werden, ſo muͤſſen noch mehrere Merkmaale weggelaſſen werden. Dieſes kann allerdings geſchehen, ſo lange die uͤbrig bleiben- den

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/50>, abgerufen am 21.11.2024.