so fern ihre Vorstellung oder ihr Bewußtseyn einen Eindruck auf uns macht, oder in so fern wir sie mit einander vergleichen können. So z. E. stellen wir uns die Stuffen in den Farben vor, wie sich eine in die andre verliert, und wie sie gleichsam aneinander gränzen. (§. 28) Diese Vergleichung fordert wei- ter nichts, als den klaren Begriff jeder Farbe, der zwar bey uns durch die Empfindung veranlaßt und aufgelebt wird, den wir aber nachgehends als für sich betrachten können. Jn Ansehung des Schalles und der Töne können wir ähnliche Vergleichungen anstellen, zumal da hier noch gewisse Harmonien dazu kommen. Jn Ansehung der Wärme giebt uns der Begriff derselben bloße Stuffen etc. Jndessen blei- ben alle diese Verhältnisse noch merklich unbestimmt, wenn keine Ausmessung dazukömmt. Und unter den Empfindungen der äußern Sinnen ist der Schall der einige, der schlechthin durch die Empfindung auf Re- geln gebracht worden, und wobey die Jntervallen der Töne ihren Namen und Zeichen bekommen haben. Denn die mathematische Erkenntniß der Tonkunst ist aus tiefern Gründen und mit Zuziehung besondrer Erfahrungen gefunden worden, nachdem man längst schon die Töne wußte und benennt hatte.
§. 35.
Der Eindruck der Harmonie und Dissonanz bey den Tönen, das angenehme und widrige in den Far- ben, das schmerzhafte in den meisten stärkern Em- pfindungen, z. E. des zu starken Lichtes, der zu großen Hitze, eines zu starken Druckes etc. sind ebenfalls solche Empfindungen, wodurch wir Grade und Ver- hältnisse einfacher Begriffe uns vorstellen, die aber ebenfalls etwas viel zu speciales haben, als daß wir sie weit ausdehnen könnten.
§. 36.
I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
ſo fern ihre Vorſtellung oder ihr Bewußtſeyn einen Eindruck auf uns macht, oder in ſo fern wir ſie mit einander vergleichen koͤnnen. So z. E. ſtellen wir uns die Stuffen in den Farben vor, wie ſich eine in die andre verliert, und wie ſie gleichſam aneinander graͤnzen. (§. 28) Dieſe Vergleichung fordert wei- ter nichts, als den klaren Begriff jeder Farbe, der zwar bey uns durch die Empfindung veranlaßt und aufgelebt wird, den wir aber nachgehends als fuͤr ſich betrachten koͤnnen. Jn Anſehung des Schalles und der Toͤne koͤnnen wir aͤhnliche Vergleichungen anſtellen, zumal da hier noch gewiſſe Harmonien dazu kommen. Jn Anſehung der Waͤrme giebt uns der Begriff derſelben bloße Stuffen ꝛc. Jndeſſen blei- ben alle dieſe Verhaͤltniſſe noch merklich unbeſtimmt, wenn keine Ausmeſſung dazukoͤmmt. Und unter den Empfindungen der aͤußern Sinnen iſt der Schall der einige, der ſchlechthin durch die Empfindung auf Re- geln gebracht worden, und wobey die Jntervallen der Toͤne ihren Namen und Zeichen bekommen haben. Denn die mathematiſche Erkenntniß der Tonkunſt iſt aus tiefern Gruͤnden und mit Zuziehung beſondrer Erfahrungen gefunden worden, nachdem man laͤngſt ſchon die Toͤne wußte und benennt hatte.
§. 35.
Der Eindruck der Harmonie und Diſſonanz bey den Toͤnen, das angenehme und widrige in den Far- ben, das ſchmerzhafte in den meiſten ſtaͤrkern Em- pfindungen, z. E. des zu ſtarken Lichtes, der zu großen Hitze, eines zu ſtarken Druckes ꝛc. ſind ebenfalls ſolche Empfindungen, wodurch wir Grade und Ver- haͤltniſſe einfacher Begriffe uns vorſtellen, die aber ebenfalls etwas viel zu ſpeciales haben, als daß wir ſie weit ausdehnen koͤnnten.
§. 36.
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I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
ſo fern ihre Vorſtellung oder ihr Bewußtſeyn einen
Eindruck auf uns macht, oder in ſo fern wir ſie mit
einander vergleichen koͤnnen. So z. E. ſtellen wir
uns die Stuffen in den Farben vor, wie ſich eine in
die andre verliert, und wie ſie gleichſam aneinander
graͤnzen. (§. 28) Dieſe Vergleichung fordert wei-
ter nichts, als den klaren Begriff jeder Farbe, der
zwar bey uns durch die Empfindung veranlaßt und
aufgelebt wird, den wir aber nachgehends als fuͤr
ſich betrachten koͤnnen. Jn Anſehung des Schalles
und der Toͤne koͤnnen wir aͤhnliche Vergleichungen
anſtellen, zumal da hier noch gewiſſe Harmonien dazu
kommen. Jn Anſehung der Waͤrme giebt uns der
Begriff derſelben bloße Stuffen ꝛc. Jndeſſen blei-
ben alle dieſe Verhaͤltniſſe noch merklich unbeſtimmt,
wenn keine Ausmeſſung dazukoͤmmt. Und unter den
Empfindungen der aͤußern Sinnen iſt der Schall der
einige, der ſchlechthin durch die Empfindung auf Re-
geln gebracht worden, und wobey die Jntervallen der
Toͤne ihren Namen und Zeichen bekommen haben.
Denn die mathematiſche Erkenntniß der Tonkunſt iſt
aus tiefern Gruͤnden und mit Zuziehung beſondrer
Erfahrungen gefunden worden, nachdem man laͤngſt
ſchon die Toͤne wußte und benennt hatte.
§. 35.
Der Eindruck der Harmonie und Diſſonanz bey
den Toͤnen, das angenehme und widrige in den Far-
ben, das ſchmerzhafte in den meiſten ſtaͤrkern Em-
pfindungen, z. E. des zu ſtarken Lichtes, der zu großen
Hitze, eines zu ſtarken Druckes ꝛc. ſind ebenfalls
ſolche Empfindungen, wodurch wir Grade und Ver-
haͤltniſſe einfacher Begriffe uns vorſtellen, die aber
ebenfalls etwas viel zu ſpeciales haben, als daß wir
ſie weit ausdehnen koͤnnten.
§. 36.
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/498>, abgerufen am 23.02.2025.
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