war. Und dieses war derjenige, daß eine Linie von jedem Punkt zu jedem andern gezogen und ver- längert werden könne, und daß man um jeden Punkt einen Zirkel von jeder Größe beschreiben, oder wenig- stens als gezogen sich vorstellen könne. Giebt man Eucliden diese beyde Postulata zu, so widerlegt er jeden, der ihm die allgemeine Möglichkeit eines gleich- seitigen Triangels in Zweifel ziehen wollte, dadurch, daß er zeigt, wie man denselben machen könne. Da- durch erhält er die Möglichkeit, jede Linie von ge- gebener Länge dahin zu setzen, wo man sie gebraucht, und dadurch die allgemeinen Symptomata der Trian- gel und ihrer Möglichkeit zu bestimmen. Auf eine ähnliche Art fängt man in der Phoronomie bey der einförmigen und geradlinichten Bewegung an, um ihre Symptomata zu finden, und so dann geht man zu denen Fällen, wo die Geschwindigkeit einförmig zunimmt, um auch hiebey Zeit und Raum mit ein- ander zu vergleichen etc.
§. 693.
Jn der Vernunftlehre nimmt man ebenfalls an- fangs nur einzelne Begriffe und Merkmaale vor, um sie theils an sich zu betrachten, theils mit einander zu vergleichen, und nach diesen wendet man sich zu der Betrachtung der Sätze, um ihre Arten zu finden, und sodann auszumachen, wiefern sie als Vordersätze in Schlußreden zusammengenommen werden können, und wie selbst die Schlüße sich zusammensetzen, und mit einander verbinden lassen.
§. 694.
Man wird aus diesen Beyspielen leicht den Schluß machen, daß man bey dem einfachern, und bey dem,
was
von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
war. Und dieſes war derjenige, daß eine Linie von jedem Punkt zu jedem andern gezogen und ver- laͤngert werden koͤnne, und daß man um jeden Punkt einen Zirkel von jeder Groͤße beſchreiben, oder wenig- ſtens als gezogen ſich vorſtellen koͤnne. Giebt man Eucliden dieſe beyde Poſtulata zu, ſo widerlegt er jeden, der ihm die allgemeine Moͤglichkeit eines gleich- ſeitigen Triangels in Zweifel ziehen wollte, dadurch, daß er zeigt, wie man denſelben machen koͤnne. Da- durch erhaͤlt er die Moͤglichkeit, jede Linie von ge- gebener Laͤnge dahin zu ſetzen, wo man ſie gebraucht, und dadurch die allgemeinen Symptomata der Trian- gel und ihrer Moͤglichkeit zu beſtimmen. Auf eine aͤhnliche Art faͤngt man in der Phoronomie bey der einfoͤrmigen und geradlinichten Bewegung an, um ihre Symptomata zu finden, und ſo dann geht man zu denen Faͤllen, wo die Geſchwindigkeit einfoͤrmig zunimmt, um auch hiebey Zeit und Raum mit ein- ander zu vergleichen ꝛc.
§. 693.
Jn der Vernunftlehre nimmt man ebenfalls an- fangs nur einzelne Begriffe und Merkmaale vor, um ſie theils an ſich zu betrachten, theils mit einander zu vergleichen, und nach dieſen wendet man ſich zu der Betrachtung der Saͤtze, um ihre Arten zu finden, und ſodann auszumachen, wiefern ſie als Vorderſaͤtze in Schlußreden zuſammengenommen werden koͤnnen, und wie ſelbſt die Schluͤße ſich zuſammenſetzen, und mit einander verbinden laſſen.
§. 694.
Man wird aus dieſen Beyſpielen leicht den Schluß machen, daß man bey dem einfachern, und bey dem,
was
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[443/0465]
von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
war. Und dieſes war derjenige, daß eine Linie
von jedem Punkt zu jedem andern gezogen und ver-
laͤngert werden koͤnne, und daß man um jeden Punkt
einen Zirkel von jeder Groͤße beſchreiben, oder wenig-
ſtens als gezogen ſich vorſtellen koͤnne. Giebt man
Eucliden dieſe beyde Poſtulata zu, ſo widerlegt er
jeden, der ihm die allgemeine Moͤglichkeit eines gleich-
ſeitigen Triangels in Zweifel ziehen wollte, dadurch,
daß er zeigt, wie man denſelben machen koͤnne. Da-
durch erhaͤlt er die Moͤglichkeit, jede Linie von ge-
gebener Laͤnge dahin zu ſetzen, wo man ſie gebraucht,
und dadurch die allgemeinen Symptomata der Trian-
gel und ihrer Moͤglichkeit zu beſtimmen. Auf eine
aͤhnliche Art faͤngt man in der Phoronomie bey der
einfoͤrmigen und geradlinichten Bewegung an, um
ihre Symptomata zu finden, und ſo dann geht man
zu denen Faͤllen, wo die Geſchwindigkeit einfoͤrmig
zunimmt, um auch hiebey Zeit und Raum mit ein-
ander zu vergleichen ꝛc.
§. 693.
Jn der Vernunftlehre nimmt man ebenfalls an-
fangs nur einzelne Begriffe und Merkmaale vor, um
ſie theils an ſich zu betrachten, theils mit einander zu
vergleichen, und nach dieſen wendet man ſich zu der
Betrachtung der Saͤtze, um ihre Arten zu finden, und
ſodann auszumachen, wiefern ſie als Vorderſaͤtze in
Schlußreden zuſammengenommen werden koͤnnen, und
wie ſelbſt die Schluͤße ſich zuſammenſetzen, und mit
einander verbinden laſſen.
§. 694.
Man wird aus dieſen Beyſpielen leicht den Schluß
machen, daß man bey dem einfachern, und bey dem,
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/465>, abgerufen am 23.02.2025.
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