Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Hauptstück,
deswegen nicht weiter auflösen lassen, weil sie einfach
sind, so macht das erstere die Anzahl der Definitio-
nen an sich geringer, wenn man nicht endlich im Zirkel
herum kommen will, und das andre giebt gewisser
Maaßen an, wo man aufhören soll zu definiren.
Hierüber ist aber verschiednes anzumerken. Denn
erstlich ist leicht zu begreifen, daß hier zwo Bedin-
gungen vorausgesetzt werden, davon zu wünschen
wäre, daß sie durchaus und offenbar statt hätten.
Nämlich die einfachen Begriffe sollten uns sämmtlich
bekannt seyn, und jeder von allen Menschen mit
einerley Namen benennt werden. Ersteres würde
die Definition des Begriffes, und letzteres die Anzeige,
was man durch jeden dieser Namen versteht, ent-
behrlich machen, und beydes würde bey der Zusam-
mensetzung der Lehrbegriffe gute Dienste thun. So
weit aber sind wir noch nicht in allen Wissenschaften
gekommen, und bis dermalen ist nur noch z. E. die
Arithmetik, Geometrie, Phoronomie und Vernunft-
lehre der Aenderung der Zeit und des Orts, und der
Sprache wenig oder gar nicht unterworfen, und von
den einzeln Fehltritten, die etwann einer oder der
andre darinne aus Uebersehen macht, unabhängig.
Jn diesen Wissenschaften definiren sich die
einfachern Begriffe dadurch, daß man die
Sache selbst vorlegt, und da jeder sie auf
diese Art kennen lehrt, so bleibt es nicht so
möglich, eines für das andre zu nehmen, als
in Dingen, wo man viel muß auf das Hören-
sagen ankommen lassen, und wo die Begriffe
mit Nebenumständen verflochten sind.

§. 687.

Kann man aber das, was ein einfacher Begriff
vorstellt, nicht anders als in Dingen vorlegen, oder

durch

IX. Hauptſtuͤck,
deswegen nicht weiter aufloͤſen laſſen, weil ſie einfach
ſind, ſo macht das erſtere die Anzahl der Definitio-
nen an ſich geringer, wenn man nicht endlich im Zirkel
herum kommen will, und das andre giebt gewiſſer
Maaßen an, wo man aufhoͤren ſoll zu definiren.
Hieruͤber iſt aber verſchiednes anzumerken. Denn
erſtlich iſt leicht zu begreifen, daß hier zwo Bedin-
gungen vorausgeſetzt werden, davon zu wuͤnſchen
waͤre, daß ſie durchaus und offenbar ſtatt haͤtten.
Naͤmlich die einfachen Begriffe ſollten uns ſaͤmmtlich
bekannt ſeyn, und jeder von allen Menſchen mit
einerley Namen benennt werden. Erſteres wuͤrde
die Definition des Begriffes, und letzteres die Anzeige,
was man durch jeden dieſer Namen verſteht, ent-
behrlich machen, und beydes wuͤrde bey der Zuſam-
menſetzung der Lehrbegriffe gute Dienſte thun. So
weit aber ſind wir noch nicht in allen Wiſſenſchaften
gekommen, und bis dermalen iſt nur noch z. E. die
Arithmetik, Geometrie, Phoronomie und Vernunft-
lehre der Aenderung der Zeit und des Orts, und der
Sprache wenig oder gar nicht unterworfen, und von
den einzeln Fehltritten, die etwann einer oder der
andre darinne aus Ueberſehen macht, unabhaͤngig.
Jn dieſen Wiſſenſchaften definiren ſich die
einfachern Begriffe dadurch, daß man die
Sache ſelbſt vorlegt, und da jeder ſie auf
dieſe Art kennen lehrt, ſo bleibt es nicht ſo
moͤglich, eines fuͤr das andre zu nehmen, als
in Dingen, wo man viel muß auf das Hoͤren-
ſagen ankommen laſſen, und wo die Begriffe
mit Nebenumſtaͤnden verflochten ſind.

§. 687.

Kann man aber das, was ein einfacher Begriff
vorſtellt, nicht anders als in Dingen vorlegen, oder

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0460" n="438"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
deswegen nicht weiter auflo&#x0364;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en, weil &#x017F;ie einfach<lb/>
&#x017F;ind, &#x017F;o macht das er&#x017F;tere die Anzahl der Definitio-<lb/>
nen an &#x017F;ich geringer, wenn man nicht endlich im Zirkel<lb/>
herum kommen will, und das andre giebt gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Maaßen an, wo man aufho&#x0364;ren &#x017F;oll zu definiren.<lb/>
Hieru&#x0364;ber i&#x017F;t aber ver&#x017F;chiednes anzumerken. Denn<lb/>
er&#x017F;tlich i&#x017F;t leicht zu begreifen, daß hier zwo Bedin-<lb/>
gungen vorausge&#x017F;etzt werden, davon zu wu&#x0364;n&#x017F;chen<lb/>
wa&#x0364;re, daß &#x017F;ie durchaus und offenbar &#x017F;tatt ha&#x0364;tten.<lb/>
Na&#x0364;mlich die einfachen Begriffe &#x017F;ollten uns &#x017F;a&#x0364;mmtlich<lb/>
bekannt &#x017F;eyn, und jeder von allen Men&#x017F;chen mit<lb/>
einerley Namen benennt werden. Er&#x017F;teres wu&#x0364;rde<lb/>
die Definition des Begriffes, und letzteres die Anzeige,<lb/>
was man durch jeden die&#x017F;er Namen ver&#x017F;teht, ent-<lb/>
behrlich machen, und beydes wu&#x0364;rde bey der Zu&#x017F;am-<lb/>
men&#x017F;etzung der Lehrbegriffe gute Dien&#x017F;te thun. So<lb/>
weit aber &#x017F;ind wir noch nicht in allen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften<lb/>
gekommen, und bis dermalen i&#x017F;t nur noch z. E. die<lb/>
Arithmetik, Geometrie, Phoronomie und Vernunft-<lb/>
lehre der Aenderung der Zeit und des Orts, und der<lb/>
Sprache wenig oder gar nicht unterworfen, und von<lb/>
den einzeln Fehltritten, die etwann einer oder der<lb/>
andre darinne aus Ueber&#x017F;ehen macht, unabha&#x0364;ngig.<lb/><hi rendition="#fr">Jn die&#x017F;en Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften definiren &#x017F;ich die<lb/>
einfachern Begriffe dadurch, daß man die<lb/>
Sache &#x017F;elb&#x017F;t vorlegt, und da jeder &#x017F;ie auf<lb/>
die&#x017F;e Art kennen lehrt, &#x017F;o bleibt es nicht &#x017F;o<lb/>
mo&#x0364;glich, eines fu&#x0364;r das andre zu nehmen, als<lb/>
in Dingen, wo man viel muß auf das Ho&#x0364;ren-<lb/>
&#x017F;agen ankommen la&#x017F;&#x017F;en, und wo die Begriffe<lb/>
mit Nebenum&#x017F;ta&#x0364;nden verflochten &#x017F;ind.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 687.</head><lb/>
            <p>Kann man aber das, was ein einfacher Begriff<lb/>
vor&#x017F;tellt, nicht anders als in Dingen vorlegen, oder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0460] IX. Hauptſtuͤck, deswegen nicht weiter aufloͤſen laſſen, weil ſie einfach ſind, ſo macht das erſtere die Anzahl der Definitio- nen an ſich geringer, wenn man nicht endlich im Zirkel herum kommen will, und das andre giebt gewiſſer Maaßen an, wo man aufhoͤren ſoll zu definiren. Hieruͤber iſt aber verſchiednes anzumerken. Denn erſtlich iſt leicht zu begreifen, daß hier zwo Bedin- gungen vorausgeſetzt werden, davon zu wuͤnſchen waͤre, daß ſie durchaus und offenbar ſtatt haͤtten. Naͤmlich die einfachen Begriffe ſollten uns ſaͤmmtlich bekannt ſeyn, und jeder von allen Menſchen mit einerley Namen benennt werden. Erſteres wuͤrde die Definition des Begriffes, und letzteres die Anzeige, was man durch jeden dieſer Namen verſteht, ent- behrlich machen, und beydes wuͤrde bey der Zuſam- menſetzung der Lehrbegriffe gute Dienſte thun. So weit aber ſind wir noch nicht in allen Wiſſenſchaften gekommen, und bis dermalen iſt nur noch z. E. die Arithmetik, Geometrie, Phoronomie und Vernunft- lehre der Aenderung der Zeit und des Orts, und der Sprache wenig oder gar nicht unterworfen, und von den einzeln Fehltritten, die etwann einer oder der andre darinne aus Ueberſehen macht, unabhaͤngig. Jn dieſen Wiſſenſchaften definiren ſich die einfachern Begriffe dadurch, daß man die Sache ſelbſt vorlegt, und da jeder ſie auf dieſe Art kennen lehrt, ſo bleibt es nicht ſo moͤglich, eines fuͤr das andre zu nehmen, als in Dingen, wo man viel muß auf das Hoͤren- ſagen ankommen laſſen, und wo die Begriffe mit Nebenumſtaͤnden verflochten ſind. §. 687. Kann man aber das, was ein einfacher Begriff vorſtellt, nicht anders als in Dingen vorlegen, oder durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/460
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/460>, abgerufen am 30.12.2024.