mehrentheils darinn fehlen, daß sie mehr enthält oder enger ist, als das Definitum. Z. E. Ein Triangel ist eine dreyseitige Figur. Wollte man nun umge- kehrt sagen: eine Figur sey ein undreyseitiger Trian- gel, so würde man kaum verstehen, was man damit sagen will.
§. 684.
Man verfällt leicht in einen Zirkel, wenn man Begriffe, die an sich einfach sind, definiren will, weil man solche Begriffe natürlicher Weise gebraucht, um zusammengesetzter zu definiren. Z. E. Der Raum ist die Ordnung der Dinge, die zugleich eristiren, und außereinander sind. Hier schließt der Begriff außer- einander den Begriff des Raums bereits in sich, und würde sich ohne Zirkel nicht wohl definiren lassen.
§. 685.
Diejenigen Zirkel, so durch Verhältnißbegriffe entstehen, haben auf die Wahrheit der Erklärung keinen nothwendigen Einfluß. Sie geben Sätze, die identisch sind, aber nicht beyde zugleich als Defi- nitionen angesehen werden können. Man muß dem- nach untersuchen, welcher von beyden als Definition beybehalten werden kann, und so wird sich der andre als eine Folge daraus herleiten lassen. So z. E. wenn man sagt: eine Stunde sey der vier und zwan- zigste Theil eines Tages; so kann man allerdings schließen, ein Tag müsse folglich 24 Stunden haben, oder er werde in 24 Stunden eingetheilt. Hingegen wenn man definiren will, was ein Tag sey, so muß es durch die Zeit geschehen, innert welcher die Sonne einmal um den Himmel herum kömmt.
§. 686.
Da die Sprache nur eine gewisse Anzahl von Wörtern hat, und die einfachen Begriffe sich eben
des-
E e 3
von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
mehrentheils darinn fehlen, daß ſie mehr enthaͤlt oder enger iſt, als das Definitum. Z. E. Ein Triangel iſt eine dreyſeitige Figur. Wollte man nun umge- kehrt ſagen: eine Figur ſey ein undreyſeitiger Trian- gel, ſo wuͤrde man kaum verſtehen, was man damit ſagen will.
§. 684.
Man verfaͤllt leicht in einen Zirkel, wenn man Begriffe, die an ſich einfach ſind, definiren will, weil man ſolche Begriffe natuͤrlicher Weiſe gebraucht, um zuſammengeſetzter zu definiren. Z. E. Der Raum iſt die Ordnung der Dinge, die zugleich eriſtiren, und außereinander ſind. Hier ſchließt der Begriff außer- einander den Begriff des Raums bereits in ſich, und wuͤrde ſich ohne Zirkel nicht wohl definiren laſſen.
§. 685.
Diejenigen Zirkel, ſo durch Verhaͤltnißbegriffe entſtehen, haben auf die Wahrheit der Erklaͤrung keinen nothwendigen Einfluß. Sie geben Saͤtze, die identiſch ſind, aber nicht beyde zugleich als Defi- nitionen angeſehen werden koͤnnen. Man muß dem- nach unterſuchen, welcher von beyden als Definition beybehalten werden kann, und ſo wird ſich der andre als eine Folge daraus herleiten laſſen. So z. E. wenn man ſagt: eine Stunde ſey der vier und zwan- zigſte Theil eines Tages; ſo kann man allerdings ſchließen, ein Tag muͤſſe folglich 24 Stunden haben, oder er werde in 24 Stunden eingetheilt. Hingegen wenn man definiren will, was ein Tag ſey, ſo muß es durch die Zeit geſchehen, innert welcher die Sonne einmal um den Himmel herum koͤmmt.
§. 686.
Da die Sprache nur eine gewiſſe Anzahl von Woͤrtern hat, und die einfachen Begriffe ſich eben
des-
E e 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0459"n="437"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.</hi></fw><lb/>
mehrentheils darinn fehlen, daß ſie mehr enthaͤlt oder<lb/>
enger iſt, als das <hirendition="#aq">Definitum.</hi> Z. E. Ein Triangel<lb/>
iſt eine dreyſeitige Figur. Wollte man nun umge-<lb/>
kehrt ſagen: eine Figur ſey ein undreyſeitiger Trian-<lb/>
gel, ſo wuͤrde man kaum verſtehen, was man damit<lb/>ſagen will.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 684.</head><lb/><p>Man verfaͤllt leicht in einen Zirkel, wenn man<lb/>
Begriffe, die an ſich einfach ſind, definiren will, weil<lb/>
man ſolche Begriffe natuͤrlicher Weiſe gebraucht, um<lb/>
zuſammengeſetzter zu definiren. Z. E. Der Raum<lb/>
iſt die Ordnung der Dinge, die zugleich eriſtiren, und<lb/>
außereinander ſind. Hier ſchließt der Begriff <hirendition="#fr">außer-<lb/>
einander</hi> den Begriff des Raums bereits in ſich, und<lb/>
wuͤrde ſich ohne Zirkel nicht wohl definiren laſſen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 685.</head><lb/><p>Diejenigen Zirkel, ſo durch Verhaͤltnißbegriffe<lb/>
entſtehen, haben auf die Wahrheit der Erklaͤrung<lb/>
keinen nothwendigen Einfluß. Sie geben Saͤtze,<lb/>
die identiſch ſind, aber nicht beyde zugleich als Defi-<lb/>
nitionen angeſehen werden koͤnnen. Man muß dem-<lb/>
nach unterſuchen, welcher von beyden als Definition<lb/>
beybehalten werden kann, und ſo wird ſich der andre<lb/>
als eine Folge daraus herleiten laſſen. So z. E.<lb/>
wenn man ſagt: eine Stunde ſey der vier und zwan-<lb/>
zigſte Theil eines Tages; ſo kann man allerdings<lb/>ſchließen, ein Tag muͤſſe folglich 24 Stunden haben,<lb/>
oder er werde in 24 Stunden eingetheilt. Hingegen<lb/>
wenn man definiren will, was ein Tag ſey, ſo muß es<lb/>
durch die Zeit geſchehen, innert welcher die Sonne<lb/>
einmal um den Himmel herum koͤmmt.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 686.</head><lb/><p>Da die Sprache nur eine gewiſſe Anzahl von<lb/>
Woͤrtern hat, und die einfachen Begriffe ſich eben<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E e 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">des-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[437/0459]
von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
mehrentheils darinn fehlen, daß ſie mehr enthaͤlt oder
enger iſt, als das Definitum. Z. E. Ein Triangel
iſt eine dreyſeitige Figur. Wollte man nun umge-
kehrt ſagen: eine Figur ſey ein undreyſeitiger Trian-
gel, ſo wuͤrde man kaum verſtehen, was man damit
ſagen will.
§. 684.
Man verfaͤllt leicht in einen Zirkel, wenn man
Begriffe, die an ſich einfach ſind, definiren will, weil
man ſolche Begriffe natuͤrlicher Weiſe gebraucht, um
zuſammengeſetzter zu definiren. Z. E. Der Raum
iſt die Ordnung der Dinge, die zugleich eriſtiren, und
außereinander ſind. Hier ſchließt der Begriff außer-
einander den Begriff des Raums bereits in ſich, und
wuͤrde ſich ohne Zirkel nicht wohl definiren laſſen.
§. 685.
Diejenigen Zirkel, ſo durch Verhaͤltnißbegriffe
entſtehen, haben auf die Wahrheit der Erklaͤrung
keinen nothwendigen Einfluß. Sie geben Saͤtze,
die identiſch ſind, aber nicht beyde zugleich als Defi-
nitionen angeſehen werden koͤnnen. Man muß dem-
nach unterſuchen, welcher von beyden als Definition
beybehalten werden kann, und ſo wird ſich der andre
als eine Folge daraus herleiten laſſen. So z. E.
wenn man ſagt: eine Stunde ſey der vier und zwan-
zigſte Theil eines Tages; ſo kann man allerdings
ſchließen, ein Tag muͤſſe folglich 24 Stunden haben,
oder er werde in 24 Stunden eingetheilt. Hingegen
wenn man definiren will, was ein Tag ſey, ſo muß es
durch die Zeit geſchehen, innert welcher die Sonne
einmal um den Himmel herum koͤmmt.
§. 686.
Da die Sprache nur eine gewiſſe Anzahl von
Woͤrtern hat, und die einfachen Begriffe ſich eben
des-
E e 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/459>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.