dieser Empfindung, die Aufmerksamkeit auf die Theile, die sich in der Sache empfinden lassen, das Bewußt- seyn des Unterschieds in der Empfindung dieser Theile etc. alles dieses trägt dazu bey, den Erfahrungsbegriff klarer, deutlicher, und vollständiger, und das Bild der empfundenen Sache und ihrer Theile netter zu machen. Wenn man eine Sache das erstemal sieht, und Zeit dazu nimmt oder hat, sie recht zu betrach- ten, so sind die Eindrücke lebhafter, und man kann leichter darauf Acht haben, und was man thut, um sich bey solcher Gelegenheit einen Begriff von der Sa- che zu machen, wie der Begriff durch die Empfin- dung entstehe, und was wir thun, um zu sehen, ob einige Lücken darinn zurück bleiben. Diese Sorg- falt haben wir bey den Dingen nicht, die uns täglich vor Augen sind. Sie wäre aber in vielen Fällen nützlich, (§. 564. seqq,) und die Mängel der gemeinen Erkenntniß (§. 617.) würden dadurch bey uns ver- mindert. (§. 549.)
§. 647.
Unmittelbare Erfahrungsbegriffe sind individual, sowohl in Absicht auf die Sache, die wir empfinden, als in Absicht auf das Bewußtseyn jeder einzelnen Eindrücke, die die Sache in den Sinnen macht. Un- geachtet wir uns nun dieses Jndividuale nicht ausführ- lich mit Worten ausdrücken können, zumal wo die Sache gar zu sehr zusammengesetzt; so bleibt immer in dem Bilde davon so viel zurück, daß wir meh- rentheils die Sache selbst wieder erkennen, wenn sie nochmals vorkommt, und zwar desto leichter, je öf- ter und je genauer wir sie emfunden haben, und daß wir sie mit solchen, die mehr oder minder ähnliche Empfindungen in uns erwecken, vergleichen können. Dieses macht, daß wir in vielen Stücken mit der ge-
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Lamb. Org. I. Band. D d
von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
dieſer Empfindung, die Aufmerkſamkeit auf die Theile, die ſich in der Sache empfinden laſſen, das Bewußt- ſeyn des Unterſchieds in der Empfindung dieſer Theile ꝛc. alles dieſes traͤgt dazu bey, den Erfahrungsbegriff klarer, deutlicher, und vollſtaͤndiger, und das Bild der empfundenen Sache und ihrer Theile netter zu machen. Wenn man eine Sache das erſtemal ſieht, und Zeit dazu nimmt oder hat, ſie recht zu betrach- ten, ſo ſind die Eindruͤcke lebhafter, und man kann leichter darauf Acht haben, und was man thut, um ſich bey ſolcher Gelegenheit einen Begriff von der Sa- che zu machen, wie der Begriff durch die Empfin- dung entſtehe, und was wir thun, um zu ſehen, ob einige Luͤcken darinn zuruͤck bleiben. Dieſe Sorg- falt haben wir bey den Dingen nicht, die uns taͤglich vor Augen ſind. Sie waͤre aber in vielen Faͤllen nuͤtzlich, (§. 564. ſeqq,) und die Maͤngel der gemeinen Erkenntniß (§. 617.) wuͤrden dadurch bey uns ver- mindert. (§. 549.)
§. 647.
Unmittelbare Erfahrungsbegriffe ſind individual, ſowohl in Abſicht auf die Sache, die wir empfinden, als in Abſicht auf das Bewußtſeyn jeder einzelnen Eindruͤcke, die die Sache in den Sinnen macht. Un- geachtet wir uns nun dieſes Jndividuale nicht ausfuͤhr- lich mit Worten ausdruͤcken koͤnnen, zumal wo die Sache gar zu ſehr zuſammengeſetzt; ſo bleibt immer in dem Bilde davon ſo viel zuruͤck, daß wir meh- rentheils die Sache ſelbſt wieder erkennen, wenn ſie nochmals vorkommt, und zwar deſto leichter, je oͤf- ter und je genauer wir ſie emfunden haben, und daß wir ſie mit ſolchen, die mehr oder minder aͤhnliche Empfindungen in uns erwecken, vergleichen koͤnnen. Dieſes macht, daß wir in vielen Stuͤcken mit der ge-
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von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
dieſer Empfindung, die Aufmerkſamkeit auf die Theile,
die ſich in der Sache empfinden laſſen, das Bewußt-
ſeyn des Unterſchieds in der Empfindung dieſer Theile
ꝛc. alles dieſes traͤgt dazu bey, den Erfahrungsbegriff
klarer, deutlicher, und vollſtaͤndiger, und das Bild
der empfundenen Sache und ihrer Theile netter zu
machen. Wenn man eine Sache das erſtemal ſieht,
und Zeit dazu nimmt oder hat, ſie recht zu betrach-
ten, ſo ſind die Eindruͤcke lebhafter, und man kann
leichter darauf Acht haben, und was man thut, um
ſich bey ſolcher Gelegenheit einen Begriff von der Sa-
che zu machen, wie der Begriff durch die Empfin-
dung entſtehe, und was wir thun, um zu ſehen, ob
einige Luͤcken darinn zuruͤck bleiben. Dieſe Sorg-
falt haben wir bey den Dingen nicht, die uns taͤglich
vor Augen ſind. Sie waͤre aber in vielen Faͤllen
nuͤtzlich, (§. 564. ſeqq,) und die Maͤngel der gemeinen
Erkenntniß (§. 617.) wuͤrden dadurch bey uns ver-
mindert. (§. 549.)
§. 647.
Unmittelbare Erfahrungsbegriffe ſind individual,
ſowohl in Abſicht auf die Sache, die wir empfinden,
als in Abſicht auf das Bewußtſeyn jeder einzelnen
Eindruͤcke, die die Sache in den Sinnen macht. Un-
geachtet wir uns nun dieſes Jndividuale nicht ausfuͤhr-
lich mit Worten ausdruͤcken koͤnnen, zumal wo die
Sache gar zu ſehr zuſammengeſetzt; ſo bleibt immer
in dem Bilde davon ſo viel zuruͤck, daß wir meh-
rentheils die Sache ſelbſt wieder erkennen, wenn ſie
nochmals vorkommt, und zwar deſto leichter, je oͤf-
ter und je genauer wir ſie emfunden haben, und daß
wir ſie mit ſolchen, die mehr oder minder aͤhnliche
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/439>, abgerufen am 23.02.2025.
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