Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.IX. Hauptstück, und diese sind noch immer in der Meßkunst am feinstenund richtigsten, geben der Seele die Grundlage zur Empfindung dieser Harinonie. Die Ver- nunftlehre entwickelt und benennt ihre Cheile, und je netter man sich diese vorstellen lernt, desto fertiger wird man auch in der hier ange- zeigten Uebung. Was nach der oben (§. 379.) ange- zeigten Methode nur durch eine langsamere Vergleichung in Absicht auf die Dissonanzen unsrer oder andrer Ge- danken entdeckt wird, das verwandelt sich durch eine solche Uebung in ein unmittelbares Empfinden, und zugleich in eine entwickeltere Aufklärung dieser Em- pfindung. Zu der wirklichen Harmonie aber gehört ein Vorrath von netten Begriffen, deren Umfang und Ausdehnung, und Verhältnisse zu andern, wir genau empfinden. So gewöhnt und übt sich ein Ton- künstler, sein Jnstrument zu stimmen, seine Noten nett, von behöriger Dauer und in völliger Harmonie mit den andern fertig zu spielen. Man sehe übrigens §. 531 seqq. §. 621. Die Maler gebrauchen ähnliche Uebungen und dungen
IX. Hauptſtuͤck, und dieſe ſind noch immer in der Meßkunſt am feinſtenund richtigſten, geben der Seele die Grundlage zur Empfindung dieſer Harinonie. Die Ver- nunftlehre entwickelt und benennt ihre Cheile, und je netter man ſich dieſe vorſtellen lernt, deſto fertiger wird man auch in der hier ange- zeigten Uebung. Was nach der oben (§. 379.) ange- zeigten Methode nur durch eine langſamere Vergleichung in Abſicht auf die Diſſonanzen unſrer oder andrer Ge- danken entdeckt wird, das verwandelt ſich durch eine ſolche Uebung in ein unmittelbares Empfinden, und zugleich in eine entwickeltere Aufklaͤrung dieſer Em- pfindung. Zu der wirklichen Harmonie aber gehoͤrt ein Vorrath von netten Begriffen, deren Umfang und Ausdehnung, und Verhaͤltniſſe zu andern, wir genau empfinden. So gewoͤhnt und uͤbt ſich ein Ton- kuͤnſtler, ſein Jnſtrument zu ſtimmen, ſeine Noten nett, von behoͤriger Dauer und in voͤlliger Harmonie mit den andern fertig zu ſpielen. Man ſehe uͤbrigens §. 531 ſeqq. §. 621. Die Maler gebrauchen aͤhnliche Uebungen und dungen
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IX. Hauptſtuͤck,
und dieſe ſind noch immer in der Meßkunſt am feinſten
und richtigſten, geben der Seele die Grundlage
zur Empfindung dieſer Harinonie. Die Ver-
nunftlehre entwickelt und benennt ihre Cheile,
und je netter man ſich dieſe vorſtellen lernt,
deſto fertiger wird man auch in der hier ange-
zeigten Uebung. Was nach der oben (§. 379.) ange-
zeigten Methode nur durch eine langſamere Vergleichung
in Abſicht auf die Diſſonanzen unſrer oder andrer Ge-
danken entdeckt wird, das verwandelt ſich durch eine
ſolche Uebung in ein unmittelbares Empfinden, und
zugleich in eine entwickeltere Aufklaͤrung dieſer Em-
pfindung. Zu der wirklichen Harmonie aber gehoͤrt
ein Vorrath von netten Begriffen, deren Umfang
und Ausdehnung, und Verhaͤltniſſe zu andern, wir
genau empfinden. So gewoͤhnt und uͤbt ſich ein Ton-
kuͤnſtler, ſein Jnſtrument zu ſtimmen, ſeine Noten
nett, von behoͤriger Dauer und in voͤlliger Harmonie
mit den andern fertig zu ſpielen. Man ſehe uͤbrigens
§. 531 ſeqq.
§. 621.
Die Maler gebrauchen aͤhnliche Uebungen und
Fertigkeiten fuͤr das Augenmaaß, fuͤr die Auswahl
und Miſchung der Farben, fuͤr die Proportion der
Theile, fuͤr das Leben in dem Gemaͤlde ꝛc. Was
gute Muſter beytragen koͤnnen, die Harmonie in
allem dieſem voͤllſtaͤndiger zu empfinden, und ſich nach
und nach anzugewoͤhnen, die noch ruͤckſtaͤndigen Luͤcken
und Diſſonanzen zu verbeſſern, und original zu
werden, empfinden die am beſten, die wenigſtens in
der Betrachtung und Beurtheilung der Gemaͤlde
durch dieſe Stuffen gegangen. Die Empfindung des
Unterſchiedes zwiſchen Originalſtuͤcken und Copeyen,
zwiſchen Portraits und Stuͤcken, die bloße Erfin-
dungen
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