die Sinne fallen, die Arten augenscheinlich verschieden sind, (§. 599.) und die verschiedenen Bedeutungen des Wortes etwann in den Wörterbüchern einer Spra- che angemerkt werden. Auf diese Art ist die gemeine Erkenntniß eine trübe Quelle, die vorerst muß klar gemacht werden, ehe sich der Grund sehen läßt. Und die sogenannten Wortstreite oder Logomachien würden ganz wegfallen, wenn man sich diese Mühe nicht verdrießen ließe. Denn man mag ein Wort für ein andres nehmen, oder die Arten einer Gat- tung, oder gar die von verschiednen Gattungen con- fundiren, oder einen Theil der Sache für die ganze Sache oder für einen andern Theil, oder die ganze Sache für einen Theil ansehen; so ist die Verwirrung in der Erkenntniß da, so wissenschaftlich sie auch scheinen mag, und wenn wir es dabey bewenden lassen, so kommt bey dem Gebrauch unsrer Sätze sehr oft, und öfters wider Vermuthen, der oben (§. 379.) betrach- tete Fall vor.
§. 619.
Dieses allerdings gegründete Mißtrauen auf die gemeine Erkenntniß fordert demnach, daß wir bey der genauern Betrachtung der vorgenommenen Frag- mente das Verwirrte darinn zu entdecken und aus- einander zu lesen suchen. Dazu gehört nun, daß man alles, was man in der Sache verschiede- nes bemerkt, von einander absondere, daß man beurtheile, wiefern eines ohne das andre vor sich betrachtet werden kann, daß man sehe, ob einige Stücke ganz wegbleiben können, ob die übrigen ein Ganzes ausmachen, oder ob man damit noch nicht ausreiche, und folglich noch mehrere aufsuchen müsse, wo man füg- lich anfangen und fortfahren könne, und wie
dem-
IX. Hauptſtuͤck,
die Sinne fallen, die Arten augenſcheinlich verſchieden ſind, (§. 599.) und die verſchiedenen Bedeutungen des Wortes etwann in den Woͤrterbuͤchern einer Spra- che angemerkt werden. Auf dieſe Art iſt die gemeine Erkenntniß eine truͤbe Quelle, die vorerſt muß klar gemacht werden, ehe ſich der Grund ſehen laͤßt. Und die ſogenannten Wortſtreite oder Logomachien wuͤrden ganz wegfallen, wenn man ſich dieſe Muͤhe nicht verdrießen ließe. Denn man mag ein Wort fuͤr ein andres nehmen, oder die Arten einer Gat- tung, oder gar die von verſchiednen Gattungen con- fundiren, oder einen Theil der Sache fuͤr die ganze Sache oder fuͤr einen andern Theil, oder die ganze Sache fuͤr einen Theil anſehen; ſo iſt die Verwirrung in der Erkenntniß da, ſo wiſſenſchaftlich ſie auch ſcheinen mag, und wenn wir es dabey bewenden laſſen, ſo kommt bey dem Gebrauch unſrer Saͤtze ſehr oft, und oͤfters wider Vermuthen, der oben (§. 379.) betrach- tete Fall vor.
§. 619.
Dieſes allerdings gegruͤndete Mißtrauen auf die gemeine Erkenntniß fordert demnach, daß wir bey der genauern Betrachtung der vorgenommenen Frag- mente das Verwirrte darinn zu entdecken und aus- einander zu leſen ſuchen. Dazu gehoͤrt nun, daß man alles, was man in der Sache verſchiede- nes bemerkt, von einander abſondere, daß man beurtheile, wiefern eines ohne das andre vor ſich betrachtet werden kann, daß man ſehe, ob einige Stuͤcke ganz wegbleiben koͤnnen, ob die uͤbrigen ein Ganzes ausmachen, oder ob man damit noch nicht ausreiche, und folglich noch mehrere aufſuchen muͤſſe, wo man fuͤg- lich anfangen und fortfahren koͤnne, und wie
dem-
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IX. Hauptſtuͤck,
die Sinne fallen, die Arten augenſcheinlich verſchieden
ſind, (§. 599.) und die verſchiedenen Bedeutungen
des Wortes etwann in den Woͤrterbuͤchern einer Spra-
che angemerkt werden. Auf dieſe Art iſt die gemeine
Erkenntniß eine truͤbe Quelle, die vorerſt muß klar
gemacht werden, ehe ſich der Grund ſehen laͤßt. Und
die ſogenannten Wortſtreite oder Logomachien
wuͤrden ganz wegfallen, wenn man ſich dieſe Muͤhe
nicht verdrießen ließe. Denn man mag ein Wort
fuͤr ein andres nehmen, oder die Arten einer Gat-
tung, oder gar die von verſchiednen Gattungen con-
fundiren, oder einen Theil der Sache fuͤr die ganze
Sache oder fuͤr einen andern Theil, oder die ganze Sache
fuͤr einen Theil anſehen; ſo iſt die Verwirrung in der
Erkenntniß da, ſo wiſſenſchaftlich ſie auch ſcheinen
mag, und wenn wir es dabey bewenden laſſen, ſo
kommt bey dem Gebrauch unſrer Saͤtze ſehr oft, und
oͤfters wider Vermuthen, der oben (§. 379.) betrach-
tete Fall vor.
§. 619.
Dieſes allerdings gegruͤndete Mißtrauen auf die
gemeine Erkenntniß fordert demnach, daß wir bey der
genauern Betrachtung der vorgenommenen Frag-
mente das Verwirrte darinn zu entdecken und aus-
einander zu leſen ſuchen. Dazu gehoͤrt nun, daß
man alles, was man in der Sache verſchiede-
nes bemerkt, von einander abſondere, daß man
beurtheile, wiefern eines ohne das andre vor
ſich betrachtet werden kann, daß man ſehe,
ob einige Stuͤcke ganz wegbleiben koͤnnen, ob
die uͤbrigen ein Ganzes ausmachen, oder ob
man damit noch nicht ausreiche, und folglich
noch mehrere aufſuchen muͤſſe, wo man fuͤg-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/420>, abgerufen am 23.02.2025.
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