Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VIII. Hauptstück,
viel andern Zustande waren, als nachher. Beyspiele
von dieser Art zeigen genugsam, daß die Zeit einen
merklichen Einfluß in die Beschaffenheit natürlicher
Dinge haben kann. Jndessen ist es besonders in der
Mathematik längst schon eingeführt, daß man Ver-
änderungen, so lange dieselben unmerklich sind, aus
der Rechnung wegläßt, und diese nur mitnimmt, wo
es etwas auf sich hat. Und zu dem jedesmaligen
Gebrauche nimmt man die Dinge, wie sie sind, und
nicht, wie sie vorzeiten gewesen. Hingegen wird bey-
des genommen, wo man aufs künftige den Schluß
machen will.

§. 593.

Eben so verfährt man in Absicht auf die Umstän-
de des Ortes, wenn man die Dinge nimmt, wie man
sie an dem Orte findet, ohne deswegen sogleich einen
Schluß auf andre Oerter zu machen. Hingegen muß
man allerdings mehrere Oerter zusammennehmen, wenn
man das Allgemeine in den Versuchen finden will.
Man kann hierüber nachsehen, was wir bereits vor-
hin (§. 584. seqq.) angemerkt haben.

§. 594.

Wenn der Unterschied der Zeit oder des Ortes,
oder auch die allmählige Abwechslung der übrigen
Umstände, den Erfolg eines gleichen Versuches ver-
schieden macht; so ist nicht immer nothwendig, den-
selben durch jede unendlich kleine Stufen dadurch an-
zustellen, weil dabey mehrentheils eine Jnterpola-
tion
oder Einschaltung vorgenommen werden kann,
wodurch sich aus einigen stufenweise verschiedenen Ver-
suchen die dazwischen fallenden bestimmen lassen.
Diese Jnterpolation gründet sich darauf, daß die
Natur keinen Sprung thut, daß man für kleine
Stücke einer Linie, die sich einförmig krümmt, eine

gerade

VIII. Hauptſtuͤck,
viel andern Zuſtande waren, als nachher. Beyſpiele
von dieſer Art zeigen genugſam, daß die Zeit einen
merklichen Einfluß in die Beſchaffenheit natuͤrlicher
Dinge haben kann. Jndeſſen iſt es beſonders in der
Mathematik laͤngſt ſchon eingefuͤhrt, daß man Ver-
aͤnderungen, ſo lange dieſelben unmerklich ſind, aus
der Rechnung weglaͤßt, und dieſe nur mitnimmt, wo
es etwas auf ſich hat. Und zu dem jedesmaligen
Gebrauche nimmt man die Dinge, wie ſie ſind, und
nicht, wie ſie vorzeiten geweſen. Hingegen wird bey-
des genommen, wo man aufs kuͤnftige den Schluß
machen will.

§. 593.

Eben ſo verfaͤhrt man in Abſicht auf die Umſtaͤn-
de des Ortes, wenn man die Dinge nimmt, wie man
ſie an dem Orte findet, ohne deswegen ſogleich einen
Schluß auf andre Oerter zu machen. Hingegen muß
man allerdings mehrere Oerter zuſammennehmen, wenn
man das Allgemeine in den Verſuchen finden will.
Man kann hieruͤber nachſehen, was wir bereits vor-
hin (§. 584. ſeqq.) angemerkt haben.

§. 594.

Wenn der Unterſchied der Zeit oder des Ortes,
oder auch die allmaͤhlige Abwechslung der uͤbrigen
Umſtaͤnde, den Erfolg eines gleichen Verſuches ver-
ſchieden macht; ſo iſt nicht immer nothwendig, den-
ſelben durch jede unendlich kleine Stufen dadurch an-
zuſtellen, weil dabey mehrentheils eine Jnterpola-
tion
oder Einſchaltung vorgenommen werden kann,
wodurch ſich aus einigen ſtufenweiſe verſchiedenen Ver-
ſuchen die dazwiſchen fallenden beſtimmen laſſen.
Dieſe Jnterpolation gruͤndet ſich darauf, daß die
Natur keinen Sprung thut, daß man fuͤr kleine
Stuͤcke einer Linie, die ſich einfoͤrmig kruͤmmt, eine

gerade
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0404" n="382"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
viel andern Zu&#x017F;tande waren, als nachher. Bey&#x017F;piele<lb/>
von die&#x017F;er Art zeigen genug&#x017F;am, daß die Zeit einen<lb/>
merklichen Einfluß in die Be&#x017F;chaffenheit natu&#x0364;rlicher<lb/>
Dinge haben kann. Jnde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t es be&#x017F;onders in der<lb/>
Mathematik la&#x0364;ng&#x017F;t &#x017F;chon eingefu&#x0364;hrt, daß man Ver-<lb/>
a&#x0364;nderungen, &#x017F;o lange die&#x017F;elben unmerklich &#x017F;ind, aus<lb/>
der Rechnung wegla&#x0364;ßt, und die&#x017F;e nur mitnimmt, wo<lb/>
es etwas auf &#x017F;ich hat. Und zu dem jedesmaligen<lb/>
Gebrauche nimmt man die Dinge, wie &#x017F;ie &#x017F;ind, und<lb/>
nicht, wie &#x017F;ie vorzeiten gewe&#x017F;en. Hingegen wird bey-<lb/>
des genommen, wo man aufs ku&#x0364;nftige den Schluß<lb/>
machen will.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 593.</head><lb/>
            <p>Eben &#x017F;o verfa&#x0364;hrt man in Ab&#x017F;icht auf die Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
de des Ortes, wenn man die Dinge nimmt, wie man<lb/>
&#x017F;ie an dem Orte findet, ohne deswegen &#x017F;ogleich einen<lb/>
Schluß auf andre Oerter zu machen. Hingegen muß<lb/>
man allerdings mehrere Oerter zu&#x017F;ammennehmen, wenn<lb/>
man das Allgemeine in den Ver&#x017F;uchen finden will.<lb/>
Man kann hieru&#x0364;ber nach&#x017F;ehen, was wir bereits vor-<lb/>
hin (§. 584. <hi rendition="#aq">&#x017F;eqq.</hi>) angemerkt haben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 594.</head><lb/>
            <p>Wenn der Unter&#x017F;chied der Zeit oder des Ortes,<lb/>
oder auch die allma&#x0364;hlige Abwechslung der u&#x0364;brigen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde, den Erfolg eines gleichen Ver&#x017F;uches ver-<lb/>
&#x017F;chieden macht; &#x017F;o i&#x017F;t nicht immer nothwendig, den-<lb/>
&#x017F;elben durch jede unendlich kleine Stufen dadurch an-<lb/>
zu&#x017F;tellen, weil dabey mehrentheils eine <hi rendition="#fr">Jnterpola-<lb/>
tion</hi> oder <hi rendition="#fr">Ein&#x017F;chaltung</hi> vorgenommen werden kann,<lb/>
wodurch &#x017F;ich aus einigen &#x017F;tufenwei&#x017F;e ver&#x017F;chiedenen Ver-<lb/>
&#x017F;uchen die dazwi&#x017F;chen fallenden be&#x017F;timmen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die&#x017F;e Jnterpolation gru&#x0364;ndet &#x017F;ich darauf, daß die<lb/>
Natur keinen Sprung thut, daß man fu&#x0364;r kleine<lb/>
Stu&#x0364;cke einer Linie, die &#x017F;ich einfo&#x0364;rmig kru&#x0364;mmt, eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gerade</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0404] VIII. Hauptſtuͤck, viel andern Zuſtande waren, als nachher. Beyſpiele von dieſer Art zeigen genugſam, daß die Zeit einen merklichen Einfluß in die Beſchaffenheit natuͤrlicher Dinge haben kann. Jndeſſen iſt es beſonders in der Mathematik laͤngſt ſchon eingefuͤhrt, daß man Ver- aͤnderungen, ſo lange dieſelben unmerklich ſind, aus der Rechnung weglaͤßt, und dieſe nur mitnimmt, wo es etwas auf ſich hat. Und zu dem jedesmaligen Gebrauche nimmt man die Dinge, wie ſie ſind, und nicht, wie ſie vorzeiten geweſen. Hingegen wird bey- des genommen, wo man aufs kuͤnftige den Schluß machen will. §. 593. Eben ſo verfaͤhrt man in Abſicht auf die Umſtaͤn- de des Ortes, wenn man die Dinge nimmt, wie man ſie an dem Orte findet, ohne deswegen ſogleich einen Schluß auf andre Oerter zu machen. Hingegen muß man allerdings mehrere Oerter zuſammennehmen, wenn man das Allgemeine in den Verſuchen finden will. Man kann hieruͤber nachſehen, was wir bereits vor- hin (§. 584. ſeqq.) angemerkt haben. §. 594. Wenn der Unterſchied der Zeit oder des Ortes, oder auch die allmaͤhlige Abwechslung der uͤbrigen Umſtaͤnde, den Erfolg eines gleichen Verſuches ver- ſchieden macht; ſo iſt nicht immer nothwendig, den- ſelben durch jede unendlich kleine Stufen dadurch an- zuſtellen, weil dabey mehrentheils eine Jnterpola- tion oder Einſchaltung vorgenommen werden kann, wodurch ſich aus einigen ſtufenweiſe verſchiedenen Ver- ſuchen die dazwiſchen fallenden beſtimmen laſſen. Dieſe Jnterpolation gruͤndet ſich darauf, daß die Natur keinen Sprung thut, daß man fuͤr kleine Stuͤcke einer Linie, die ſich einfoͤrmig kruͤmmt, eine gerade

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/404
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/404>, abgerufen am 21.12.2024.