oder: Glaube mir, ich hab es erfahren, begreift dieses gedoppelte Bewußtseyn. Man setzt darinn die Anzeige der empfundenen Sache voraus, und fordert den Beyfall oder räth ihn an, weil man sich der Em- pfindung bewußt ist, die man als eine Erfahrung angiebt.
§. 553.
Erfahren heißt ferner auch schlechthin eine Sa- che inne werden, Nachricht davon einziehen, sie aus- spähen, erforschen, vernehmen etc. Jn diesem Ver- stande gebraucht man das Wort, wenn man sagt: Das will ich bald erfahren, man kann nichts davon erfahren, man erfährt es bald etc. Man sieht aber leicht, daß diese Bedeutungen des Worts Erfahren, theils metaphorisch sind, theils seine Viel- deutigkeit anzeigen. Wir werden hier schlechthin bey der ersten bleiben, und zwar nicht dem Worte, son- dern der Sache zu gefallen, weil wir hier von dem Gebrauche der Empfindungen zur Bereicherung der Erkenntniß zu handeln haben.
§. 554.
Zu diesem Ende merken wir ferner an, daß man so wohl die Empfindung als die empfundne Sache Erfahrung nennt, und daher wird, wenn eine Er- fahrung vollständig vorgetragen werden soll, füglich beydes zusammen gefaßt, daß man so wohl anzeige, wie man empfunden, als was man empfunden habe. Ersteres ist besonders nothwendig, wenn nur gewisse Umstände die Empfindung möglich machen. Letzteres muß die Empfindung benennen, und nicht etwann Sätze, die man aus derselben durch Schlüße herlei- tet, weil diese nicht die Erfahrung selbst, sondern Folgen daraus sind. Z. E. Daß es zuweilen unter Tagen und bey hellem Wetter einige Minuten lang
ganz
von der Erfahrung.
oder: Glaube mir, ich hab es erfahren, begreift dieſes gedoppelte Bewußtſeyn. Man ſetzt darinn die Anzeige der empfundenen Sache voraus, und fordert den Beyfall oder raͤth ihn an, weil man ſich der Em- pfindung bewußt iſt, die man als eine Erfahrung angiebt.
§. 553.
Erfahren heißt ferner auch ſchlechthin eine Sa- che inne werden, Nachricht davon einziehen, ſie aus- ſpaͤhen, erforſchen, vernehmen ꝛc. Jn dieſem Ver- ſtande gebraucht man das Wort, wenn man ſagt: Das will ich bald erfahren, man kann nichts davon erfahren, man erfaͤhrt es bald ꝛc. Man ſieht aber leicht, daß dieſe Bedeutungen des Worts Erfahren, theils metaphoriſch ſind, theils ſeine Viel- deutigkeit anzeigen. Wir werden hier ſchlechthin bey der erſten bleiben, und zwar nicht dem Worte, ſon- dern der Sache zu gefallen, weil wir hier von dem Gebrauche der Empfindungen zur Bereicherung der Erkenntniß zu handeln haben.
§. 554.
Zu dieſem Ende merken wir ferner an, daß man ſo wohl die Empfindung als die empfundne Sache Erfahrung nennt, und daher wird, wenn eine Er- fahrung vollſtaͤndig vorgetragen werden ſoll, fuͤglich beydes zuſammen gefaßt, daß man ſo wohl anzeige, wie man empfunden, als was man empfunden habe. Erſteres iſt beſonders nothwendig, wenn nur gewiſſe Umſtaͤnde die Empfindung moͤglich machen. Letzteres muß die Empfindung benennen, und nicht etwann Saͤtze, die man aus derſelben durch Schluͤße herlei- tet, weil dieſe nicht die Erfahrung ſelbſt, ſondern Folgen daraus ſind. Z. E. Daß es zuweilen unter Tagen und bey hellem Wetter einige Minuten lang
ganz
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0371"n="349"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von der Erfahrung.</hi></fw><lb/>
oder: <hirendition="#fr">Glaube mir, ich hab es erfahren,</hi> begreift<lb/>
dieſes gedoppelte Bewußtſeyn. Man ſetzt darinn die<lb/>
Anzeige der empfundenen Sache voraus, und fordert<lb/>
den Beyfall oder raͤth ihn an, weil man ſich der <hirendition="#fr">Em-<lb/>
pfindung</hi> bewußt iſt, die man als eine <hirendition="#fr">Erfahrung</hi><lb/>
angiebt.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 553.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Erfahren</hi> heißt ferner auch ſchlechthin eine Sa-<lb/>
che <hirendition="#fr">inne werden,</hi> Nachricht davon einziehen, ſie aus-<lb/>ſpaͤhen, erforſchen, vernehmen ꝛc. Jn dieſem Ver-<lb/>ſtande gebraucht man das Wort, wenn man ſagt:<lb/><hirendition="#fr">Das will ich bald erfahren, man kann nichts<lb/>
davon erfahren, man erfaͤhrt es bald</hi>ꝛc. Man<lb/>ſieht aber leicht, daß dieſe Bedeutungen des Worts<lb/><hirendition="#fr">Erfahren,</hi> theils metaphoriſch ſind, theils ſeine Viel-<lb/>
deutigkeit anzeigen. Wir werden hier ſchlechthin<lb/>
bey der erſten bleiben, und zwar nicht dem Worte, ſon-<lb/>
dern der Sache zu gefallen, weil wir hier von dem<lb/>
Gebrauche der Empfindungen zur Bereicherung der<lb/>
Erkenntniß zu handeln haben.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 554.</head><lb/><p>Zu dieſem Ende merken wir ferner an, daß man<lb/>ſo wohl die Empfindung als die empfundne Sache<lb/><hirendition="#fr">Erfahrung</hi> nennt, und daher wird, wenn eine Er-<lb/>
fahrung vollſtaͤndig vorgetragen werden ſoll, fuͤglich<lb/>
beydes zuſammen gefaßt, daß man ſo wohl anzeige,<lb/>
wie man empfunden, als <hirendition="#fr">was</hi> man empfunden habe.<lb/>
Erſteres iſt beſonders nothwendig, wenn nur gewiſſe<lb/>
Umſtaͤnde die Empfindung moͤglich machen. Letzteres<lb/>
muß die Empfindung benennen, und nicht etwann<lb/>
Saͤtze, die man aus derſelben durch Schluͤße herlei-<lb/>
tet, weil dieſe nicht die <hirendition="#fr">Erfahrung</hi>ſelbſt, ſondern<lb/><hirendition="#fr">Folgen</hi> daraus ſind. Z. E. Daß es zuweilen unter<lb/>
Tagen und bey hellem Wetter einige Minuten lang<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ganz</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[349/0371]
von der Erfahrung.
oder: Glaube mir, ich hab es erfahren, begreift
dieſes gedoppelte Bewußtſeyn. Man ſetzt darinn die
Anzeige der empfundenen Sache voraus, und fordert
den Beyfall oder raͤth ihn an, weil man ſich der Em-
pfindung bewußt iſt, die man als eine Erfahrung
angiebt.
§. 553.
Erfahren heißt ferner auch ſchlechthin eine Sa-
che inne werden, Nachricht davon einziehen, ſie aus-
ſpaͤhen, erforſchen, vernehmen ꝛc. Jn dieſem Ver-
ſtande gebraucht man das Wort, wenn man ſagt:
Das will ich bald erfahren, man kann nichts
davon erfahren, man erfaͤhrt es bald ꝛc. Man
ſieht aber leicht, daß dieſe Bedeutungen des Worts
Erfahren, theils metaphoriſch ſind, theils ſeine Viel-
deutigkeit anzeigen. Wir werden hier ſchlechthin
bey der erſten bleiben, und zwar nicht dem Worte, ſon-
dern der Sache zu gefallen, weil wir hier von dem
Gebrauche der Empfindungen zur Bereicherung der
Erkenntniß zu handeln haben.
§. 554.
Zu dieſem Ende merken wir ferner an, daß man
ſo wohl die Empfindung als die empfundne Sache
Erfahrung nennt, und daher wird, wenn eine Er-
fahrung vollſtaͤndig vorgetragen werden ſoll, fuͤglich
beydes zuſammen gefaßt, daß man ſo wohl anzeige,
wie man empfunden, als was man empfunden habe.
Erſteres iſt beſonders nothwendig, wenn nur gewiſſe
Umſtaͤnde die Empfindung moͤglich machen. Letzteres
muß die Empfindung benennen, und nicht etwann
Saͤtze, die man aus derſelben durch Schluͤße herlei-
tet, weil dieſe nicht die Erfahrung ſelbſt, ſondern
Folgen daraus ſind. Z. E. Daß es zuweilen unter
Tagen und bey hellem Wetter einige Minuten lang
ganz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/371>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.