Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Hauptstück,
ohne es zu lernen, thun, und höchstens durch die Ue-
bung eine größere Fertigkeit darinn erhalten. (§. 532.)

§. 547.

Hingegen ist die Erfindung der Materie nicht so
viel in unsrer Gewalt, ungeachtet die ersten Anfänge
sich auf Postulata gründen, die an sich betrachtet, eben
nicht so schwer sind. Man kann leicht zeigen, daß
es auf zureichend klare Begriffe ankomme, so,
daß wir die Sache, wo sie vorkömmt, und auch noch
da, wo sie mit Nebenumständen verwickelt und um-
hüllt ist, bemerken und erkennen können. Hiezu die-
nen bey körperlichen Dingen die Sinnen, und die
Mittel, wodurch wir ihren Gebrauch weiter ausdeh-
nen, dergleichen die optischen und acustischen Jnstru-
mente sind. Dahin gehören ferner die Veränderun-
gen, die wir mit den Dingen können vornehmen, um
sie von allen Seiten zu betrachten, sie zerlegen, zer-
gliedern, ihre Symptomata durch verschiedene Versu-
che entdecken, und zum Vorschein bringen, ihre Ver-
hältnisse gegen andre finden etc. Es ist unstreitig, daß
eine Sache, ihre Theile, Eigenschaften, Verbindun-
gen, Verhältnisse etc. desto vollständiger bekannt wer-
den, je mehrere von diesen Mitteln sich gebrauchen
lassen.

§. 548.

Bey abstracten Begriffen, die nicht für sich, son-
dern in Indiuiduis, und zwar in jedem mit besondern
Bestimmungen existiren, (§. 82.) kömmt es ebenfalls
auf zureichend klare Begriffe an, weil man solche
Abstracta in jedem Indiuiduo erkennen, und aus ihrer
Vergleichung das Allgemeine in denselben abstrahiren
muß. (§. 35. seqq.) Da unsre Erkenntniß immer
bey den Sinnen und Empfindungen anfängt, und
wir die Grundlage zu unsern abstracten Begriffen

aus

VII. Hauptſtuͤck,
ohne es zu lernen, thun, und hoͤchſtens durch die Ue-
bung eine groͤßere Fertigkeit darinn erhalten. (§. 532.)

§. 547.

Hingegen iſt die Erfindung der Materie nicht ſo
viel in unſrer Gewalt, ungeachtet die erſten Anfaͤnge
ſich auf Poſtulata gruͤnden, die an ſich betrachtet, eben
nicht ſo ſchwer ſind. Man kann leicht zeigen, daß
es auf zureichend klare Begriffe ankomme, ſo,
daß wir die Sache, wo ſie vorkoͤmmt, und auch noch
da, wo ſie mit Nebenumſtaͤnden verwickelt und um-
huͤllt iſt, bemerken und erkennen koͤnnen. Hiezu die-
nen bey koͤrperlichen Dingen die Sinnen, und die
Mittel, wodurch wir ihren Gebrauch weiter ausdeh-
nen, dergleichen die optiſchen und acuſtiſchen Jnſtru-
mente ſind. Dahin gehoͤren ferner die Veraͤnderun-
gen, die wir mit den Dingen koͤnnen vornehmen, um
ſie von allen Seiten zu betrachten, ſie zerlegen, zer-
gliedern, ihre Symptomata durch verſchiedene Verſu-
che entdecken, und zum Vorſchein bringen, ihre Ver-
haͤltniſſe gegen andre finden ꝛc. Es iſt unſtreitig, daß
eine Sache, ihre Theile, Eigenſchaften, Verbindun-
gen, Verhaͤltniſſe ꝛc. deſto vollſtaͤndiger bekannt wer-
den, je mehrere von dieſen Mitteln ſich gebrauchen
laſſen.

§. 548.

Bey abſtracten Begriffen, die nicht fuͤr ſich, ſon-
dern in Indiuiduis, und zwar in jedem mit beſondern
Beſtimmungen exiſtiren, (§. 82.) koͤmmt es ebenfalls
auf zureichend klare Begriffe an, weil man ſolche
Abſtracta in jedem Indiuiduo erkennen, und aus ihrer
Vergleichung das Allgemeine in denſelben abſtrahiren
muß. (§. 35. ſeqq.) Da unſre Erkenntniß immer
bey den Sinnen und Empfindungen anfaͤngt, und
wir die Grundlage zu unſern abſtracten Begriffen

aus
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0368" n="346"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
ohne es zu lernen, thun, und ho&#x0364;ch&#x017F;tens durch die Ue-<lb/>
bung eine gro&#x0364;ßere Fertigkeit darinn erhalten. (§. 532.)</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 547.</head><lb/>
            <p>Hingegen i&#x017F;t die Erfindung der Materie nicht &#x017F;o<lb/>
viel in un&#x017F;rer Gewalt, ungeachtet die er&#x017F;ten Anfa&#x0364;nge<lb/>
&#x017F;ich auf <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulata</hi> gru&#x0364;nden, die an &#x017F;ich betrachtet, eben<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;chwer &#x017F;ind. Man kann leicht zeigen, daß<lb/>
es auf <hi rendition="#fr">zureichend klare Begriffe</hi> ankomme, &#x017F;o,<lb/>
daß wir die Sache, wo &#x017F;ie vorko&#x0364;mmt, und auch noch<lb/>
da, wo &#x017F;ie mit Nebenum&#x017F;ta&#x0364;nden verwickelt und um-<lb/>
hu&#x0364;llt i&#x017F;t, bemerken und erkennen ko&#x0364;nnen. Hiezu die-<lb/>
nen bey ko&#x0364;rperlichen Dingen die Sinnen, und die<lb/>
Mittel, wodurch wir ihren Gebrauch weiter ausdeh-<lb/>
nen, dergleichen die opti&#x017F;chen und acu&#x017F;ti&#x017F;chen Jn&#x017F;tru-<lb/>
mente &#x017F;ind. Dahin geho&#x0364;ren ferner die Vera&#x0364;nderun-<lb/>
gen, die wir mit den Dingen ko&#x0364;nnen vornehmen, um<lb/>
&#x017F;ie von allen Seiten zu betrachten, &#x017F;ie zerlegen, zer-<lb/>
gliedern, ihre <hi rendition="#aq">Symptomata</hi> durch ver&#x017F;chiedene Ver&#x017F;u-<lb/>
che entdecken, und zum Vor&#x017F;chein bringen, ihre Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e gegen andre finden &#xA75B;c. Es i&#x017F;t un&#x017F;treitig, daß<lb/>
eine Sache, ihre Theile, Eigen&#x017F;chaften, Verbindun-<lb/>
gen, Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#xA75B;c. de&#x017F;to voll&#x017F;ta&#x0364;ndiger bekannt wer-<lb/>
den, je mehrere von die&#x017F;en Mitteln &#x017F;ich gebrauchen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 548.</head><lb/>
            <p>Bey ab&#x017F;tracten Begriffen, die nicht fu&#x0364;r &#x017F;ich, &#x017F;on-<lb/>
dern in <hi rendition="#aq">Indiuiduis,</hi> und zwar in jedem mit be&#x017F;ondern<lb/>
Be&#x017F;timmungen exi&#x017F;tiren, (§. 82.) ko&#x0364;mmt es ebenfalls<lb/>
auf <hi rendition="#fr">zureichend klare Begriffe</hi> an, weil man &#x017F;olche<lb/><hi rendition="#aq">Ab&#x017F;tracta</hi> in jedem <hi rendition="#aq">Indiuiduo</hi> erkennen, und aus ihrer<lb/>
Vergleichung das Allgemeine in den&#x017F;elben ab&#x017F;trahiren<lb/>
muß. (§. 35. <hi rendition="#aq">&#x017F;eqq.</hi>) Da un&#x017F;re Erkenntniß immer<lb/>
bey den Sinnen und Empfindungen anfa&#x0364;ngt, und<lb/>
wir die Grundlage zu un&#x017F;ern ab&#x017F;tracten Begriffen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aus</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0368] VII. Hauptſtuͤck, ohne es zu lernen, thun, und hoͤchſtens durch die Ue- bung eine groͤßere Fertigkeit darinn erhalten. (§. 532.) §. 547. Hingegen iſt die Erfindung der Materie nicht ſo viel in unſrer Gewalt, ungeachtet die erſten Anfaͤnge ſich auf Poſtulata gruͤnden, die an ſich betrachtet, eben nicht ſo ſchwer ſind. Man kann leicht zeigen, daß es auf zureichend klare Begriffe ankomme, ſo, daß wir die Sache, wo ſie vorkoͤmmt, und auch noch da, wo ſie mit Nebenumſtaͤnden verwickelt und um- huͤllt iſt, bemerken und erkennen koͤnnen. Hiezu die- nen bey koͤrperlichen Dingen die Sinnen, und die Mittel, wodurch wir ihren Gebrauch weiter ausdeh- nen, dergleichen die optiſchen und acuſtiſchen Jnſtru- mente ſind. Dahin gehoͤren ferner die Veraͤnderun- gen, die wir mit den Dingen koͤnnen vornehmen, um ſie von allen Seiten zu betrachten, ſie zerlegen, zer- gliedern, ihre Symptomata durch verſchiedene Verſu- che entdecken, und zum Vorſchein bringen, ihre Ver- haͤltniſſe gegen andre finden ꝛc. Es iſt unſtreitig, daß eine Sache, ihre Theile, Eigenſchaften, Verbindun- gen, Verhaͤltniſſe ꝛc. deſto vollſtaͤndiger bekannt wer- den, je mehrere von dieſen Mitteln ſich gebrauchen laſſen. §. 548. Bey abſtracten Begriffen, die nicht fuͤr ſich, ſon- dern in Indiuiduis, und zwar in jedem mit beſondern Beſtimmungen exiſtiren, (§. 82.) koͤmmt es ebenfalls auf zureichend klare Begriffe an, weil man ſolche Abſtracta in jedem Indiuiduo erkennen, und aus ihrer Vergleichung das Allgemeine in denſelben abſtrahiren muß. (§. 35. ſeqq.) Da unſre Erkenntniß immer bey den Sinnen und Empfindungen anfaͤngt, und wir die Grundlage zu unſern abſtracten Begriffen aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/368
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/368>, abgerufen am 21.12.2024.