Beweise von dieser Art kommen nicht selten vor. Denn hier läugnet man den ersten Satz: C ist M, nur deswegen, weil man es unausgemacht glaubt, ob C unter die Art M oder N gehöre. Der zweyte Be- weis zeigt daher nur, daß dieses in Absicht auf den Schlußsatz nichts zu sagen habe. Und so könnte es, dem Schlußsatz ohne Nachtheil, ebenfalls seyn, daß C so wohl unter M als unter N gehörte, wenn nämlich etliche C, M; die übrigen N wären. (§. 97.) Das Euclidische Beyspiel hat vor diesem nichts vor- aus, weil sich in demselben so wohl an--1 als a durch e theilen läßt. Wer dadurch, daß man ihm einen wahren Satz läugnet, genöthigt wird, einen andern gleichfalls wahren Satz anzunehmen, der kann aus diesem etwann den geläugneten beweisen. Aber er beweist ihn nicht aus dem Gegentheil des geläugne- ten, sondern aus dem andern wahren Satze, der ihm noch übrig bliebe. Demnach machen diese Bey- spiele an unserm Beweise (§. 384.) keine Ausnahme.
§. 391.
Um aber noch deutlicher zu zeigen, daß Euclids Beweis nur den Schein hat, als wenn aus einem falschen Satze ein wahrer geschlossen würde, so wol- len wir den oben (§. 372.) gegebenen Beweis wiederum vornehmen, und ihn nebst dem dadurch erwiesenen Lehrsatz etwas unvollständiger vortragen, damit er
dem
von den Beweiſen.
C iſt M.
M iſt B.
C iſt B.
Laͤugnet man hier den Oberſatz, ſo ſchließt man:
C iſt A
A iſt entweder M oder N
aber ſo wohl M als N iſt B
folglich: C iſt B.
Beweiſe von dieſer Art kommen nicht ſelten vor. Denn hier laͤugnet man den erſten Satz: C iſt M, nur deswegen, weil man es unausgemacht glaubt, ob C unter die Art M oder N gehoͤre. Der zweyte Be- weis zeigt daher nur, daß dieſes in Abſicht auf den Schlußſatz nichts zu ſagen habe. Und ſo koͤnnte es, dem Schlußſatz ohne Nachtheil, ebenfalls ſeyn, daß C ſo wohl unter M als unter N gehoͤrte, wenn naͤmlich etliche C, M; die uͤbrigen N waͤren. (§. 97.) Das Euclidiſche Beyſpiel hat vor dieſem nichts vor- aus, weil ſich in demſelben ſo wohl an—1 als a durch e theilen laͤßt. Wer dadurch, daß man ihm einen wahren Satz laͤugnet, genoͤthigt wird, einen andern gleichfalls wahren Satz anzunehmen, der kann aus dieſem etwann den gelaͤugneten beweiſen. Aber er beweiſt ihn nicht aus dem Gegentheil des gelaͤugne- ten, ſondern aus dem andern wahren Satze, der ihm noch uͤbrig bliebe. Demnach machen dieſe Bey- ſpiele an unſerm Beweiſe (§. 384.) keine Ausnahme.
§. 391.
Um aber noch deutlicher zu zeigen, daß Euclids Beweis nur den Schein hat, als wenn aus einem falſchen Satze ein wahrer geſchloſſen wuͤrde, ſo wol- len wir den oben (§. 372.) gegebenen Beweis wiederum vornehmen, und ihn nebſt dem dadurch erwieſenen Lehrſatz etwas unvollſtaͤndiger vortragen, damit er
dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0277"n="255"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">von den Beweiſen.</hi></fw><lb/><list><item><hirendition="#aq">C</hi> iſt <hirendition="#aq">M.</hi></item><lb/><item><hirendition="#aq">M</hi> iſt <hirendition="#aq">B.</hi></item><lb/><item><hirendition="#aq">C</hi> iſt <hirendition="#aq">B.</hi></item></list><lb/><p>Laͤugnet man hier den Oberſatz, ſo ſchließt man:</p><lb/><list><item><hirendition="#aq">C</hi> iſt <hirendition="#aq">A</hi></item><lb/><item><hirendition="#aq">A</hi> iſt entweder <hirendition="#aq">M</hi> oder <hirendition="#aq">N</hi></item><lb/><item>aber ſo wohl <hirendition="#aq">M</hi> als <hirendition="#aq">N</hi> iſt <hirendition="#aq">B</hi></item><lb/><item>folglich: <hirendition="#aq">C</hi> iſt <hirendition="#aq">B.</hi></item></list><lb/><p>Beweiſe von dieſer Art kommen nicht ſelten vor.<lb/>
Denn hier laͤugnet man den erſten Satz: <hirendition="#aq">C</hi> iſt <hirendition="#aq">M,</hi><lb/>
nur deswegen, weil man es unausgemacht glaubt, ob<lb/><hirendition="#aq">C</hi> unter die Art <hirendition="#aq">M</hi> oder <hirendition="#aq">N</hi> gehoͤre. Der zweyte Be-<lb/>
weis zeigt daher nur, daß dieſes in Abſicht auf den<lb/>
Schlußſatz nichts zu ſagen habe. Und ſo koͤnnte es,<lb/>
dem Schlußſatz ohne Nachtheil, ebenfalls ſeyn, daß<lb/><hirendition="#aq">C</hi>ſo wohl unter <hirendition="#aq">M</hi> als unter <hirendition="#aq">N</hi> gehoͤrte, wenn<lb/>
naͤmlich etliche <hirendition="#aq">C, M;</hi> die uͤbrigen <hirendition="#aq">N</hi> waͤren. (§. 97.)<lb/>
Das Euclidiſche Beyſpiel hat vor dieſem nichts vor-<lb/>
aus, weil ſich in demſelben ſo wohl <hirendition="#aq">a<hirendition="#sup">n—1</hi></hi> als <hirendition="#aq">a</hi> durch<lb/><hirendition="#aq">e</hi> theilen laͤßt. Wer dadurch, daß man ihm einen<lb/>
wahren Satz laͤugnet, genoͤthigt wird, einen andern<lb/>
gleichfalls wahren Satz anzunehmen, der kann aus<lb/>
dieſem etwann den gelaͤugneten beweiſen. Aber er<lb/>
beweiſt ihn nicht aus dem Gegentheil des gelaͤugne-<lb/>
ten, ſondern aus dem andern wahren Satze, der<lb/>
ihm noch uͤbrig bliebe. Demnach machen dieſe Bey-<lb/>ſpiele an unſerm Beweiſe (§. 384.) keine Ausnahme.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 391.</head><lb/><p>Um aber noch deutlicher zu zeigen, daß <hirendition="#fr">Euclids</hi><lb/>
Beweis nur den Schein hat, als wenn aus einem<lb/>
falſchen Satze ein wahrer geſchloſſen wuͤrde, ſo wol-<lb/>
len wir den oben (§. 372.) gegebenen Beweis wiederum<lb/>
vornehmen, und ihn nebſt dem dadurch erwieſenen<lb/>
Lehrſatz etwas unvollſtaͤndiger vortragen, damit er<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dem</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[255/0277]
von den Beweiſen.
C iſt M.
M iſt B.
C iſt B.
Laͤugnet man hier den Oberſatz, ſo ſchließt man:
C iſt A
A iſt entweder M oder N
aber ſo wohl M als N iſt B
folglich: C iſt B.
Beweiſe von dieſer Art kommen nicht ſelten vor.
Denn hier laͤugnet man den erſten Satz: C iſt M,
nur deswegen, weil man es unausgemacht glaubt, ob
C unter die Art M oder N gehoͤre. Der zweyte Be-
weis zeigt daher nur, daß dieſes in Abſicht auf den
Schlußſatz nichts zu ſagen habe. Und ſo koͤnnte es,
dem Schlußſatz ohne Nachtheil, ebenfalls ſeyn, daß
C ſo wohl unter M als unter N gehoͤrte, wenn
naͤmlich etliche C, M; die uͤbrigen N waͤren. (§. 97.)
Das Euclidiſche Beyſpiel hat vor dieſem nichts vor-
aus, weil ſich in demſelben ſo wohl an—1 als a durch
e theilen laͤßt. Wer dadurch, daß man ihm einen
wahren Satz laͤugnet, genoͤthigt wird, einen andern
gleichfalls wahren Satz anzunehmen, der kann aus
dieſem etwann den gelaͤugneten beweiſen. Aber er
beweiſt ihn nicht aus dem Gegentheil des gelaͤugne-
ten, ſondern aus dem andern wahren Satze, der
ihm noch uͤbrig bliebe. Demnach machen dieſe Bey-
ſpiele an unſerm Beweiſe (§. 384.) keine Ausnahme.
§. 391.
Um aber noch deutlicher zu zeigen, daß Euclids
Beweis nur den Schein hat, als wenn aus einem
falſchen Satze ein wahrer geſchloſſen wuͤrde, ſo wol-
len wir den oben (§. 372.) gegebenen Beweis wiederum
vornehmen, und ihn nebſt dem dadurch erwieſenen
Lehrſatz etwas unvollſtaͤndiger vortragen, damit er
dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/277>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.