Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Hauptstück,
§. 3.

So z. E. da nach dem Columbus ein jeder
glaubte, daß er auch Amerika hätte finden können, so
gab Columbus einigen die Frage auf, ein Ey auf die
Spitze zu stellen? Sie begriffen nicht, wie es möglich
wäre. Er brach die Spitze und stellte das Ey. Sie
begriffen nun auch, daß es auf diese Art angehe, und
jeder konnte es nun auch thun.

§. 4.

Ohne uns damit aufzuhalten, daß des Colum-
bus
Gegner glauben konnten, es sey mit seiner Frage
nicht so gemeynt gewesen, daß das Ey sollte gebrochen
werden, so wollen wir anmerken, daß sie nicht anders von
der Unmöglichkeit der Sache überzeugt zu seyn glau-
ben konnten, als weil es die beständige Erfahrung
giebt. Hingegen konnten sie das Stehenbleiben des
Eyes auf der gebrochenen Seite mit ähnlichen Fällen
vergleichen, die ihnen aus Erfahrung bekannt waren.
Von diesen Fällen hatten sie Begriffe, und der mit
dem Eye ließ sich damit richtig vergleichen. Bey-
des beruhete demnach auf der Erfahrung. Diese
aber hat auch ihre Gründe, und die Gesetze der He-
bekunst machen sie begreiflich, wenn man aus der-
selben die Sätze nimmt, daß ein runder Körper auf
einer ebenen Fläche nicht liegen bleibe, es sey denn
der Mittelpunkt der Schwere am tiefsten Orte, und
das Perpendicul aus demselben Falle auf den Punkt,
so die Fläche berührt.

§. 5.

So weis man ebenfalls aus der Erfahrung,
daß die Fernröhren die entlegenen Sachen größer und
deutlicher vorstellen. Will man aber begreifen, wie
es damit zugehe, so muß man sich die Grundsätze der
Dioptrik bekannt machen. Diese zeigen uns, daß
das Augenglas statt eines Vergrößerungsglases diene,

wodurch
I. Hauptſtuͤck,
§. 3.

So z. E. da nach dem Columbus ein jeder
glaubte, daß er auch Amerika haͤtte finden koͤnnen, ſo
gab Columbus einigen die Frage auf, ein Ey auf die
Spitze zu ſtellen? Sie begriffen nicht, wie es moͤglich
waͤre. Er brach die Spitze und ſtellte das Ey. Sie
begriffen nun auch, daß es auf dieſe Art angehe, und
jeder konnte es nun auch thun.

§. 4.

Ohne uns damit aufzuhalten, daß des Colum-
bus
Gegner glauben konnten, es ſey mit ſeiner Frage
nicht ſo gemeynt geweſen, daß das Ey ſollte gebrochen
werden, ſo wollen wir anmerken, daß ſie nicht anders von
der Unmoͤglichkeit der Sache uͤberzeugt zu ſeyn glau-
ben konnten, als weil es die beſtaͤndige Erfahrung
giebt. Hingegen konnten ſie das Stehenbleiben des
Eyes auf der gebrochenen Seite mit aͤhnlichen Faͤllen
vergleichen, die ihnen aus Erfahrung bekannt waren.
Von dieſen Faͤllen hatten ſie Begriffe, und der mit
dem Eye ließ ſich damit richtig vergleichen. Bey-
des beruhete demnach auf der Erfahrung. Dieſe
aber hat auch ihre Gruͤnde, und die Geſetze der He-
bekunſt machen ſie begreiflich, wenn man aus der-
ſelben die Saͤtze nimmt, daß ein runder Koͤrper auf
einer ebenen Flaͤche nicht liegen bleibe, es ſey denn
der Mittelpunkt der Schwere am tiefſten Orte, und
das Perpendicul aus demſelben Falle auf den Punkt,
ſo die Flaͤche beruͤhrt.

§. 5.

So weis man ebenfalls aus der Erfahrung,
daß die Fernroͤhren die entlegenen Sachen groͤßer und
deutlicher vorſtellen. Will man aber begreifen, wie
es damit zugehe, ſo muß man ſich die Grundſaͤtze der
Dioptrik bekannt machen. Dieſe zeigen uns, daß
das Augenglas ſtatt eines Vergroͤßerungsglaſes diene,

wodurch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0026" n="4"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.</head><lb/>
            <p>So z. E. da nach dem <hi rendition="#fr">Columbus</hi> ein jeder<lb/>
glaubte, daß er auch Amerika ha&#x0364;tte finden ko&#x0364;nnen, &#x017F;o<lb/>
gab <hi rendition="#fr">Columbus</hi> einigen die Frage auf, ein Ey auf die<lb/>
Spitze zu &#x017F;tellen? Sie <hi rendition="#fr">begriffen</hi> nicht, wie es mo&#x0364;glich<lb/>
wa&#x0364;re. Er brach die Spitze und &#x017F;tellte das Ey. Sie<lb/>
begriffen nun auch, daß es auf die&#x017F;e Art angehe, und<lb/>
jeder konnte es nun auch thun.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.</head><lb/>
            <p>Ohne uns damit aufzuhalten, daß des <hi rendition="#fr">Colum-<lb/>
bus</hi> Gegner glauben konnten, es &#x017F;ey mit &#x017F;einer Frage<lb/>
nicht &#x017F;o gemeynt gewe&#x017F;en, daß das Ey &#x017F;ollte gebrochen<lb/>
werden, &#x017F;o wollen wir anmerken, daß &#x017F;ie nicht anders von<lb/>
der Unmo&#x0364;glichkeit der Sache u&#x0364;berzeugt zu &#x017F;eyn glau-<lb/>
ben konnten, als weil es die be&#x017F;ta&#x0364;ndige Erfahrung<lb/>
giebt. Hingegen konnten &#x017F;ie das Stehenbleiben des<lb/>
Eyes auf der gebrochenen Seite mit a&#x0364;hnlichen Fa&#x0364;llen<lb/>
vergleichen, die ihnen aus Erfahrung bekannt waren.<lb/>
Von die&#x017F;en Fa&#x0364;llen hatten &#x017F;ie Begriffe, und der mit<lb/>
dem Eye ließ &#x017F;ich damit richtig vergleichen. Bey-<lb/>
des beruhete demnach auf der Erfahrung. Die&#x017F;e<lb/>
aber hat auch ihre Gru&#x0364;nde, und die Ge&#x017F;etze der He-<lb/>
bekun&#x017F;t machen &#x017F;ie <hi rendition="#fr">begreiflich,</hi> wenn man aus der-<lb/>
&#x017F;elben die Sa&#x0364;tze nimmt, daß ein runder Ko&#x0364;rper auf<lb/>
einer ebenen Fla&#x0364;che nicht liegen bleibe, es &#x017F;ey denn<lb/>
der Mittelpunkt der Schwere am tief&#x017F;ten Orte, und<lb/>
das Perpendicul aus dem&#x017F;elben Falle auf den Punkt,<lb/>
&#x017F;o die Fla&#x0364;che beru&#x0364;hrt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 5.</head><lb/>
            <p>So weis man ebenfalls aus der Erfahrung,<lb/>
daß die Fernro&#x0364;hren die entlegenen Sachen gro&#x0364;ßer und<lb/>
deutlicher vor&#x017F;tellen. Will man aber <hi rendition="#fr">begreifen,</hi> wie<lb/>
es damit zugehe, &#x017F;o muß man &#x017F;ich die Grund&#x017F;a&#x0364;tze der<lb/>
Dioptrik bekannt machen. Die&#x017F;e zeigen uns, daß<lb/>
das Augenglas &#x017F;tatt eines Vergro&#x0364;ßerungsgla&#x017F;es diene,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wodurch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0026] I. Hauptſtuͤck, §. 3. So z. E. da nach dem Columbus ein jeder glaubte, daß er auch Amerika haͤtte finden koͤnnen, ſo gab Columbus einigen die Frage auf, ein Ey auf die Spitze zu ſtellen? Sie begriffen nicht, wie es moͤglich waͤre. Er brach die Spitze und ſtellte das Ey. Sie begriffen nun auch, daß es auf dieſe Art angehe, und jeder konnte es nun auch thun. §. 4. Ohne uns damit aufzuhalten, daß des Colum- bus Gegner glauben konnten, es ſey mit ſeiner Frage nicht ſo gemeynt geweſen, daß das Ey ſollte gebrochen werden, ſo wollen wir anmerken, daß ſie nicht anders von der Unmoͤglichkeit der Sache uͤberzeugt zu ſeyn glau- ben konnten, als weil es die beſtaͤndige Erfahrung giebt. Hingegen konnten ſie das Stehenbleiben des Eyes auf der gebrochenen Seite mit aͤhnlichen Faͤllen vergleichen, die ihnen aus Erfahrung bekannt waren. Von dieſen Faͤllen hatten ſie Begriffe, und der mit dem Eye ließ ſich damit richtig vergleichen. Bey- des beruhete demnach auf der Erfahrung. Dieſe aber hat auch ihre Gruͤnde, und die Geſetze der He- bekunſt machen ſie begreiflich, wenn man aus der- ſelben die Saͤtze nimmt, daß ein runder Koͤrper auf einer ebenen Flaͤche nicht liegen bleibe, es ſey denn der Mittelpunkt der Schwere am tiefſten Orte, und das Perpendicul aus demſelben Falle auf den Punkt, ſo die Flaͤche beruͤhrt. §. 5. So weis man ebenfalls aus der Erfahrung, daß die Fernroͤhren die entlegenen Sachen groͤßer und deutlicher vorſtellen. Will man aber begreifen, wie es damit zugehe, ſo muß man ſich die Grundſaͤtze der Dioptrik bekannt machen. Dieſe zeigen uns, daß das Augenglas ſtatt eines Vergroͤßerungsglaſes diene, wodurch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/26
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/26>, abgerufen am 03.12.2024.