das Ganze seyn, dessen Theil er ist. Jn diesen Fällen liegt demnach das Ungereimte oder Widersprechende in dem angenommenen Gegentheil der Aussage. Es kann bey der angenommenen Hypothese nicht statt haben, weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi- dersprechen würde. So ist das oben (§. 348.) gege- bene Beyspiel. Denn wenn ein falscher Satz sich könnte beweisen lassen, so würde daraus folgen, daß man aus wahren Vordersätzen und richtiger Form einen falschen Schlußsatz herausbringen könnte; wel- ches aber gar nicht angeht.
§. 365.
Der andre Fall ist, wenn man aus dem ange- nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an sich betrachtet seyn könnte, aber der vorausgesetzten Bedingung widerspricht. Und da sagt man, quod est contra hypothesin,es laufe der vorausge- setzten Bedingung zuwider, und folglich gehe in diesem Fall das Gegentheil der Aussage nicht an. Und dieses ist zu dem Beweis des bedingten Satzes genug, wenn auch schon dieses Gegentheil unter einer andern Bedingung statt findet. Z. E. Wenn der Obersatz in der ersten Figur verneinend ist, so ist auch der Schlußsatz verneinend. Denn wenn dieser bejahend ist, so muß sein Prädicat auch von dem Mittelgliede, folglich von dem Subjecte des Obersatzes bejaht wer- den. Demnach wäre der Obersatz bejahend. Da nun dieses die Bedingung, daß der Obersatz verneinend ist, umstößt, so folgt, daß der Schlußsatz verneinend seyn müsse. Jn diesem Beyspiele läuft demnach das Gegentheil der Aussage nur wider die Bedingung, ohne daß es an sich unmöglich sey.
§. 366.
VI. Hauptſtuͤck,
das Ganze ſeyn, deſſen Theil er iſt. Jn dieſen Faͤllen liegt demnach das Ungereimte oder Widerſprechende in dem angenommenen Gegentheil der Ausſage. Es kann bey der angenommenen Hypotheſe nicht ſtatt haben, weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi- derſprechen wuͤrde. So iſt das oben (§. 348.) gege- bene Beyſpiel. Denn wenn ein falſcher Satz ſich koͤnnte beweiſen laſſen, ſo wuͤrde daraus folgen, daß man aus wahren Vorderſaͤtzen und richtiger Form einen falſchen Schlußſatz herausbringen koͤnnte; wel- ches aber gar nicht angeht.
§. 365.
Der andre Fall iſt, wenn man aus dem ange- nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an ſich betrachtet ſeyn koͤnnte, aber der vorausgeſetzten Bedingung widerſpricht. Und da ſagt man, quod eſt contra hypotheſin,es laufe der vorausge- ſetzten Bedingung zuwider, und folglich gehe in dieſem Fall das Gegentheil der Ausſage nicht an. Und dieſes iſt zu dem Beweis des bedingten Satzes genug, wenn auch ſchon dieſes Gegentheil unter einer andern Bedingung ſtatt findet. Z. E. Wenn der Oberſatz in der erſten Figur verneinend iſt, ſo iſt auch der Schlußſatz verneinend. Denn wenn dieſer bejahend iſt, ſo muß ſein Praͤdicat auch von dem Mittelgliede, folglich von dem Subjecte des Oberſatzes bejaht wer- den. Demnach waͤre der Oberſatz bejahend. Da nun dieſes die Bedingung, daß der Oberſatz verneinend iſt, umſtoͤßt, ſo folgt, daß der Schlußſatz verneinend ſeyn muͤſſe. Jn dieſem Beyſpiele laͤuft demnach das Gegentheil der Ausſage nur wider die Bedingung, ohne daß es an ſich unmoͤglich ſey.
§. 366.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0258"n="236"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VI.</hi> Hauptſtuͤck,</hi></fw><lb/>
das Ganze ſeyn, deſſen Theil er iſt. Jn dieſen Faͤllen<lb/>
liegt demnach das Ungereimte oder Widerſprechende in<lb/>
dem angenommenen Gegentheil der Ausſage. Es kann<lb/>
bey der angenommenen Hypotheſe nicht ſtatt haben,<lb/><hirendition="#fr">weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi-<lb/>
derſprechen wuͤrde.</hi> So iſt das oben (§. 348.) gege-<lb/>
bene Beyſpiel. Denn wenn ein falſcher Satz ſich<lb/>
koͤnnte beweiſen laſſen, ſo wuͤrde daraus folgen, daß<lb/>
man aus wahren Vorderſaͤtzen und richtiger Form<lb/>
einen falſchen Schlußſatz herausbringen koͤnnte; wel-<lb/>
ches aber gar nicht angeht.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 365.</head><lb/><p>Der andre Fall iſt, wenn man aus dem ange-<lb/>
nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an<lb/>ſich betrachtet ſeyn koͤnnte, aber der vorausgeſetzten<lb/>
Bedingung widerſpricht. Und da ſagt man, <hirendition="#aq">quod<lb/>
eſt contra hypotheſin,</hi><hirendition="#fr">es laufe der vorausge-<lb/>ſetzten Bedingung zuwider,</hi> und folglich gehe in<lb/>
dieſem Fall das Gegentheil der Ausſage nicht an. Und<lb/>
dieſes iſt zu dem Beweis des bedingten Satzes genug,<lb/>
wenn auch ſchon dieſes Gegentheil unter einer andern<lb/>
Bedingung ſtatt findet. Z. E. Wenn der Oberſatz<lb/>
in der erſten Figur verneinend iſt, ſo iſt auch der<lb/>
Schlußſatz verneinend. Denn wenn dieſer bejahend<lb/>
iſt, ſo muß ſein Praͤdicat auch von dem Mittelgliede,<lb/>
folglich von dem Subjecte des Oberſatzes bejaht wer-<lb/>
den. Demnach waͤre der Oberſatz bejahend. Da nun<lb/>
dieſes die Bedingung, daß der Oberſatz verneinend iſt,<lb/>
umſtoͤßt, ſo folgt, daß der Schlußſatz verneinend ſeyn<lb/>
muͤſſe. Jn dieſem Beyſpiele laͤuft demnach das<lb/>
Gegentheil der Ausſage nur wider die Bedingung,<lb/>
ohne daß es an ſich unmoͤglich ſey.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 366.</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[236/0258]
VI. Hauptſtuͤck,
das Ganze ſeyn, deſſen Theil er iſt. Jn dieſen Faͤllen
liegt demnach das Ungereimte oder Widerſprechende in
dem angenommenen Gegentheil der Ausſage. Es kann
bey der angenommenen Hypotheſe nicht ſtatt haben,
weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi-
derſprechen wuͤrde. So iſt das oben (§. 348.) gege-
bene Beyſpiel. Denn wenn ein falſcher Satz ſich
koͤnnte beweiſen laſſen, ſo wuͤrde daraus folgen, daß
man aus wahren Vorderſaͤtzen und richtiger Form
einen falſchen Schlußſatz herausbringen koͤnnte; wel-
ches aber gar nicht angeht.
§. 365.
Der andre Fall iſt, wenn man aus dem ange-
nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an
ſich betrachtet ſeyn koͤnnte, aber der vorausgeſetzten
Bedingung widerſpricht. Und da ſagt man, quod
eſt contra hypotheſin, es laufe der vorausge-
ſetzten Bedingung zuwider, und folglich gehe in
dieſem Fall das Gegentheil der Ausſage nicht an. Und
dieſes iſt zu dem Beweis des bedingten Satzes genug,
wenn auch ſchon dieſes Gegentheil unter einer andern
Bedingung ſtatt findet. Z. E. Wenn der Oberſatz
in der erſten Figur verneinend iſt, ſo iſt auch der
Schlußſatz verneinend. Denn wenn dieſer bejahend
iſt, ſo muß ſein Praͤdicat auch von dem Mittelgliede,
folglich von dem Subjecte des Oberſatzes bejaht wer-
den. Demnach waͤre der Oberſatz bejahend. Da nun
dieſes die Bedingung, daß der Oberſatz verneinend iſt,
umſtoͤßt, ſo folgt, daß der Schlußſatz verneinend ſeyn
muͤſſe. Jn dieſem Beyſpiele laͤuft demnach das
Gegentheil der Ausſage nur wider die Bedingung,
ohne daß es an ſich unmoͤglich ſey.
§. 366.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/258>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.