Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Hauptstück,
das Ganze seyn, dessen Theil er ist. Jn diesen Fällen
liegt demnach das Ungereimte oder Widersprechende in
dem angenommenen Gegentheil der Aussage. Es kann
bey der angenommenen Hypothese nicht statt haben,
weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi-
dersprechen würde.
So ist das oben (§. 348.) gege-
bene Beyspiel. Denn wenn ein falscher Satz sich
könnte beweisen lassen, so würde daraus folgen, daß
man aus wahren Vordersätzen und richtiger Form
einen falschen Schlußsatz herausbringen könnte; wel-
ches aber gar nicht angeht.

§. 365.

Der andre Fall ist, wenn man aus dem ange-
nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an
sich betrachtet seyn könnte, aber der vorausgesetzten
Bedingung widerspricht. Und da sagt man, quod
est contra hypothesin,
es laufe der vorausge-
setzten Bedingung zuwider,
und folglich gehe in
diesem Fall das Gegentheil der Aussage nicht an. Und
dieses ist zu dem Beweis des bedingten Satzes genug,
wenn auch schon dieses Gegentheil unter einer andern
Bedingung statt findet. Z. E. Wenn der Obersatz
in der ersten Figur verneinend ist, so ist auch der
Schlußsatz verneinend. Denn wenn dieser bejahend
ist, so muß sein Prädicat auch von dem Mittelgliede,
folglich von dem Subjecte des Obersatzes bejaht wer-
den. Demnach wäre der Obersatz bejahend. Da nun
dieses die Bedingung, daß der Obersatz verneinend ist,
umstößt, so folgt, daß der Schlußsatz verneinend seyn
müsse. Jn diesem Beyspiele läuft demnach das
Gegentheil der Aussage nur wider die Bedingung,
ohne daß es an sich unmöglich sey.

§. 366.

VI. Hauptſtuͤck,
das Ganze ſeyn, deſſen Theil er iſt. Jn dieſen Faͤllen
liegt demnach das Ungereimte oder Widerſprechende in
dem angenommenen Gegentheil der Ausſage. Es kann
bey der angenommenen Hypotheſe nicht ſtatt haben,
weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi-
derſprechen wuͤrde.
So iſt das oben (§. 348.) gege-
bene Beyſpiel. Denn wenn ein falſcher Satz ſich
koͤnnte beweiſen laſſen, ſo wuͤrde daraus folgen, daß
man aus wahren Vorderſaͤtzen und richtiger Form
einen falſchen Schlußſatz herausbringen koͤnnte; wel-
ches aber gar nicht angeht.

§. 365.

Der andre Fall iſt, wenn man aus dem ange-
nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an
ſich betrachtet ſeyn koͤnnte, aber der vorausgeſetzten
Bedingung widerſpricht. Und da ſagt man, quod
eſt contra hypotheſin,
es laufe der vorausge-
ſetzten Bedingung zuwider,
und folglich gehe in
dieſem Fall das Gegentheil der Ausſage nicht an. Und
dieſes iſt zu dem Beweis des bedingten Satzes genug,
wenn auch ſchon dieſes Gegentheil unter einer andern
Bedingung ſtatt findet. Z. E. Wenn der Oberſatz
in der erſten Figur verneinend iſt, ſo iſt auch der
Schlußſatz verneinend. Denn wenn dieſer bejahend
iſt, ſo muß ſein Praͤdicat auch von dem Mittelgliede,
folglich von dem Subjecte des Oberſatzes bejaht wer-
den. Demnach waͤre der Oberſatz bejahend. Da nun
dieſes die Bedingung, daß der Oberſatz verneinend iſt,
umſtoͤßt, ſo folgt, daß der Schlußſatz verneinend ſeyn
muͤſſe. Jn dieſem Beyſpiele laͤuft demnach das
Gegentheil der Ausſage nur wider die Bedingung,
ohne daß es an ſich unmoͤglich ſey.

§. 366.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0258" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
das Ganze &#x017F;eyn, de&#x017F;&#x017F;en Theil er i&#x017F;t. Jn die&#x017F;en Fa&#x0364;llen<lb/>
liegt demnach das Ungereimte oder Wider&#x017F;prechende in<lb/>
dem angenommenen Gegentheil der Aus&#x017F;age. Es kann<lb/>
bey der angenommenen Hypothe&#x017F;e nicht &#x017F;tatt haben,<lb/><hi rendition="#fr">weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi-<lb/>
der&#x017F;prechen wu&#x0364;rde.</hi> So i&#x017F;t das oben (§. 348.) gege-<lb/>
bene Bey&#x017F;piel. Denn wenn ein fal&#x017F;cher Satz &#x017F;ich<lb/>
ko&#x0364;nnte bewei&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wu&#x0364;rde daraus folgen, daß<lb/>
man aus wahren Vorder&#x017F;a&#x0364;tzen und richtiger Form<lb/>
einen fal&#x017F;chen Schluß&#x017F;atz herausbringen ko&#x0364;nnte; wel-<lb/>
ches aber gar nicht angeht.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 365.</head><lb/>
            <p>Der andre Fall i&#x017F;t, wenn man aus dem ange-<lb/>
nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an<lb/>
&#x017F;ich betrachtet &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, aber der vorausge&#x017F;etzten<lb/>
Bedingung wider&#x017F;pricht. Und da &#x017F;agt man, <hi rendition="#aq">quod<lb/>
e&#x017F;t contra hypothe&#x017F;in,</hi> <hi rendition="#fr">es laufe der vorausge-<lb/>
&#x017F;etzten Bedingung zuwider,</hi> und folglich gehe in<lb/>
die&#x017F;em Fall das Gegentheil der Aus&#x017F;age nicht an. Und<lb/>
die&#x017F;es i&#x017F;t zu dem Beweis des bedingten Satzes genug,<lb/>
wenn auch &#x017F;chon die&#x017F;es Gegentheil unter einer andern<lb/>
Bedingung &#x017F;tatt findet. Z. E. Wenn der Ober&#x017F;atz<lb/>
in der er&#x017F;ten Figur verneinend i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t auch der<lb/>
Schluß&#x017F;atz verneinend. Denn wenn die&#x017F;er bejahend<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o muß &#x017F;ein Pra&#x0364;dicat auch von dem Mittelgliede,<lb/>
folglich von dem Subjecte des Ober&#x017F;atzes bejaht wer-<lb/>
den. Demnach wa&#x0364;re der Ober&#x017F;atz bejahend. Da nun<lb/>
die&#x017F;es die Bedingung, daß der Ober&#x017F;atz verneinend i&#x017F;t,<lb/>
um&#x017F;to&#x0364;ßt, &#x017F;o folgt, daß der Schluß&#x017F;atz verneinend &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Jn die&#x017F;em Bey&#x017F;piele la&#x0364;uft demnach das<lb/>
Gegentheil der Aus&#x017F;age nur wider die Bedingung,<lb/>
ohne daß es an &#x017F;ich unmo&#x0364;glich &#x017F;ey.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 366.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0258] VI. Hauptſtuͤck, das Ganze ſeyn, deſſen Theil er iſt. Jn dieſen Faͤllen liegt demnach das Ungereimte oder Widerſprechende in dem angenommenen Gegentheil der Ausſage. Es kann bey der angenommenen Hypotheſe nicht ſtatt haben, weil es bereits ausgemachten Wahrheiten wi- derſprechen wuͤrde. So iſt das oben (§. 348.) gege- bene Beyſpiel. Denn wenn ein falſcher Satz ſich koͤnnte beweiſen laſſen, ſo wuͤrde daraus folgen, daß man aus wahren Vorderſaͤtzen und richtiger Form einen falſchen Schlußſatz herausbringen koͤnnte; wel- ches aber gar nicht angeht. §. 365. Der andre Fall iſt, wenn man aus dem ange- nommenen Gegentheil etwas folgert, das zwar an ſich betrachtet ſeyn koͤnnte, aber der vorausgeſetzten Bedingung widerſpricht. Und da ſagt man, quod eſt contra hypotheſin, es laufe der vorausge- ſetzten Bedingung zuwider, und folglich gehe in dieſem Fall das Gegentheil der Ausſage nicht an. Und dieſes iſt zu dem Beweis des bedingten Satzes genug, wenn auch ſchon dieſes Gegentheil unter einer andern Bedingung ſtatt findet. Z. E. Wenn der Oberſatz in der erſten Figur verneinend iſt, ſo iſt auch der Schlußſatz verneinend. Denn wenn dieſer bejahend iſt, ſo muß ſein Praͤdicat auch von dem Mittelgliede, folglich von dem Subjecte des Oberſatzes bejaht wer- den. Demnach waͤre der Oberſatz bejahend. Da nun dieſes die Bedingung, daß der Oberſatz verneinend iſt, umſtoͤßt, ſo folgt, daß der Schlußſatz verneinend ſeyn muͤſſe. Jn dieſem Beyſpiele laͤuft demnach das Gegentheil der Ausſage nur wider die Bedingung, ohne daß es an ſich unmoͤglich ſey. §. 366.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/258
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/258>, abgerufen am 03.12.2024.