bemerkt worden zu seyn. Und dieses wiederfährt be- sonders denen, die zum schließen eben kein Geschicke haben. Sie werfen Vordersätze und Schlußsätze nebst noch vielen andern, die etwann auch gar nicht dahin dienen, so durch einander, daß man Mühe hat, es auseinander zu lesen, und das Schlüßige besonders zu nehmen. Sodann wird ein Schluß versteckter, wenn man seine Vordersätze ganz umgekehrt, mit an- dern Sätzen verwickelt vorträgt, und nicht einmal durch behörige Bindewörter, weil, daher, folglich etc. anzeigt, daß man im Sinn hatte, einen Schluß zu machen. Dieses ist dem Verfahren der Mathe- matiker ganz entgegen gesetzt, die die äußerste Sorg- falt haben, über den Zusammenhang ihres Vor- trags Licht auszubreiten, und noch überdies den Leser davon zu erinnern, damit er darauf Acht habe, was man ihm klar und in der nettesten Ordnung vor Au- gen legt. (§. 149. seqq.)
§. 253.
Wie aber auch immer ein Schluß versteckt seyn kann, so haben wir dabey weiter nichts zu thun, als zu sehen, ob die Folge uns einleuchtet, oder was dar- an noch fehlt, um sie uns vorstellig zu machen. Kön- nen wir uns darinn zurecht finden, so wird es auch so schwer nicht seyn, den Schluß aus dem Cahos heraus zu ziehen, und ihn in seine behörige Form zu bringen, damit er könne geprüft werden. Widrigen- falls wird man das Cahos müssen dahin gestellt seyn lassen, bis man etwann Anlässe sindet, die das- selbe aufklären helfen. Bis dahin bleibt es unaus- gemacht, ob es wahr oder falsch ist, und die Vermu- thung fällt eher wenigstens zum Theil auf das letztere, weil die Deutlichkeit des Vortrags mit seiner Richtig- keit fast immer zu Paaren geht. Und wer seine Ge-
danken
IV. Hauptſtuͤck,
bemerkt worden zu ſeyn. Und dieſes wiederfaͤhrt be- ſonders denen, die zum ſchließen eben kein Geſchicke haben. Sie werfen Vorderſaͤtze und Schlußſaͤtze nebſt noch vielen andern, die etwann auch gar nicht dahin dienen, ſo durch einander, daß man Muͤhe hat, es auseinander zu leſen, und das Schluͤßige beſonders zu nehmen. Sodann wird ein Schluß verſteckter, wenn man ſeine Vorderſaͤtze ganz umgekehrt, mit an- dern Saͤtzen verwickelt vortraͤgt, und nicht einmal durch behoͤrige Bindewoͤrter, weil, daher, folglich ꝛc. anzeigt, daß man im Sinn hatte, einen Schluß zu machen. Dieſes iſt dem Verfahren der Mathe- matiker ganz entgegen geſetzt, die die aͤußerſte Sorg- falt haben, uͤber den Zuſammenhang ihres Vor- trags Licht auszubreiten, und noch uͤberdies den Leſer davon zu erinnern, damit er darauf Acht habe, was man ihm klar und in der netteſten Ordnung vor Au- gen legt. (§. 149. ſeqq.)
§. 253.
Wie aber auch immer ein Schluß verſteckt ſeyn kann, ſo haben wir dabey weiter nichts zu thun, als zu ſehen, ob die Folge uns einleuchtet, oder was dar- an noch fehlt, um ſie uns vorſtellig zu machen. Koͤn- nen wir uns darinn zurecht finden, ſo wird es auch ſo ſchwer nicht ſeyn, den Schluß aus dem Cahos heraus zu ziehen, und ihn in ſeine behoͤrige Form zu bringen, damit er koͤnne gepruͤft werden. Widrigen- falls wird man das Cahos muͤſſen dahin geſtellt ſeyn laſſen, bis man etwann Anlaͤſſe ſindet, die daſ- ſelbe aufklaͤren helfen. Bis dahin bleibt es unaus- gemacht, ob es wahr oder falſch iſt, und die Vermu- thung faͤllt eher wenigſtens zum Theil auf das letztere, weil die Deutlichkeit des Vortrags mit ſeiner Richtig- keit faſt immer zu Paaren geht. Und wer ſeine Ge-
danken
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0180"n="158"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Hauptſtuͤck,</hi></fw><lb/>
bemerkt worden zu ſeyn. Und dieſes wiederfaͤhrt be-<lb/>ſonders denen, die zum ſchließen eben kein Geſchicke<lb/>
haben. Sie werfen Vorderſaͤtze und Schlußſaͤtze<lb/>
nebſt noch vielen andern, die etwann auch gar nicht<lb/>
dahin dienen, ſo durch einander, daß man Muͤhe hat,<lb/>
es auseinander zu leſen, und das <hirendition="#fr">Schluͤßige</hi> beſonders<lb/>
zu nehmen. Sodann wird ein Schluß verſteckter,<lb/>
wenn man ſeine Vorderſaͤtze ganz umgekehrt, mit an-<lb/>
dern Saͤtzen verwickelt vortraͤgt, und nicht einmal<lb/>
durch behoͤrige Bindewoͤrter, <hirendition="#fr">weil, daher, folglich</hi><lb/>ꝛc. anzeigt, daß man im Sinn hatte, einen Schluß<lb/>
zu machen. Dieſes iſt dem Verfahren der Mathe-<lb/>
matiker ganz entgegen geſetzt, die die aͤußerſte Sorg-<lb/>
falt haben, uͤber den <hirendition="#fr">Zuſammenhang</hi> ihres Vor-<lb/>
trags Licht auszubreiten, und noch uͤberdies den Leſer<lb/>
davon zu erinnern, damit er darauf Acht habe, was<lb/>
man ihm klar und in der netteſten Ordnung vor Au-<lb/>
gen legt. (§. 149. <hirendition="#aq">ſeqq.</hi>)</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 253.</head><lb/><p>Wie aber auch immer ein Schluß verſteckt ſeyn<lb/>
kann, ſo haben wir dabey weiter nichts zu thun, als<lb/>
zu ſehen, ob die Folge uns einleuchtet, oder was dar-<lb/>
an noch fehlt, um ſie uns vorſtellig zu machen. Koͤn-<lb/>
nen wir uns darinn zurecht finden, ſo wird es auch<lb/>ſo ſchwer nicht ſeyn, den Schluß aus dem <hirendition="#aq">Cahos</hi><lb/>
heraus zu ziehen, und ihn in ſeine behoͤrige Form zu<lb/>
bringen, damit er koͤnne gepruͤft werden. Widrigen-<lb/>
falls wird man das <hirendition="#aq">Cahos</hi> muͤſſen dahin geſtellt ſeyn<lb/>
laſſen, bis man etwann Anlaͤſſe ſindet, die daſ-<lb/>ſelbe aufklaͤren helfen. Bis dahin bleibt es unaus-<lb/>
gemacht, ob es wahr oder falſch iſt, und die Vermu-<lb/>
thung faͤllt eher wenigſtens zum Theil auf das letztere,<lb/>
weil die Deutlichkeit des Vortrags mit ſeiner Richtig-<lb/>
keit faſt immer zu Paaren geht. Und wer ſeine Ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">danken</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[158/0180]
IV. Hauptſtuͤck,
bemerkt worden zu ſeyn. Und dieſes wiederfaͤhrt be-
ſonders denen, die zum ſchließen eben kein Geſchicke
haben. Sie werfen Vorderſaͤtze und Schlußſaͤtze
nebſt noch vielen andern, die etwann auch gar nicht
dahin dienen, ſo durch einander, daß man Muͤhe hat,
es auseinander zu leſen, und das Schluͤßige beſonders
zu nehmen. Sodann wird ein Schluß verſteckter,
wenn man ſeine Vorderſaͤtze ganz umgekehrt, mit an-
dern Saͤtzen verwickelt vortraͤgt, und nicht einmal
durch behoͤrige Bindewoͤrter, weil, daher, folglich
ꝛc. anzeigt, daß man im Sinn hatte, einen Schluß
zu machen. Dieſes iſt dem Verfahren der Mathe-
matiker ganz entgegen geſetzt, die die aͤußerſte Sorg-
falt haben, uͤber den Zuſammenhang ihres Vor-
trags Licht auszubreiten, und noch uͤberdies den Leſer
davon zu erinnern, damit er darauf Acht habe, was
man ihm klar und in der netteſten Ordnung vor Au-
gen legt. (§. 149. ſeqq.)
§. 253.
Wie aber auch immer ein Schluß verſteckt ſeyn
kann, ſo haben wir dabey weiter nichts zu thun, als
zu ſehen, ob die Folge uns einleuchtet, oder was dar-
an noch fehlt, um ſie uns vorſtellig zu machen. Koͤn-
nen wir uns darinn zurecht finden, ſo wird es auch
ſo ſchwer nicht ſeyn, den Schluß aus dem Cahos
heraus zu ziehen, und ihn in ſeine behoͤrige Form zu
bringen, damit er koͤnne gepruͤft werden. Widrigen-
falls wird man das Cahos muͤſſen dahin geſtellt ſeyn
laſſen, bis man etwann Anlaͤſſe ſindet, die daſ-
ſelbe aufklaͤren helfen. Bis dahin bleibt es unaus-
gemacht, ob es wahr oder falſch iſt, und die Vermu-
thung faͤllt eher wenigſtens zum Theil auf das letztere,
weil die Deutlichkeit des Vortrags mit ſeiner Richtig-
keit faſt immer zu Paaren geht. Und wer ſeine Ge-
danken
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/180>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.