Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Hauptstück,
indem in jedem vorkommenden Fall die allgemeine Re-
gel zureichend und ihre Beobachtung leicht ist.

§. 248.

Wir können daher aus der bisher betrachteten Leh-
re der Schlüsse nur so viel vestsetzen; daß, wenn
ein Schluß in behöriger Form, und beyde
Vordersätze wahr sind, sodann der Schlußsatz
auch nothwendig wahr seyn müsse.
Oder all-
gemeiner: Wenn die Vordersätze wahr sind, und
sie lassen sich nach unsrer Zeichnungsart zeich-
nen, so giebt diese, wenn die Zeichnung rich-
tig gemacht wird, jede Schlüsse an, die daraus
können gezogen werden, und diese Schlüsse
sind ebenfalls wahr.
Dieser letzte Satz ist allge-
meiner, weil unsre Zeichnungsart sich an die Form
und Ordnung der Vordersätze nicht bindet, sondern
dieselbe nimmt, wie sie sind.

§. 249.

Da unter diesen Bedingungen der Schlußsatz
wahr ist, so heißt es, derselbe sey durch eine
Schlußrede bewiesen, oder durch eine Schluß-
rede gefunden oder herausgebracht worden.

Beydes ist zwar beysammen, und der Unterschied
dieser Ausdrücke beruht nur darauf, ob man zu dem
Schlußsatze die Vordersätze gesucht habe, oder ob
man durch diese auf den Schlußsatz geführt worden.
Da nun beydes möglich ist, so dienen allerdings die
Schlußreden so wohl zum Beweisen, als zum Er-
finden.
Und man kann sagen, daß letzteres ungleich
natürlicher ist; weil man bey dem Beweisen bereits
wissen muß, ob der Schlußsatz wahr sey; denn wäre
er falsch, so würde man vergebens einen Beweis su-
chen, weil aus wahren Vordersätzen durch die behöri-
ge Form kein falscher Satz herausgebracht werden

kann.

IV. Hauptſtuͤck,
indem in jedem vorkommenden Fall die allgemeine Re-
gel zureichend und ihre Beobachtung leicht iſt.

§. 248.

Wir koͤnnen daher aus der bisher betrachteten Leh-
re der Schluͤſſe nur ſo viel veſtſetzen; daß, wenn
ein Schluß in behoͤriger Form, und beyde
Vorderſaͤtze wahr ſind, ſodann der Schlußſatz
auch nothwendig wahr ſeyn muͤſſe.
Oder all-
gemeiner: Wenn die Vorderſaͤtze wahr ſind, und
ſie laſſen ſich nach unſrer Zeichnungsart zeich-
nen, ſo giebt dieſe, wenn die Zeichnung rich-
tig gemacht wird, jede Schluͤſſe an, die daraus
koͤnnen gezogen werden, und dieſe Schluͤſſe
ſind ebenfalls wahr.
Dieſer letzte Satz iſt allge-
meiner, weil unſre Zeichnungsart ſich an die Form
und Ordnung der Vorderſaͤtze nicht bindet, ſondern
dieſelbe nimmt, wie ſie ſind.

§. 249.

Da unter dieſen Bedingungen der Schlußſatz
wahr iſt, ſo heißt es, derſelbe ſey durch eine
Schlußrede bewieſen, oder durch eine Schluß-
rede gefunden oder herausgebracht worden.

Beydes iſt zwar beyſammen, und der Unterſchied
dieſer Ausdruͤcke beruht nur darauf, ob man zu dem
Schlußſatze die Vorderſaͤtze geſucht habe, oder ob
man durch dieſe auf den Schlußſatz gefuͤhrt worden.
Da nun beydes moͤglich iſt, ſo dienen allerdings die
Schlußreden ſo wohl zum Beweiſen, als zum Er-
finden.
Und man kann ſagen, daß letzteres ungleich
natuͤrlicher iſt; weil man bey dem Beweiſen bereits
wiſſen muß, ob der Schlußſatz wahr ſey; denn waͤre
er falſch, ſo wuͤrde man vergebens einen Beweis ſu-
chen, weil aus wahren Vorderſaͤtzen durch die behoͤri-
ge Form kein falſcher Satz herausgebracht werden

kann.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0176" n="154"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
indem in jedem vorkommenden Fall die allgemeine Re-<lb/>
gel zureichend und ihre Beobachtung leicht i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 248.</head><lb/>
            <p>Wir ko&#x0364;nnen daher aus der bisher betrachteten Leh-<lb/>
re der Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nur &#x017F;o viel ve&#x017F;t&#x017F;etzen; <hi rendition="#fr">daß, wenn<lb/>
ein Schluß in beho&#x0364;riger Form, und beyde<lb/>
Vorder&#x017F;a&#x0364;tze wahr &#x017F;ind, &#x017F;odann der Schluß&#x017F;atz<lb/>
auch nothwendig wahr &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</hi> Oder all-<lb/>
gemeiner: <hi rendition="#fr">Wenn die Vorder&#x017F;a&#x0364;tze wahr &#x017F;ind, und<lb/>
&#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nach un&#x017F;rer Zeichnungsart zeich-<lb/>
nen, &#x017F;o giebt die&#x017F;e, wenn die Zeichnung rich-<lb/>
tig gemacht wird, jede Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e an, die daraus<lb/>
ko&#x0364;nnen gezogen werden, und die&#x017F;e Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ind ebenfalls wahr.</hi> Die&#x017F;er letzte Satz i&#x017F;t allge-<lb/>
meiner, weil un&#x017F;re Zeichnungsart &#x017F;ich an die Form<lb/>
und Ordnung der Vorder&#x017F;a&#x0364;tze nicht bindet, &#x017F;ondern<lb/>
die&#x017F;elbe nimmt, wie &#x017F;ie &#x017F;ind.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 249.</head><lb/>
            <p>Da unter die&#x017F;en Bedingungen der Schluß&#x017F;atz<lb/>
wahr i&#x017F;t, &#x017F;o heißt es, <hi rendition="#fr">der&#x017F;elbe &#x017F;ey durch eine<lb/>
Schlußrede bewie&#x017F;en, oder durch eine Schluß-<lb/>
rede gefunden oder herausgebracht worden.</hi><lb/>
Beydes i&#x017F;t zwar bey&#x017F;ammen, und der Unter&#x017F;chied<lb/>
die&#x017F;er Ausdru&#x0364;cke beruht nur darauf, ob man zu dem<lb/>
Schluß&#x017F;atze die Vorder&#x017F;a&#x0364;tze ge&#x017F;ucht habe, oder ob<lb/>
man durch die&#x017F;e auf den Schluß&#x017F;atz gefu&#x0364;hrt worden.<lb/>
Da nun beydes mo&#x0364;glich i&#x017F;t, &#x017F;o dienen allerdings die<lb/>
Schlußreden &#x017F;o wohl zum <hi rendition="#fr">Bewei&#x017F;en,</hi> als zum <hi rendition="#fr">Er-<lb/>
finden.</hi> Und man kann &#x017F;agen, daß letzteres ungleich<lb/>
natu&#x0364;rlicher i&#x017F;t; weil man bey dem Bewei&#x017F;en bereits<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en muß, ob der Schluß&#x017F;atz wahr &#x017F;ey; denn wa&#x0364;re<lb/>
er fal&#x017F;ch, &#x017F;o wu&#x0364;rde man vergebens einen Beweis &#x017F;u-<lb/>
chen, weil aus wahren Vorder&#x017F;a&#x0364;tzen durch die beho&#x0364;ri-<lb/>
ge Form kein fal&#x017F;cher Satz herausgebracht werden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kann.</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0176] IV. Hauptſtuͤck, indem in jedem vorkommenden Fall die allgemeine Re- gel zureichend und ihre Beobachtung leicht iſt. §. 248. Wir koͤnnen daher aus der bisher betrachteten Leh- re der Schluͤſſe nur ſo viel veſtſetzen; daß, wenn ein Schluß in behoͤriger Form, und beyde Vorderſaͤtze wahr ſind, ſodann der Schlußſatz auch nothwendig wahr ſeyn muͤſſe. Oder all- gemeiner: Wenn die Vorderſaͤtze wahr ſind, und ſie laſſen ſich nach unſrer Zeichnungsart zeich- nen, ſo giebt dieſe, wenn die Zeichnung rich- tig gemacht wird, jede Schluͤſſe an, die daraus koͤnnen gezogen werden, und dieſe Schluͤſſe ſind ebenfalls wahr. Dieſer letzte Satz iſt allge- meiner, weil unſre Zeichnungsart ſich an die Form und Ordnung der Vorderſaͤtze nicht bindet, ſondern dieſelbe nimmt, wie ſie ſind. §. 249. Da unter dieſen Bedingungen der Schlußſatz wahr iſt, ſo heißt es, derſelbe ſey durch eine Schlußrede bewieſen, oder durch eine Schluß- rede gefunden oder herausgebracht worden. Beydes iſt zwar beyſammen, und der Unterſchied dieſer Ausdruͤcke beruht nur darauf, ob man zu dem Schlußſatze die Vorderſaͤtze geſucht habe, oder ob man durch dieſe auf den Schlußſatz gefuͤhrt worden. Da nun beydes moͤglich iſt, ſo dienen allerdings die Schlußreden ſo wohl zum Beweiſen, als zum Er- finden. Und man kann ſagen, daß letzteres ungleich natuͤrlicher iſt; weil man bey dem Beweiſen bereits wiſſen muß, ob der Schlußſatz wahr ſey; denn waͤre er falſch, ſo wuͤrde man vergebens einen Beweis ſu- chen, weil aus wahren Vorderſaͤtzen durch die behoͤri- ge Form kein falſcher Satz herausgebracht werden kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/176
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/176>, abgerufen am 21.11.2024.