Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Endliche und das Unendliche.
von A eben so auf B schließen kann, wie von B auf C,
von C auf D etc. so ist die Reihe unstreitig, so lange
man von jeder äußern Ursache abstrahirt, vor und
nach unendlich. Uebrigens ist hiebey allerdings mit
anzumerken, daß, wo von wirklichen Veränderun-
gen die Rede ist, in der wirklichen Welt keine Reihe
gefunden werde, wo die Veränderung von Glied zu
Glied durchaus einerley sey, weil die wirkenden Ur-
sachen viel zu sehr durcheinander laufen, als daß die-
ses statt haben könnte. Der einige Fall, wo es an-
zugehen scheint, betrifft nicht die Veränderung, son-
dern schlechthin nur die Fortdauer der Substanzen,
oder des Substantialen an denselben. Diese ist von
Augenblicke zu Augenblicke immer sich selbst gleich,
und man hat daher längst schon den Schluß gemacht,
daß ihr anfangen und aufhören von einer äußern Ur-
sache abhänge, und eben so hat man auch den Schluß
gemacht, daß da diese Abhänglichkeit offenbar nicht
reciprocirlich ist, eine erste und schlechthin für sich
fortdauernde oder subsistirende Ursache seyn müsse.

§. 923.

Es giebt ferner ausser den Reihen, die durch das
Divergiren ihren Anfang verrathen, noch solche, die
wie die Reihe
etc.
deswegen einen Anfang haben, weil die Quadratwur-
zeln negativer Größen, die man allenfalls vor diesen
Anfang setzen wollte, schlechthin und an sich unmög-
lich sind. So z. E. da man nicht zweifeln kann, daß
der gemeinsame Mittelpunct der Schwere aller Welt-
körper in Ruhe sey, kann man ebenfalls setzen, die
Bewegung derselben habe von der bloßen Ruhe ange-
fangen. Dieses ist vermittelst des Gesetzes der all-

gemeinen

Das Endliche und das Unendliche.
von A eben ſo auf B ſchließen kann, wie von B auf C,
von C auf D ꝛc. ſo iſt die Reihe unſtreitig, ſo lange
man von jeder aͤußern Urſache abſtrahirt, vor und
nach unendlich. Uebrigens iſt hiebey allerdings mit
anzumerken, daß, wo von wirklichen Veraͤnderun-
gen die Rede iſt, in der wirklichen Welt keine Reihe
gefunden werde, wo die Veraͤnderung von Glied zu
Glied durchaus einerley ſey, weil die wirkenden Ur-
ſachen viel zu ſehr durcheinander laufen, als daß die-
ſes ſtatt haben koͤnnte. Der einige Fall, wo es an-
zugehen ſcheint, betrifft nicht die Veraͤnderung, ſon-
dern ſchlechthin nur die Fortdauer der Subſtanzen,
oder des Subſtantialen an denſelben. Dieſe iſt von
Augenblicke zu Augenblicke immer ſich ſelbſt gleich,
und man hat daher laͤngſt ſchon den Schluß gemacht,
daß ihr anfangen und aufhoͤren von einer aͤußern Ur-
ſache abhaͤnge, und eben ſo hat man auch den Schluß
gemacht, daß da dieſe Abhaͤnglichkeit offenbar nicht
reciprocirlich iſt, eine erſte und ſchlechthin fuͤr ſich
fortdauernde oder ſubſiſtirende Urſache ſeyn muͤſſe.

§. 923.

Es giebt ferner auſſer den Reihen, die durch das
Divergiren ihren Anfang verrathen, noch ſolche, die
wie die Reihe
ꝛc.
deswegen einen Anfang haben, weil die Quadratwur-
zeln negativer Groͤßen, die man allenfalls vor dieſen
Anfang ſetzen wollte, ſchlechthin und an ſich unmoͤg-
lich ſind. So z. E. da man nicht zweifeln kann, daß
der gemeinſame Mittelpunct der Schwere aller Welt-
koͤrper in Ruhe ſey, kann man ebenfalls ſetzen, die
Bewegung derſelben habe von der bloßen Ruhe ange-
fangen. Dieſes iſt vermittelſt des Geſetzes der all-

gemeinen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0567" n="559"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Endliche und das Unendliche.</hi></fw><lb/>
von <hi rendition="#aq">A</hi> eben &#x017F;o auf <hi rendition="#aq">B</hi> &#x017F;chließen kann, wie von <hi rendition="#aq">B</hi> auf <hi rendition="#aq">C</hi>,<lb/>
von <hi rendition="#aq">C</hi> auf <hi rendition="#aq">D</hi> &#xA75B;c. &#x017F;o i&#x017F;t die Reihe un&#x017F;treitig, &#x017F;o lange<lb/>
man von jeder a&#x0364;ußern Ur&#x017F;ache ab&#x017F;trahirt, vor und<lb/>
nach unendlich. Uebrigens i&#x017F;t hiebey allerdings mit<lb/>
anzumerken, daß, wo von wirklichen Vera&#x0364;nderun-<lb/>
gen die Rede i&#x017F;t, in der wirklichen Welt keine Reihe<lb/>
gefunden werde, wo die Vera&#x0364;nderung von Glied zu<lb/>
Glied <hi rendition="#fr">durchaus einerley</hi> &#x017F;ey, weil die wirkenden Ur-<lb/>
&#x017F;achen viel zu &#x017F;ehr durcheinander laufen, als daß die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;tatt haben ko&#x0364;nnte. Der einige Fall, wo es an-<lb/>
zugehen &#x017F;cheint, betrifft nicht die Vera&#x0364;nderung, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;chlechthin nur die Fortdauer der Sub&#x017F;tanzen,<lb/>
oder des Sub&#x017F;tantialen an den&#x017F;elben. Die&#x017F;e i&#x017F;t von<lb/>
Augenblicke zu Augenblicke immer &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gleich,<lb/>
und man hat daher la&#x0364;ng&#x017F;t &#x017F;chon den Schluß gemacht,<lb/>
daß ihr anfangen und aufho&#x0364;ren von einer a&#x0364;ußern Ur-<lb/>
&#x017F;ache abha&#x0364;nge, und eben &#x017F;o hat man auch den Schluß<lb/>
gemacht, daß da die&#x017F;e Abha&#x0364;nglichkeit offenbar nicht<lb/>
reciprocirlich i&#x017F;t, eine er&#x017F;te und &#x017F;chlechthin fu&#x0364;r &#x017F;ich<lb/>
fortdauernde oder &#x017F;ub&#x017F;i&#x017F;tirende Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 923.</head><lb/>
            <p>Es giebt ferner au&#x017F;&#x017F;er den Reihen, die durch das<lb/>
Divergiren ihren Anfang verrathen, noch &#x017F;olche, die<lb/>
wie die Reihe<lb/><formula notation="TeX"> \sqrt  {1},  \sqrt  {2},  \sqrt  {3},  \sqrt  {4}</formula> &#xA75B;c.<lb/>
deswegen einen Anfang haben, weil die Quadratwur-<lb/>
zeln negativer Gro&#x0364;ßen, die man allenfalls vor die&#x017F;en<lb/>
Anfang &#x017F;etzen wollte, &#x017F;chlechthin und an &#x017F;ich unmo&#x0364;g-<lb/>
lich &#x017F;ind. So z. E. da man nicht zweifeln kann, daß<lb/>
der gemein&#x017F;ame Mittelpunct der Schwere aller Welt-<lb/>
ko&#x0364;rper in Ruhe &#x017F;ey, kann man ebenfalls &#x017F;etzen, die<lb/>
Bewegung der&#x017F;elben habe von der bloßen Ruhe ange-<lb/>
fangen. Die&#x017F;es i&#x017F;t vermittel&#x017F;t des Ge&#x017F;etzes der all-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gemeinen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[559/0567] Das Endliche und das Unendliche. von A eben ſo auf B ſchließen kann, wie von B auf C, von C auf D ꝛc. ſo iſt die Reihe unſtreitig, ſo lange man von jeder aͤußern Urſache abſtrahirt, vor und nach unendlich. Uebrigens iſt hiebey allerdings mit anzumerken, daß, wo von wirklichen Veraͤnderun- gen die Rede iſt, in der wirklichen Welt keine Reihe gefunden werde, wo die Veraͤnderung von Glied zu Glied durchaus einerley ſey, weil die wirkenden Ur- ſachen viel zu ſehr durcheinander laufen, als daß die- ſes ſtatt haben koͤnnte. Der einige Fall, wo es an- zugehen ſcheint, betrifft nicht die Veraͤnderung, ſon- dern ſchlechthin nur die Fortdauer der Subſtanzen, oder des Subſtantialen an denſelben. Dieſe iſt von Augenblicke zu Augenblicke immer ſich ſelbſt gleich, und man hat daher laͤngſt ſchon den Schluß gemacht, daß ihr anfangen und aufhoͤren von einer aͤußern Ur- ſache abhaͤnge, und eben ſo hat man auch den Schluß gemacht, daß da dieſe Abhaͤnglichkeit offenbar nicht reciprocirlich iſt, eine erſte und ſchlechthin fuͤr ſich fortdauernde oder ſubſiſtirende Urſache ſeyn muͤſſe. §. 923. Es giebt ferner auſſer den Reihen, die durch das Divergiren ihren Anfang verrathen, noch ſolche, die wie die Reihe [FORMEL] ꝛc. deswegen einen Anfang haben, weil die Quadratwur- zeln negativer Groͤßen, die man allenfalls vor dieſen Anfang ſetzen wollte, ſchlechthin und an ſich unmoͤg- lich ſind. So z. E. da man nicht zweifeln kann, daß der gemeinſame Mittelpunct der Schwere aller Welt- koͤrper in Ruhe ſey, kann man ebenfalls ſetzen, die Bewegung derſelben habe von der bloßen Ruhe ange- fangen. Dieſes iſt vermittelſt des Geſetzes der all- gemeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/567
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/567>, abgerufen am 21.11.2024.