Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

XXII. Hauptstück.
Schwierigkeiten, die man dabey findet, in Ansehung
jeder Dinge zu bestimmen, wie sie ihrer Größe nach
ausgemessen und mit einander verglichen werden kön-
nen, machet, daß es damit eben nicht so geschwinde
zugeht, als man es wünschen könnte. Es ist bisher
auch größtentheils nur in einigen Theilen der Physic
gelungen, und diese Beyspiele haben gelehret, daß
die Kenntniß der Sache viel genauer und umständ-
licher seyn müsse, wenn man dadurch in Stand ge-
setzt seyn solle, Ausmessungen dabey vorzunehmen.
Man hat auf der andern Seite auch beträchtliche
Vortheile dabey gefunden, weil man durch die Kennt-
niß der Größe das zu viel und zu wenig, welches
gemeiniglich alles verderbt, vermeiden, und das, was
man hat, suchet, brauchet etc. nach geometrischer
Schärfe genau bestimmen kann.

§. 681.

Aus diesen und andern solchen Betrachtungen hat
man angefangen, in der menschlichen Erkenntniß
einige Stufen zu unterscheiden, und zwischen der
historischen, philosophischen und mathemati-
schen
Erkenntniß eine Rangordnung feste zu setzen,
(§. 455.). Man kann hierüber nachsehen, was Wolf
in seinen beyden Vernunftlehren, und besonders auch
Bilfinger in einer Dissertation, die eigentlich diese
Untersuchung zum Gegenstande hat, hierüber saget.
An den Namen dieser drey Stufen hat man sich nicht
aufzuhalten. Sie sind in Ermangelung anderer, die
genauer passen könnten, gewählet worden. Die hi-
storische Erkenntniß nimmt die Dinge, wie sie die
Sinnen und Erfahrungen angeben. Die Philosophi-
sche suchet ihren Zusammenhang, Verbindung, Ursa-
chen und Gründe dazu auf. Die Mathematische

aber

XXII. Hauptſtuͤck.
Schwierigkeiten, die man dabey findet, in Anſehung
jeder Dinge zu beſtimmen, wie ſie ihrer Groͤße nach
ausgemeſſen und mit einander verglichen werden koͤn-
nen, machet, daß es damit eben nicht ſo geſchwinde
zugeht, als man es wuͤnſchen koͤnnte. Es iſt bisher
auch groͤßtentheils nur in einigen Theilen der Phyſic
gelungen, und dieſe Beyſpiele haben gelehret, daß
die Kenntniß der Sache viel genauer und umſtaͤnd-
licher ſeyn muͤſſe, wenn man dadurch in Stand ge-
ſetzt ſeyn ſolle, Ausmeſſungen dabey vorzunehmen.
Man hat auf der andern Seite auch betraͤchtliche
Vortheile dabey gefunden, weil man durch die Kennt-
niß der Groͤße das zu viel und zu wenig, welches
gemeiniglich alles verderbt, vermeiden, und das, was
man hat, ſuchet, brauchet ꝛc. nach geometriſcher
Schaͤrfe genau beſtimmen kann.

§. 681.

Aus dieſen und andern ſolchen Betrachtungen hat
man angefangen, in der menſchlichen Erkenntniß
einige Stufen zu unterſcheiden, und zwiſchen der
hiſtoriſchen, philoſophiſchen und mathemati-
ſchen
Erkenntniß eine Rangordnung feſte zu ſetzen,
(§. 455.). Man kann hieruͤber nachſehen, was Wolf
in ſeinen beyden Vernunftlehren, und beſonders auch
Bilfinger in einer Diſſertation, die eigentlich dieſe
Unterſuchung zum Gegenſtande hat, hieruͤber ſaget.
An den Namen dieſer drey Stufen hat man ſich nicht
aufzuhalten. Sie ſind in Ermangelung anderer, die
genauer paſſen koͤnnten, gewaͤhlet worden. Die hi-
ſtoriſche Erkenntniß nimmt die Dinge, wie ſie die
Sinnen und Erfahrungen angeben. Die Philoſophi-
ſche ſuchet ihren Zuſammenhang, Verbindung, Urſa-
chen und Gruͤnde dazu auf. Die Mathematiſche

aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0310" n="302"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
Schwierigkeiten, die man dabey findet, in An&#x017F;ehung<lb/>
jeder Dinge zu be&#x017F;timmen, wie &#x017F;ie ihrer Gro&#x0364;ße nach<lb/>
ausgeme&#x017F;&#x017F;en und mit einander verglichen werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen, machet, daß es damit eben nicht &#x017F;o ge&#x017F;chwinde<lb/>
zugeht, als man es wu&#x0364;n&#x017F;chen ko&#x0364;nnte. Es i&#x017F;t bisher<lb/>
auch gro&#x0364;ßtentheils nur in einigen Theilen der Phy&#x017F;ic<lb/>
gelungen, und die&#x017F;e Bey&#x017F;piele haben gelehret, daß<lb/>
die Kenntniß der Sache viel genauer und um&#x017F;ta&#x0364;nd-<lb/>
licher &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wenn man dadurch in Stand ge-<lb/>
&#x017F;etzt &#x017F;eyn &#x017F;olle, Ausme&#x017F;&#x017F;ungen dabey vorzunehmen.<lb/>
Man hat auf der andern Seite auch betra&#x0364;chtliche<lb/>
Vortheile dabey gefunden, weil man durch die Kennt-<lb/>
niß der Gro&#x0364;ße das <hi rendition="#fr">zu viel und zu wenig,</hi> welches<lb/>
gemeiniglich alles verderbt, vermeiden, und das, was<lb/>
man hat, &#x017F;uchet, brauchet &#xA75B;c. nach geometri&#x017F;cher<lb/>
Scha&#x0364;rfe genau be&#x017F;timmen kann.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 681.</head><lb/>
            <p>Aus die&#x017F;en und andern &#x017F;olchen Betrachtungen hat<lb/>
man angefangen, in der men&#x017F;chlichen Erkenntniß<lb/>
einige Stufen zu unter&#x017F;cheiden, und zwi&#x017F;chen der<lb/><hi rendition="#fr">hi&#x017F;tori&#x017F;chen, philo&#x017F;ophi&#x017F;chen</hi> und <hi rendition="#fr">mathemati-<lb/>
&#x017F;chen</hi> Erkenntniß eine Rangordnung fe&#x017F;te zu &#x017F;etzen,<lb/>
(§. 455.). Man kann hieru&#x0364;ber nach&#x017F;ehen, was <hi rendition="#fr">Wolf</hi><lb/>
in &#x017F;einen beyden Vernunftlehren, und be&#x017F;onders auch<lb/><hi rendition="#fr">Bilfinger</hi> in einer Di&#x017F;&#x017F;ertation, die eigentlich die&#x017F;e<lb/>
Unter&#x017F;uchung zum Gegen&#x017F;tande hat, hieru&#x0364;ber &#x017F;aget.<lb/>
An den Namen die&#x017F;er drey Stufen hat man &#x017F;ich nicht<lb/>
aufzuhalten. Sie &#x017F;ind in Ermangelung anderer, die<lb/>
genauer pa&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnten, gewa&#x0364;hlet worden. Die hi-<lb/>
&#x017F;tori&#x017F;che Erkenntniß nimmt die Dinge, wie &#x017F;ie die<lb/>
Sinnen und Erfahrungen angeben. Die Philo&#x017F;ophi-<lb/>
&#x017F;che &#x017F;uchet ihren Zu&#x017F;ammenhang, Verbindung, Ur&#x017F;a-<lb/>
chen und Gru&#x0364;nde dazu auf. Die Mathemati&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0310] XXII. Hauptſtuͤck. Schwierigkeiten, die man dabey findet, in Anſehung jeder Dinge zu beſtimmen, wie ſie ihrer Groͤße nach ausgemeſſen und mit einander verglichen werden koͤn- nen, machet, daß es damit eben nicht ſo geſchwinde zugeht, als man es wuͤnſchen koͤnnte. Es iſt bisher auch groͤßtentheils nur in einigen Theilen der Phyſic gelungen, und dieſe Beyſpiele haben gelehret, daß die Kenntniß der Sache viel genauer und umſtaͤnd- licher ſeyn muͤſſe, wenn man dadurch in Stand ge- ſetzt ſeyn ſolle, Ausmeſſungen dabey vorzunehmen. Man hat auf der andern Seite auch betraͤchtliche Vortheile dabey gefunden, weil man durch die Kennt- niß der Groͤße das zu viel und zu wenig, welches gemeiniglich alles verderbt, vermeiden, und das, was man hat, ſuchet, brauchet ꝛc. nach geometriſcher Schaͤrfe genau beſtimmen kann. §. 681. Aus dieſen und andern ſolchen Betrachtungen hat man angefangen, in der menſchlichen Erkenntniß einige Stufen zu unterſcheiden, und zwiſchen der hiſtoriſchen, philoſophiſchen und mathemati- ſchen Erkenntniß eine Rangordnung feſte zu ſetzen, (§. 455.). Man kann hieruͤber nachſehen, was Wolf in ſeinen beyden Vernunftlehren, und beſonders auch Bilfinger in einer Diſſertation, die eigentlich dieſe Unterſuchung zum Gegenſtande hat, hieruͤber ſaget. An den Namen dieſer drey Stufen hat man ſich nicht aufzuhalten. Sie ſind in Ermangelung anderer, die genauer paſſen koͤnnten, gewaͤhlet worden. Die hi- ſtoriſche Erkenntniß nimmt die Dinge, wie ſie die Sinnen und Erfahrungen angeben. Die Philoſophi- ſche ſuchet ihren Zuſammenhang, Verbindung, Urſa- chen und Gruͤnde dazu auf. Die Mathematiſche aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/310
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/310>, abgerufen am 30.12.2024.