andern, den sie früher gehabt hat, es mag nun viel oder wenig früher gewesen seyn. Dieses hat beson- ders statt, wo sich die Wirkung etwas langsamer fortpflanzet, und sich nur nach und nach aufhäufet. So z. E. wird ein Thermometer, welches eine klei- nere Kugel hat, von Morgen bis Nachmittag höher, und nachgehends tiefer stehen, als ein anderes, des- sen Kugel größer ist, und dieses letztere wird den höchsten Grad, zu welchem jenes gestiegen, nicht ganz erreichen, und aus gleichem Grunde bis auf den folgenden Morgen nicht so tief fallen, als das erstere, wenn auch beyde übrigens durchaus in einer- ley Luft, Ort und Umständen sind. Auf eine ähn- liche Art hat das Wasser den Grad der Kälte zum Frieren eine Zeitlang ehe es gefriert, so wie es auch hinwiederum, ehe es schmelzt, den Grad der Wärme dazu früher und stärker, als beym Ein- frieren haben muß.
§. 677.
Endlich läßt sich überhaupt der Schein als ein Zei- chen von etwas darunter liegendem Realen ansehen, es mag nun dieses Reale das seyn, was der Schein an sich betrachtet anzeiget, oder statt dessen etwas an- deres, dem der Schein nur zum Blendwerke dienet. Da ich diese Materie in der Phänomenologie beson- ders abgehandelt, so werde ich sie hier ganz überge- hen, und nur anmerken, daß, da die natürlichen Zeichen in die Sinne fallen sollen (§. 651.), eigentlich auch nur der sinnliche Schein (Phäno- menolog. Cap. 3.) vornehmlich Stoff giebt, wel- cher auf eine nähere Art mit den Zeichen verglichen werden kann.
§. 678.
Zeichen und Bedeutungen.
andern, den ſie fruͤher gehabt hat, es mag nun viel oder wenig fruͤher geweſen ſeyn. Dieſes hat beſon- ders ſtatt, wo ſich die Wirkung etwas langſamer fortpflanzet, und ſich nur nach und nach aufhaͤufet. So z. E. wird ein Thermometer, welches eine klei- nere Kugel hat, von Morgen bis Nachmittag hoͤher, und nachgehends tiefer ſtehen, als ein anderes, deſ- ſen Kugel groͤßer iſt, und dieſes letztere wird den hoͤchſten Grad, zu welchem jenes geſtiegen, nicht ganz erreichen, und aus gleichem Grunde bis auf den folgenden Morgen nicht ſo tief fallen, als das erſtere, wenn auch beyde uͤbrigens durchaus in einer- ley Luft, Ort und Umſtaͤnden ſind. Auf eine aͤhn- liche Art hat das Waſſer den Grad der Kaͤlte zum Frieren eine Zeitlang ehe es gefriert, ſo wie es auch hinwiederum, ehe es ſchmelzt, den Grad der Waͤrme dazu fruͤher und ſtaͤrker, als beym Ein- frieren haben muß.
§. 677.
Endlich laͤßt ſich uͤberhaupt der Schein als ein Zei- chen von etwas darunter liegendem Realen anſehen, es mag nun dieſes Reale das ſeyn, was der Schein an ſich betrachtet anzeiget, oder ſtatt deſſen etwas an- deres, dem der Schein nur zum Blendwerke dienet. Da ich dieſe Materie in der Phaͤnomenologie beſon- ders abgehandelt, ſo werde ich ſie hier ganz uͤberge- hen, und nur anmerken, daß, da die natuͤrlichen Zeichen in die Sinne fallen ſollen (§. 651.), eigentlich auch nur der ſinnliche Schein (Phaͤno- menolog. Cap. 3.) vornehmlich Stoff giebt, wel- cher auf eine naͤhere Art mit den Zeichen verglichen werden kann.
§. 678.
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Zeichen und Bedeutungen.
andern, den ſie fruͤher gehabt hat, es mag nun viel
oder wenig fruͤher geweſen ſeyn. Dieſes hat beſon-
ders ſtatt, wo ſich die Wirkung etwas langſamer
fortpflanzet, und ſich nur nach und nach aufhaͤufet.
So z. E. wird ein Thermometer, welches eine klei-
nere Kugel hat, von Morgen bis Nachmittag hoͤher,
und nachgehends tiefer ſtehen, als ein anderes, deſ-
ſen Kugel groͤßer iſt, und dieſes letztere wird den
hoͤchſten Grad, zu welchem jenes geſtiegen, nicht
ganz erreichen, und aus gleichem Grunde bis auf
den folgenden Morgen nicht ſo tief fallen, als das
erſtere, wenn auch beyde uͤbrigens durchaus in einer-
ley Luft, Ort und Umſtaͤnden ſind. Auf eine aͤhn-
liche Art hat das Waſſer den Grad der Kaͤlte zum
Frieren eine Zeitlang ehe es gefriert, ſo wie es
auch hinwiederum, ehe es ſchmelzt, den Grad der
Waͤrme dazu fruͤher und ſtaͤrker, als beym Ein-
frieren haben muß.
§. 677.
Endlich laͤßt ſich uͤberhaupt der Schein als ein Zei-
chen von etwas darunter liegendem Realen anſehen,
es mag nun dieſes Reale das ſeyn, was der Schein
an ſich betrachtet anzeiget, oder ſtatt deſſen etwas an-
deres, dem der Schein nur zum Blendwerke dienet.
Da ich dieſe Materie in der Phaͤnomenologie beſon-
ders abgehandelt, ſo werde ich ſie hier ganz uͤberge-
hen, und nur anmerken, daß, da die natuͤrlichen
Zeichen in die Sinne fallen ſollen (§. 651.),
eigentlich auch nur der ſinnliche Schein (Phaͤno-
menolog. Cap. 3.) vornehmlich Stoff giebt, wel-
cher auf eine naͤhere Art mit den Zeichen verglichen
werden kann.
§. 678.
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/307>, abgerufen am 21.02.2025.
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