noch zu viel Feuchtigkeit auf dem Lande ist, so dienen sie gleichsam nur zur Erzeugung neuer Wolken, und dieses wechselt so ab, bis sich die zu viele Feuchtig- keit durch den ordentlichen Lauf der Flüsse in das Meer gezogen. Nähert sich aber die Sache dem Beharrungsstande immer langsamer und gleichsam asymtotenweise, so hat es auch ordentlich dabey sein Bewenden, daferne nicht neue Ursachen hinzukom- men, und den Gang der Sache ändern. Auf diese Art z. E. kömmt man nach ausgestandenen langen Krankheiten am dauerhaftesten wiederum zu Kräften. Wer hingegen, und auch bey gesunden Tagen, mit einem Male, oder gleichsam zusehens fett und stark wird, hat sich gewöhnlich darauf nicht viel zu gute zu halten, weil es aus Ursachen geschieht, die dem ordentlichen Laufe der Natur nicht gemäß sind, und die etwas aufhäufen, das zur Krankheit bald reif wird. So wird ein Funke vor dem Erlöschen glän- zender, und so kömmt auch im Moralischen, Hoch- muth vor dem Falle, und Sorglosigkeit vor dem Fehler.
§. 668.
Bey denen Ganzen, deren Theile zugleich sind (§. 663.), kann ebenfalls ein Theil ein Zeichen eines andern, oder auch ein Zeichen des Ganzen seyn, wenn dieses nicht an sich schon in die Sinnen fällt. Wir müssen aber hierüber die Anmerkung machen, daß es so zu reden, Ganze in Ganzen giebt, und daß folglich ein Ganzes, in welchem ein anderes ist, gar wohl in die Sinnen fallen kann, ohne daß deswegen dieses letztere Ganze zugleich mit und durchaus in die Sinnen falle. So z. E. machet in dem Menschen eine innerliche Krankheit an sich ein Ganzes aus,
welche
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Zeichen und Bedeutungen.
noch zu viel Feuchtigkeit auf dem Lande iſt, ſo dienen ſie gleichſam nur zur Erzeugung neuer Wolken, und dieſes wechſelt ſo ab, bis ſich die zu viele Feuchtig- keit durch den ordentlichen Lauf der Fluͤſſe in das Meer gezogen. Naͤhert ſich aber die Sache dem Beharrungsſtande immer langſamer und gleichſam aſymtotenweiſe, ſo hat es auch ordentlich dabey ſein Bewenden, daferne nicht neue Urſachen hinzukom- men, und den Gang der Sache aͤndern. Auf dieſe Art z. E. koͤmmt man nach ausgeſtandenen langen Krankheiten am dauerhafteſten wiederum zu Kraͤften. Wer hingegen, und auch bey geſunden Tagen, mit einem Male, oder gleichſam zuſehens fett und ſtark wird, hat ſich gewoͤhnlich darauf nicht viel zu gute zu halten, weil es aus Urſachen geſchieht, die dem ordentlichen Laufe der Natur nicht gemaͤß ſind, und die etwas aufhaͤufen, das zur Krankheit bald reif wird. So wird ein Funke vor dem Erloͤſchen glaͤn- zender, und ſo koͤmmt auch im Moraliſchen, Hoch- muth vor dem Falle, und Sorgloſigkeit vor dem Fehler.
§. 668.
Bey denen Ganzen, deren Theile zugleich ſind (§. 663.), kann ebenfalls ein Theil ein Zeichen eines andern, oder auch ein Zeichen des Ganzen ſeyn, wenn dieſes nicht an ſich ſchon in die Sinnen faͤllt. Wir muͤſſen aber hieruͤber die Anmerkung machen, daß es ſo zu reden, Ganze in Ganzen giebt, und daß folglich ein Ganzes, in welchem ein anderes iſt, gar wohl in die Sinnen fallen kann, ohne daß deswegen dieſes letztere Ganze zugleich mit und durchaus in die Sinnen falle. So z. E. machet in dem Menſchen eine innerliche Krankheit an ſich ein Ganzes aus,
welche
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Zeichen und Bedeutungen.
noch zu viel Feuchtigkeit auf dem Lande iſt, ſo dienen
ſie gleichſam nur zur Erzeugung neuer Wolken, und
dieſes wechſelt ſo ab, bis ſich die zu viele Feuchtig-
keit durch den ordentlichen Lauf der Fluͤſſe in das
Meer gezogen. Naͤhert ſich aber die Sache dem
Beharrungsſtande immer langſamer und gleichſam
aſymtotenweiſe, ſo hat es auch ordentlich dabey ſein
Bewenden, daferne nicht neue Urſachen hinzukom-
men, und den Gang der Sache aͤndern. Auf dieſe
Art z. E. koͤmmt man nach ausgeſtandenen langen
Krankheiten am dauerhafteſten wiederum zu Kraͤften.
Wer hingegen, und auch bey geſunden Tagen, mit
einem Male, oder gleichſam zuſehens fett und ſtark
wird, hat ſich gewoͤhnlich darauf nicht viel zu gute
zu halten, weil es aus Urſachen geſchieht, die dem
ordentlichen Laufe der Natur nicht gemaͤß ſind, und
die etwas aufhaͤufen, das zur Krankheit bald reif
wird. So wird ein Funke vor dem Erloͤſchen glaͤn-
zender, und ſo koͤmmt auch im Moraliſchen, Hoch-
muth vor dem Falle, und Sorgloſigkeit vor dem
Fehler.
§. 668.
Bey denen Ganzen, deren Theile zugleich ſind
(§. 663.), kann ebenfalls ein Theil ein Zeichen eines
andern, oder auch ein Zeichen des Ganzen ſeyn, wenn
dieſes nicht an ſich ſchon in die Sinnen faͤllt. Wir
muͤſſen aber hieruͤber die Anmerkung machen, daß
es ſo zu reden, Ganze in Ganzen giebt, und daß
folglich ein Ganzes, in welchem ein anderes iſt, gar
wohl in die Sinnen fallen kann, ohne daß deswegen
dieſes letztere Ganze zugleich mit und durchaus in die
Sinnen falle. So z. E. machet in dem Menſchen
eine innerliche Krankheit an ſich ein Ganzes aus,
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/301>, abgerufen am 22.02.2025.
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