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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Zeichen und Bedeutungen.
bey dieser Verwirrung Aberglaube vorkömmt, des-
sen wesentlichster Theil auf Zeichen und Bedeutun-
gen beruht.

§. 654.

Da die Haupterforderniß der Zeichen darauf an-
kömmt, daß ihre Bedeutung richtig und allgemein
sey, oder daß, wo das Zeichen vorkömmt, auch die
bedeutete Sache ebenfalls vorgekommen sey, oder mit
vorkomme oder vorkommen werde (§. 650.), so ist
es, an sich betrachtet, gleich viel, ob man sich hievon
durch die Erfahrung, oder mit Zuziehung einer Theo-
rie versichere, und wenn letztere mit unbewiesenen
Hypothesen vermenget ist, so ist die Erfahrung un-
streitig besser. Die Arzneygelehrtheit befindet sich in
Absicht auf die meisten Symptomata der Krankheiten
in diesem Falle. Die Symptomata sollen die innere
Natur der Krankheit, diese, die innere Natur der
Mittel, und diese, die Namen der Medicinen an-
geben. Und so wäre es allerdings der wissenschaftli-
chen Methode gemäß. Die Erfahrung aber giebt
nur an, welche Mittel bey jeden Arten von Sympto-
men gute Dienste gethan haben. Und dieses erkläret
gewissermaßen, warum Arzneygelehrte, die verschie-
dene und öfters ganz entgegengesetzte Theorien haben,
dessen unerachtet bey einerley Symptomen einerley
Arzneyen vorschreiben.

§. 655.

Der Weg, den die Erfahrung angiebt, zu schlies-
sen, daß eine Sache als ein Zeichen einer andern
angesehen werden könne, ist etwas weitläuftig. Denn
um sich dadurch zu versichern, daß das Zeichen nie
triege, muß die Erfahrung sehr ofte wiederholet wer-

den,
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Zeichen und Bedeutungen.
bey dieſer Verwirrung Aberglaube vorkoͤmmt, deſ-
ſen weſentlichſter Theil auf Zeichen und Bedeutun-
gen beruht.

§. 654.

Da die Haupterforderniß der Zeichen darauf an-
koͤmmt, daß ihre Bedeutung richtig und allgemein
ſey, oder daß, wo das Zeichen vorkoͤmmt, auch die
bedeutete Sache ebenfalls vorgekommen ſey, oder mit
vorkomme oder vorkommen werde (§. 650.), ſo iſt
es, an ſich betrachtet, gleich viel, ob man ſich hievon
durch die Erfahrung, oder mit Zuziehung einer Theo-
rie verſichere, und wenn letztere mit unbewieſenen
Hypotheſen vermenget iſt, ſo iſt die Erfahrung un-
ſtreitig beſſer. Die Arzneygelehrtheit befindet ſich in
Abſicht auf die meiſten Symptomata der Krankheiten
in dieſem Falle. Die Symptomata ſollen die innere
Natur der Krankheit, dieſe, die innere Natur der
Mittel, und dieſe, die Namen der Medicinen an-
geben. Und ſo waͤre es allerdings der wiſſenſchaftli-
chen Methode gemaͤß. Die Erfahrung aber giebt
nur an, welche Mittel bey jeden Arten von Sympto-
men gute Dienſte gethan haben. Und dieſes erklaͤret
gewiſſermaßen, warum Arzneygelehrte, die verſchie-
dene und oͤfters ganz entgegengeſetzte Theorien haben,
deſſen unerachtet bey einerley Symptomen einerley
Arzneyen vorſchreiben.

§. 655.

Der Weg, den die Erfahrung angiebt, zu ſchlieſ-
ſen, daß eine Sache als ein Zeichen einer andern
angeſehen werden koͤnne, iſt etwas weitlaͤuftig. Denn
um ſich dadurch zu verſichern, daß das Zeichen nie
triege, muß die Erfahrung ſehr ofte wiederholet wer-

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[281/0289] Zeichen und Bedeutungen. bey dieſer Verwirrung Aberglaube vorkoͤmmt, deſ- ſen weſentlichſter Theil auf Zeichen und Bedeutun- gen beruht. §. 654. Da die Haupterforderniß der Zeichen darauf an- koͤmmt, daß ihre Bedeutung richtig und allgemein ſey, oder daß, wo das Zeichen vorkoͤmmt, auch die bedeutete Sache ebenfalls vorgekommen ſey, oder mit vorkomme oder vorkommen werde (§. 650.), ſo iſt es, an ſich betrachtet, gleich viel, ob man ſich hievon durch die Erfahrung, oder mit Zuziehung einer Theo- rie verſichere, und wenn letztere mit unbewieſenen Hypotheſen vermenget iſt, ſo iſt die Erfahrung un- ſtreitig beſſer. Die Arzneygelehrtheit befindet ſich in Abſicht auf die meiſten Symptomata der Krankheiten in dieſem Falle. Die Symptomata ſollen die innere Natur der Krankheit, dieſe, die innere Natur der Mittel, und dieſe, die Namen der Medicinen an- geben. Und ſo waͤre es allerdings der wiſſenſchaftli- chen Methode gemaͤß. Die Erfahrung aber giebt nur an, welche Mittel bey jeden Arten von Sympto- men gute Dienſte gethan haben. Und dieſes erklaͤret gewiſſermaßen, warum Arzneygelehrte, die verſchie- dene und oͤfters ganz entgegengeſetzte Theorien haben, deſſen unerachtet bey einerley Symptomen einerley Arzneyen vorſchreiben. §. 655. Der Weg, den die Erfahrung angiebt, zu ſchlieſ- ſen, daß eine Sache als ein Zeichen einer andern angeſehen werden koͤnne, iſt etwas weitlaͤuftig. Denn um ſich dadurch zu verſichern, daß das Zeichen nie triege, muß die Erfahrung ſehr ofte wiederholet wer- den, S 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/289>, abgerufen am 21.11.2024.