Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Zusatz zum neunzehnten Hauptstücke.
stande nach Metamorphoses, so fern mozphe so viel
als Form bedeutet. Oft muß auch eine Materie
durch mehrere Formen gehen, ehe sie die verlangte
Form erhält. Es lassen sich daher bey den Formen
Stufen gedenken, und zwar um desto nothwendiger,
weil die Verwandlungen nicht sprungsweise geschehen.

XXII.

Hinwiederum läßt auch die Form die Materie
mehr oder minder unbestimmt.
Dieser Satz
muß näher beleuchtet werden. Jch habe bereits oben
schon angemerket, daß wir gewöhnlich nur das All-
gemeine der Form kennen. Es kömmt demnach auf
den Grad der Allgemeinheit an. Der Begriff der
Form kann in besondern Fällen so sehr bestimmt seyn,
daß er eine ganz besondere Materie voraussetzet, so
daß in Ansehung der Materie wenig oder keine Aus-
wahl bleibt. Jn den meisten Fällen aber fordert
die Form nur, daß die Materie gewisse zu der Form
nothwendige Eigenschaften habe, das will sagen, der
Form fähig sey. Die Form schleußt aber allemal
auch viele Materien aus, so wie hinwiederum jede
Materie viele Formen ausschleußt. Man sieht leicht,
daß hiebey eine wechselseitige Vergleichung der Ma-
terien und der Formen ankömmt, die, wenn sie in
Ordnung gebracht und vollständig gemacht werden
könnte, in allen Künsten und Wissenschaften von
großer Wichtigkeit seyn würde. Seit der Erneue-
rung der Wissenschaften und besonders seit der Ein-
führung der Experimentalphysic, wohin auch die Ver-
suche der Künstler und der noch immer mehr zu läu-
ternden Chymie gerechnet werden können, ist hiezu
bereits schon viel Stoff gesammelt worden.

XXIII. Jn-
Q 4

Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke.
ſtande nach Metamorphoſes, ſo fern μοζφή ſo viel
als Form bedeutet. Oft muß auch eine Materie
durch mehrere Formen gehen, ehe ſie die verlangte
Form erhaͤlt. Es laſſen ſich daher bey den Formen
Stufen gedenken, und zwar um deſto nothwendiger,
weil die Verwandlungen nicht ſprungsweiſe geſchehen.

XXII.

Hinwiederum laͤßt auch die Form die Materie
mehr oder minder unbeſtimmt.
Dieſer Satz
muß naͤher beleuchtet werden. Jch habe bereits oben
ſchon angemerket, daß wir gewoͤhnlich nur das All-
gemeine der Form kennen. Es koͤmmt demnach auf
den Grad der Allgemeinheit an. Der Begriff der
Form kann in beſondern Faͤllen ſo ſehr beſtimmt ſeyn,
daß er eine ganz beſondere Materie vorausſetzet, ſo
daß in Anſehung der Materie wenig oder keine Aus-
wahl bleibt. Jn den meiſten Faͤllen aber fordert
die Form nur, daß die Materie gewiſſe zu der Form
nothwendige Eigenſchaften habe, das will ſagen, der
Form faͤhig ſey. Die Form ſchleußt aber allemal
auch viele Materien aus, ſo wie hinwiederum jede
Materie viele Formen ausſchleußt. Man ſieht leicht,
daß hiebey eine wechſelſeitige Vergleichung der Ma-
terien und der Formen ankoͤmmt, die, wenn ſie in
Ordnung gebracht und vollſtaͤndig gemacht werden
koͤnnte, in allen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften von
großer Wichtigkeit ſeyn wuͤrde. Seit der Erneue-
rung der Wiſſenſchaften und beſonders ſeit der Ein-
fuͤhrung der Experimentalphyſic, wohin auch die Ver-
ſuche der Kuͤnſtler und der noch immer mehr zu laͤu-
ternden Chymie gerechnet werden koͤnnen, iſt hiezu
bereits ſchon viel Stoff geſammelt worden.

XXIII. Jn-
Q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0255" n="247"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zu&#x017F;atz zum neunzehnten Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tande nach <hi rendition="#aq">Metamorpho&#x017F;es,</hi> &#x017F;o fern <foreign xml:lang="el">&#x03BC;&#x03BF;&#x03B6;&#x03C6;&#x03AE;</foreign> &#x017F;o viel<lb/>
als <hi rendition="#fr">Form</hi> bedeutet. Oft muß auch eine Materie<lb/>
durch mehrere Formen gehen, ehe &#x017F;ie die verlangte<lb/>
Form erha&#x0364;lt. Es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich daher bey den <hi rendition="#fr">Formen</hi><lb/>
Stufen gedenken, und zwar um de&#x017F;to nothwendiger,<lb/>
weil die Verwandlungen nicht &#x017F;prungswei&#x017F;e ge&#x017F;chehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">XXII.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Hinwiederum la&#x0364;ßt auch die Form die Materie<lb/>
mehr oder minder unbe&#x017F;timmt.</hi> Die&#x017F;er Satz<lb/>
muß na&#x0364;her beleuchtet werden. Jch habe bereits oben<lb/>
&#x017F;chon angemerket, daß wir gewo&#x0364;hnlich nur das All-<lb/>
gemeine der Form kennen. Es ko&#x0364;mmt demnach auf<lb/>
den Grad der Allgemeinheit an. Der Begriff der<lb/>
Form kann in be&#x017F;ondern Fa&#x0364;llen &#x017F;o &#x017F;ehr be&#x017F;timmt &#x017F;eyn,<lb/>
daß er eine ganz be&#x017F;ondere Materie voraus&#x017F;etzet, &#x017F;o<lb/>
daß in An&#x017F;ehung der Materie wenig oder keine Aus-<lb/>
wahl bleibt. Jn den mei&#x017F;ten Fa&#x0364;llen aber fordert<lb/>
die Form nur, daß die Materie gewi&#x017F;&#x017F;e zu der Form<lb/>
nothwendige Eigen&#x017F;chaften habe, das will &#x017F;agen, der<lb/>
Form fa&#x0364;hig &#x017F;ey. Die Form &#x017F;chleußt aber allemal<lb/>
auch viele Materien aus, &#x017F;o wie hinwiederum jede<lb/>
Materie viele Formen aus&#x017F;chleußt. Man &#x017F;ieht leicht,<lb/>
daß hiebey eine wech&#x017F;el&#x017F;eitige Vergleichung der Ma-<lb/>
terien und der Formen anko&#x0364;mmt, die, wenn &#x017F;ie in<lb/>
Ordnung gebracht und voll&#x017F;ta&#x0364;ndig gemacht werden<lb/>
ko&#x0364;nnte, in allen Ku&#x0364;n&#x017F;ten und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften von<lb/>
großer Wichtigkeit &#x017F;eyn wu&#x0364;rde. Seit der Erneue-<lb/>
rung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und be&#x017F;onders &#x017F;eit der Ein-<lb/>
fu&#x0364;hrung der Experimentalphy&#x017F;ic, wohin auch die Ver-<lb/>
&#x017F;uche der Ku&#x0364;n&#x017F;tler und der noch immer mehr zu la&#x0364;u-<lb/>
ternden Chymie gerechnet werden ko&#x0364;nnen, i&#x017F;t hiezu<lb/>
bereits &#x017F;chon viel Stoff ge&#x017F;ammelt worden.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Q 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">XXIII.</hi> Jn-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0255] Zuſatz zum neunzehnten Hauptſtuͤcke. ſtande nach Metamorphoſes, ſo fern μοζφή ſo viel als Form bedeutet. Oft muß auch eine Materie durch mehrere Formen gehen, ehe ſie die verlangte Form erhaͤlt. Es laſſen ſich daher bey den Formen Stufen gedenken, und zwar um deſto nothwendiger, weil die Verwandlungen nicht ſprungsweiſe geſchehen. XXII. Hinwiederum laͤßt auch die Form die Materie mehr oder minder unbeſtimmt. Dieſer Satz muß naͤher beleuchtet werden. Jch habe bereits oben ſchon angemerket, daß wir gewoͤhnlich nur das All- gemeine der Form kennen. Es koͤmmt demnach auf den Grad der Allgemeinheit an. Der Begriff der Form kann in beſondern Faͤllen ſo ſehr beſtimmt ſeyn, daß er eine ganz beſondere Materie vorausſetzet, ſo daß in Anſehung der Materie wenig oder keine Aus- wahl bleibt. Jn den meiſten Faͤllen aber fordert die Form nur, daß die Materie gewiſſe zu der Form nothwendige Eigenſchaften habe, das will ſagen, der Form faͤhig ſey. Die Form ſchleußt aber allemal auch viele Materien aus, ſo wie hinwiederum jede Materie viele Formen ausſchleußt. Man ſieht leicht, daß hiebey eine wechſelſeitige Vergleichung der Ma- terien und der Formen ankoͤmmt, die, wenn ſie in Ordnung gebracht und vollſtaͤndig gemacht werden koͤnnte, in allen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften von großer Wichtigkeit ſeyn wuͤrde. Seit der Erneue- rung der Wiſſenſchaften und beſonders ſeit der Ein- fuͤhrung der Experimentalphyſic, wohin auch die Ver- ſuche der Kuͤnſtler und der noch immer mehr zu laͤu- ternden Chymie gerechnet werden koͤnnen, iſt hiezu bereits ſchon viel Stoff geſammelt worden. XXIII. Jn- Q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/255
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/255>, abgerufen am 30.12.2024.