Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

XV. Hauptstück.
Nun haben wir vorhin (§. 487.) gesehen, daß man
bald die ganze Sache, bald den Theil, worinn über-
haupt der Grund liegt, den Grund nenne, und da-
durch die Sache mit dem Grunde verwechsele. Die
Redensart: immer näher auf den eigentlichen
Grund kommen,
zeiget, daß man zuweilen an-
fangs nur überhaupt suchet, wo der Grund ist, und
sodann ausschließungsweise, das Bezirk, innert wel-
chem derselbe zu finden ist, immer näher einschränkt,
bis man endlich nichts mehr wegzulassen oder auszu-
schließen findet. So fern nun der Grund in seinen
Folgen sich ausbreitet, kommt man auf diese Art
allerdings zu dem Anfange, Principium, und man
kömmt zur Quelle, fons, wenn immer neue Folgen
daraus entspringen, oder wenn sie fortdauernd sind, oder
wenn ihre Möglichkeiten in das Unendliche gehen etc.

§. 491.

Wir haben nun im Vorhergehenden (§. 469. 473.
484.) gesehen, daß die drey Arten von Gründen des
Wissens, des Könnens und des Wollens einen An-
fang
haben, und diesen Anfang können wir demnach
Principium nennen, so wie man in der Metaphysic
bereits das Principium cognoscendi und das Princi-
pium essendi
und fiendi so benennet hat. Das er-
stere können wir den Anfang des Wissens nennen.
Das andere ist der Anfang des Möglich seyns,
oder des metaphysisch Wahren, (§. 297.). Und
das dritte der Anfang des Wirklich seyns,
(§. 472. 473.). Diese beyden letztern können gewisser-
maßen unterschieden werden. Sie treffen aber ge-
nau zusammen, (§. 299. 304.). Das Principium
volendi
oder den Anfang des Guten hat man allem
Ansehen nach aus der Metaphysic in die Moral ver-

wiesen,

XV. Hauptſtuͤck.
Nun haben wir vorhin (§. 487.) geſehen, daß man
bald die ganze Sache, bald den Theil, worinn uͤber-
haupt der Grund liegt, den Grund nenne, und da-
durch die Sache mit dem Grunde verwechſele. Die
Redensart: immer naͤher auf den eigentlichen
Grund kommen,
zeiget, daß man zuweilen an-
fangs nur uͤberhaupt ſuchet, wo der Grund iſt, und
ſodann ausſchließungsweiſe, das Bezirk, innert wel-
chem derſelbe zu finden iſt, immer naͤher einſchraͤnkt,
bis man endlich nichts mehr wegzulaſſen oder auszu-
ſchließen findet. So fern nun der Grund in ſeinen
Folgen ſich ausbreitet, kommt man auf dieſe Art
allerdings zu dem Anfange, Principium, und man
koͤmmt zur Quelle, fons, wenn immer neue Folgen
daraus entſpringen, oder wenn ſie fortdauernd ſind, oder
wenn ihre Moͤglichkeiten in das Unendliche gehen ꝛc.

§. 491.

Wir haben nun im Vorhergehenden (§. 469. 473.
484.) geſehen, daß die drey Arten von Gruͤnden des
Wiſſens, des Koͤnnens und des Wollens einen An-
fang
haben, und dieſen Anfang koͤnnen wir demnach
Principium nennen, ſo wie man in der Metaphyſic
bereits das Principium cognoſcendi und das Princi-
pium eſſendi
und fiendi ſo benennet hat. Das er-
ſtere koͤnnen wir den Anfang des Wiſſens nennen.
Das andere iſt der Anfang des Moͤglich ſeyns,
oder des metaphyſiſch Wahren, (§. 297.). Und
das dritte der Anfang des Wirklich ſeyns,
(§. 472. 473.). Dieſe beyden letztern koͤnnen gewiſſer-
maßen unterſchieden werden. Sie treffen aber ge-
nau zuſammen, (§. 299. 304.). Das Principium
volendi
oder den Anfang des Guten hat man allem
Anſehen nach aus der Metaphyſic in die Moral ver-

wieſen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0116" n="108"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
Nun haben wir vorhin (§. 487.) ge&#x017F;ehen, daß man<lb/>
bald die ganze Sache, bald den Theil, worinn u&#x0364;ber-<lb/>
haupt der Grund liegt, den Grund nenne, und da-<lb/>
durch die Sache mit dem Grunde verwech&#x017F;ele. Die<lb/>
Redensart: <hi rendition="#fr">immer na&#x0364;her auf den eigentlichen<lb/>
Grund kommen,</hi> zeiget, daß man zuweilen an-<lb/>
fangs nur u&#x0364;berhaupt &#x017F;uchet, wo der Grund i&#x017F;t, und<lb/>
&#x017F;odann aus&#x017F;chließungswei&#x017F;e, das Bezirk, innert wel-<lb/>
chem der&#x017F;elbe zu finden i&#x017F;t, immer na&#x0364;her ein&#x017F;chra&#x0364;nkt,<lb/>
bis man endlich nichts mehr wegzula&#x017F;&#x017F;en oder auszu-<lb/>
&#x017F;chließen findet. So fern nun der Grund in &#x017F;einen<lb/>
Folgen &#x017F;ich ausbreitet, kommt man auf die&#x017F;e Art<lb/>
allerdings zu dem <hi rendition="#fr">Anfange,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Principium</hi>,</hi> und man<lb/>
ko&#x0364;mmt zur <hi rendition="#fr">Quelle,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">fons</hi>,</hi> wenn immer neue Folgen<lb/>
daraus ent&#x017F;pringen, oder wenn &#x017F;ie fortdauernd &#x017F;ind, oder<lb/>
wenn ihre Mo&#x0364;glichkeiten in das Unendliche gehen &#xA75B;c.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 491.</head><lb/>
            <p>Wir haben nun im Vorhergehenden (§. 469. 473.<lb/>
484.) ge&#x017F;ehen, daß die drey Arten von Gru&#x0364;nden des<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;ens, des Ko&#x0364;nnens und des Wollens einen <hi rendition="#fr">An-<lb/>
fang</hi> haben, und die&#x017F;en Anfang ko&#x0364;nnen wir demnach<lb/><hi rendition="#aq">Principium</hi> nennen, &#x017F;o wie man in der Metaphy&#x017F;ic<lb/>
bereits das <hi rendition="#aq">Principium cogno&#x017F;cendi</hi> und das <hi rendition="#aq">Princi-<lb/>
pium e&#x017F;&#x017F;endi</hi> und <hi rendition="#aq">fiendi</hi> &#x017F;o benennet hat. Das er-<lb/>
&#x017F;tere ko&#x0364;nnen wir den <hi rendition="#fr">Anfang des Wi&#x017F;&#x017F;ens</hi> nennen.<lb/>
Das andere i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Anfang des Mo&#x0364;glich &#x017F;eyns,</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">des metaphy&#x017F;i&#x017F;ch Wahren,</hi> (§. 297.). Und<lb/>
das dritte der <hi rendition="#fr">Anfang des Wirklich &#x017F;eyns,</hi><lb/>
(§. 472. 473.). Die&#x017F;e beyden letztern ko&#x0364;nnen gewi&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
maßen unter&#x017F;chieden werden. Sie treffen aber ge-<lb/>
nau zu&#x017F;ammen, (§. 299. 304.). Das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Principium<lb/>
volendi</hi></hi> oder den <hi rendition="#fr">Anfang des Guten</hi> hat man allem<lb/>
An&#x017F;ehen nach aus der Metaphy&#x017F;ic in die Moral ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie&#x017F;en,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0116] XV. Hauptſtuͤck. Nun haben wir vorhin (§. 487.) geſehen, daß man bald die ganze Sache, bald den Theil, worinn uͤber- haupt der Grund liegt, den Grund nenne, und da- durch die Sache mit dem Grunde verwechſele. Die Redensart: immer naͤher auf den eigentlichen Grund kommen, zeiget, daß man zuweilen an- fangs nur uͤberhaupt ſuchet, wo der Grund iſt, und ſodann ausſchließungsweiſe, das Bezirk, innert wel- chem derſelbe zu finden iſt, immer naͤher einſchraͤnkt, bis man endlich nichts mehr wegzulaſſen oder auszu- ſchließen findet. So fern nun der Grund in ſeinen Folgen ſich ausbreitet, kommt man auf dieſe Art allerdings zu dem Anfange, Principium, und man koͤmmt zur Quelle, fons, wenn immer neue Folgen daraus entſpringen, oder wenn ſie fortdauernd ſind, oder wenn ihre Moͤglichkeiten in das Unendliche gehen ꝛc. §. 491. Wir haben nun im Vorhergehenden (§. 469. 473. 484.) geſehen, daß die drey Arten von Gruͤnden des Wiſſens, des Koͤnnens und des Wollens einen An- fang haben, und dieſen Anfang koͤnnen wir demnach Principium nennen, ſo wie man in der Metaphyſic bereits das Principium cognoſcendi und das Princi- pium eſſendi und fiendi ſo benennet hat. Das er- ſtere koͤnnen wir den Anfang des Wiſſens nennen. Das andere iſt der Anfang des Moͤglich ſeyns, oder des metaphyſiſch Wahren, (§. 297.). Und das dritte der Anfang des Wirklich ſeyns, (§. 472. 473.). Dieſe beyden letztern koͤnnen gewiſſer- maßen unterſchieden werden. Sie treffen aber ge- nau zuſammen, (§. 299. 304.). Das Principium volendi oder den Anfang des Guten hat man allem Anſehen nach aus der Metaphyſic in die Moral ver- wieſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/116
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/116>, abgerufen am 21.11.2024.