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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Der Zusammenhang.
sein Urtheil aufschieben, bis er es nach den streng-
sten Regeln findet. Jener hingegen muß kürzer ver-
fahren, damit die Rechtsstreitigkeiten zu Ende kom-
men, und jeder wisse, was er habe. Daher glaubet
er den Zeugen, wenn die Gegenpart nichts erhebli-
ches wider deren Aechtheit einzuwenden hat, und
läßt, was etwann dabey zurücke bleibt, durch den
Eid ergänzen. So kurz kann ein Weltweiser nicht
verfahren.

§. 486.

Wenn die Mittel, die man, um ein Gutes zu er-
reichen, wählet und anwendet, ganz unterlassen wür-
den, wenn diese Absicht wegfiele, so sind es auch
schlechthin nur Mittel, und die ganze Anordnung
derselben, so schicklich sie an sich auch seyn mag,
bringt nur eine einfache Vollkommenheit in dieses
System. Diese wird demnach allerdings zusammen-
gesetzt, wenn die Mittel selbst auch Absichten sind,
so daß, wenn man damit auch nicht ganz ausreichen
kann, sie dennoch für sich schon ein Gegenstand des
Willens seyn konnte, und eben so auch, wenn diese
Mittel zugleich zu Erreichung mehrerer Absichten
dienen, die man sodann gleichfalls wiederum als
Mittel gebrauchen kann. Da wir dieses oben schon
bey der Lehre von der Ordnung und Vollkommenheit
betrachtet haben (§. 346. 363. 365. 366. 371.), so hal-
ten wir uns hier nicht länger damit auf.

§. 487.

Die bisher (§. 469. seqq.) angebrachte Unterschei-
dung und Eintheilung der Gründe in Gründe des
Wissens, des Wollens und des Könnens er-
schöpfet die Vieldeutigkeit des Wortes noch nicht,

weil
G 4

Der Zuſammenhang.
ſein Urtheil aufſchieben, bis er es nach den ſtreng-
ſten Regeln findet. Jener hingegen muß kuͤrzer ver-
fahren, damit die Rechtsſtreitigkeiten zu Ende kom-
men, und jeder wiſſe, was er habe. Daher glaubet
er den Zeugen, wenn die Gegenpart nichts erhebli-
ches wider deren Aechtheit einzuwenden hat, und
laͤßt, was etwann dabey zuruͤcke bleibt, durch den
Eid ergaͤnzen. So kurz kann ein Weltweiſer nicht
verfahren.

§. 486.

Wenn die Mittel, die man, um ein Gutes zu er-
reichen, waͤhlet und anwendet, ganz unterlaſſen wuͤr-
den, wenn dieſe Abſicht wegfiele, ſo ſind es auch
ſchlechthin nur Mittel, und die ganze Anordnung
derſelben, ſo ſchicklich ſie an ſich auch ſeyn mag,
bringt nur eine einfache Vollkommenheit in dieſes
Syſtem. Dieſe wird demnach allerdings zuſammen-
geſetzt, wenn die Mittel ſelbſt auch Abſichten ſind,
ſo daß, wenn man damit auch nicht ganz ausreichen
kann, ſie dennoch fuͤr ſich ſchon ein Gegenſtand des
Willens ſeyn konnte, und eben ſo auch, wenn dieſe
Mittel zugleich zu Erreichung mehrerer Abſichten
dienen, die man ſodann gleichfalls wiederum als
Mittel gebrauchen kann. Da wir dieſes oben ſchon
bey der Lehre von der Ordnung und Vollkommenheit
betrachtet haben (§. 346. 363. 365. 366. 371.), ſo hal-
ten wir uns hier nicht laͤnger damit auf.

§. 487.

Die bisher (§. 469. ſeqq.) angebrachte Unterſchei-
dung und Eintheilung der Gruͤnde in Gruͤnde des
Wiſſens, des Wollens und des Koͤnnens er-
ſchoͤpfet die Vieldeutigkeit des Wortes noch nicht,

weil
G 4
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[103/0111] Der Zuſammenhang. ſein Urtheil aufſchieben, bis er es nach den ſtreng- ſten Regeln findet. Jener hingegen muß kuͤrzer ver- fahren, damit die Rechtsſtreitigkeiten zu Ende kom- men, und jeder wiſſe, was er habe. Daher glaubet er den Zeugen, wenn die Gegenpart nichts erhebli- ches wider deren Aechtheit einzuwenden hat, und laͤßt, was etwann dabey zuruͤcke bleibt, durch den Eid ergaͤnzen. So kurz kann ein Weltweiſer nicht verfahren. §. 486. Wenn die Mittel, die man, um ein Gutes zu er- reichen, waͤhlet und anwendet, ganz unterlaſſen wuͤr- den, wenn dieſe Abſicht wegfiele, ſo ſind es auch ſchlechthin nur Mittel, und die ganze Anordnung derſelben, ſo ſchicklich ſie an ſich auch ſeyn mag, bringt nur eine einfache Vollkommenheit in dieſes Syſtem. Dieſe wird demnach allerdings zuſammen- geſetzt, wenn die Mittel ſelbſt auch Abſichten ſind, ſo daß, wenn man damit auch nicht ganz ausreichen kann, ſie dennoch fuͤr ſich ſchon ein Gegenſtand des Willens ſeyn konnte, und eben ſo auch, wenn dieſe Mittel zugleich zu Erreichung mehrerer Abſichten dienen, die man ſodann gleichfalls wiederum als Mittel gebrauchen kann. Da wir dieſes oben ſchon bey der Lehre von der Ordnung und Vollkommenheit betrachtet haben (§. 346. 363. 365. 366. 371.), ſo hal- ten wir uns hier nicht laͤnger damit auf. §. 487. Die bisher (§. 469. ſeqq.) angebrachte Unterſchei- dung und Eintheilung der Gruͤnde in Gruͤnde des Wiſſens, des Wollens und des Koͤnnens er- ſchoͤpfet die Vieldeutigkeit des Wortes noch nicht, weil G 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/111>, abgerufen am 21.11.2024.