Locke blieb bey seiner Anatomie der Begriffe fast ganz stehen, und gebrauchte sie wenigstens nicht, so weit es möglich gewesen wäre. Es scheint ihm an der Methode, oder wenigstens an dem Einfalle gefeh- let zu haben, das was die Meßkünstler in Absicht auf den Raum gethan hatten, in Absicht auf die übri- gen einfachen ebenfalls zu versuchen.
§. 11.
Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch- bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war Wolfen vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur sagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber auch verschiedenes zurücke gelassen. Wolf folgete Leibnitzens Analyse der Begriffe, und suchte auch bald alles, was Leibnitz besonders gedacht hatte, in seiner Metaphysic anzubringen. Er nimmt darinn die meisten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun- gen, wie er sie findet, und definirt sie mehrentheils durch Verhältnisse zu andern Begriffen. Die Regeln, die er sich vorschrieb, waren ungefähr fol- gende: Jede mehr oder minder dunkele Wör- ter müssen definirt, und jede an sich nicht ein- leuchtende Sätze erwiesen werden. Diejenigen Definitionen und Sätze müssen vorgehen, auf welche sich die folgenden beziehen und gründen. Auf diese Art beschäfftigte sich Wolf mit Definitio- nen und Beweisen. Was in der Meßkunst Postulata (Forderungen) und Aufgaben heißt, davon kömmt in Wolfens Metaphysic wenig oder nichts vor. Und wer mit seinen Lehrsätzen nicht unbedingt zufrieden ist, wendet etwann ein, daß Wolf die Zweifel und Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me-
taphysic
I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe
§. 10.
Locke blieb bey ſeiner Anatomie der Begriffe faſt ganz ſtehen, und gebrauchte ſie wenigſtens nicht, ſo weit es moͤglich geweſen waͤre. Es ſcheint ihm an der Methode, oder wenigſtens an dem Einfalle gefeh- let zu haben, das was die Meßkuͤnſtler in Abſicht auf den Raum gethan hatten, in Abſicht auf die uͤbri- gen einfachen ebenfalls zu verſuchen.
§. 11.
Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch- bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war Wolfen vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur ſagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber auch verſchiedenes zuruͤcke gelaſſen. Wolf folgete Leibnitzens Analyſe der Begriffe, und ſuchte auch bald alles, was Leibnitz beſonders gedacht hatte, in ſeiner Metaphyſic anzubringen. Er nimmt darinn die meiſten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun- gen, wie er ſie findet, und definirt ſie mehrentheils durch Verhaͤltniſſe zu andern Begriffen. Die Regeln, die er ſich vorſchrieb, waren ungefaͤhr fol- gende: Jede mehr oder minder dunkele Woͤr- ter muͤſſen definirt, und jede an ſich nicht ein- leuchtende Saͤtze erwieſen werden. Diejenigen Definitionen und Saͤtze muͤſſen vorgehen, auf welche ſich die folgenden beziehen und gruͤnden. Auf dieſe Art beſchaͤfftigte ſich Wolf mit Definitio- nen und Beweiſen. Was in der Meßkunſt Poſtulata (Forderungen) und Aufgaben heißt, davon koͤmmt in Wolfens Metaphyſic wenig oder nichts vor. Und wer mit ſeinen Lehrſaͤtzen nicht unbedingt zufrieden iſt, wendet etwann ein, daß Wolf die Zweifel und Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me-
taphyſic
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0044"n="8"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Hauptſtuͤck. Erforderniſſe</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 10.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Locke</hi> blieb bey ſeiner Anatomie der Begriffe faſt<lb/>
ganz ſtehen, und gebrauchte ſie wenigſtens nicht, ſo<lb/>
weit es moͤglich geweſen waͤre. Es ſcheint ihm an<lb/>
der Methode, oder wenigſtens an dem Einfalle gefeh-<lb/>
let zu haben, das was die Meßkuͤnſtler in Abſicht<lb/>
auf den Raum gethan hatten, in Abſicht auf die uͤbri-<lb/>
gen einfachen ebenfalls zu verſuchen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 11.</head><lb/><p>Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch-<lb/>
bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war<lb/><hirendition="#fr">Wolfen</hi> vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur<lb/>ſagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber<lb/>
auch verſchiedenes zuruͤcke gelaſſen. <hirendition="#fr">Wolf</hi> folgete<lb/><hirendition="#fr">Leibnitzens</hi> Analyſe der Begriffe, und ſuchte auch<lb/>
bald alles, was <hirendition="#fr">Leibnitz</hi> beſonders gedacht hatte, in<lb/>ſeiner Metaphyſic anzubringen. Er nimmt darinn<lb/>
die meiſten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun-<lb/>
gen, wie er ſie findet, und definirt ſie <hirendition="#fr">mehrentheils<lb/>
durch Verhaͤltniſſe zu andern Begriffen.</hi> Die<lb/>
Regeln, die er ſich vorſchrieb, waren ungefaͤhr fol-<lb/>
gende: <hirendition="#fr">Jede mehr oder minder dunkele Woͤr-<lb/>
ter muͤſſen definirt, und jede an ſich nicht ein-<lb/>
leuchtende Saͤtze erwieſen werden. Diejenigen<lb/>
Definitionen und Saͤtze muͤſſen vorgehen, auf<lb/>
welche ſich die folgenden beziehen und gruͤnden.</hi><lb/>
Auf dieſe Art beſchaͤfftigte ſich <hirendition="#fr">Wolf</hi> mit Definitio-<lb/>
nen und Beweiſen. Was in der Meßkunſt <hirendition="#aq">Poſtulata</hi><lb/>
(Forderungen) und Aufgaben heißt, davon koͤmmt in<lb/><hirendition="#fr">Wolfens</hi> Metaphyſic wenig oder nichts vor. Und<lb/>
wer mit ſeinen Lehrſaͤtzen nicht unbedingt zufrieden iſt,<lb/>
wendet etwann ein, <hirendition="#fr">daß Wolf die Zweifel und<lb/>
Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">taphyſic</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[8/0044]
I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe
§. 10.
Locke blieb bey ſeiner Anatomie der Begriffe faſt
ganz ſtehen, und gebrauchte ſie wenigſtens nicht, ſo
weit es moͤglich geweſen waͤre. Es ſcheint ihm an
der Methode, oder wenigſtens an dem Einfalle gefeh-
let zu haben, das was die Meßkuͤnſtler in Abſicht
auf den Raum gethan hatten, in Abſicht auf die uͤbri-
gen einfachen ebenfalls zu verſuchen.
§. 11.
Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauch-
bare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war
Wolfen vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur
ſagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber
auch verſchiedenes zuruͤcke gelaſſen. Wolf folgete
Leibnitzens Analyſe der Begriffe, und ſuchte auch
bald alles, was Leibnitz beſonders gedacht hatte, in
ſeiner Metaphyſic anzubringen. Er nimmt darinn
die meiſten Begriffe, oder vielmehr ihre Benennun-
gen, wie er ſie findet, und definirt ſie mehrentheils
durch Verhaͤltniſſe zu andern Begriffen. Die
Regeln, die er ſich vorſchrieb, waren ungefaͤhr fol-
gende: Jede mehr oder minder dunkele Woͤr-
ter muͤſſen definirt, und jede an ſich nicht ein-
leuchtende Saͤtze erwieſen werden. Diejenigen
Definitionen und Saͤtze muͤſſen vorgehen, auf
welche ſich die folgenden beziehen und gruͤnden.
Auf dieſe Art beſchaͤfftigte ſich Wolf mit Definitio-
nen und Beweiſen. Was in der Meßkunſt Poſtulata
(Forderungen) und Aufgaben heißt, davon koͤmmt in
Wolfens Metaphyſic wenig oder nichts vor. Und
wer mit ſeinen Lehrſaͤtzen nicht unbedingt zufrieden iſt,
wendet etwann ein, daß Wolf die Zweifel und
Schwierigkeiten, die man vorhin in der Me-
taphyſic
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/44>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.