Diese Sätze zeigen nun, wo man anfangen müsse, das ist und das ist nicht aufzusuchen, und beson- ders sind die angeführten Grundsätze diejenigen, wel- che der Möglichkeit in der Zusammensetzung der Be- griffe und Dinge Schranken setzen. Wir haben in dem angeführten §. 12. angezeiget, wie Euclid in Absicht auf den Raum dabey verfahren, um die Gränzen der Möglichkeit der Figuren zu beweisen, und die daselbst angezogenen beyden Grundsätze, die er fürnehmlich dazu gebraucht, finden sich oben (§. 79. Axiom. 3. §. 137. Axiom. 10.), und noch allgemeiner vorgetragen, weil wir hier nicht die Geometrie, son- dern die Grundlehre vor uns haben, (§. 80. 138. 116.).
§. 252.
Ueberhaupt geht der Widerspruch auf das, was nicht zugleich seyn kann. Nun bedeutet das Wort zugleich ursprünglich so viel, als zu gleicher Zeit, und in dieser Bedeutung gilt der Grundsatz: daß die Theile der Zeit schlechthin nicht zugleich sind (§. 83. Axiom. 1.), welcher an sich schon eine Anlage zur Entdeckung der Widersprüche angiebt. Man hat aber diese engere Bedeutung ausgedehnet und sie gar transcendent gemacht. Denn in der Kör- perwelt und überhaupt ist das Solide, welches zu- gleich, oder zu gleicher Zeit existirt, oder als existi- rend angenommen wird, dem Orte nach außer ein- ander, dabey aber, so fern es verbunden ist, bey- sammen. Ersteres giebt wiederum die Grundsätze, daß die Theile des Raumes außer einander sind (§. 79. Axiom. 1. 5.), daß das Solide jedes andere von dem Orte ausschließe, wo es ist (§. 88. Axiom. 2.), daß einerley Solides nicht zugleich an mehr als einem Orte, noch ver-
schie-
Das Seyn und das Nicht ſeyn.
§. 251.
Dieſe Saͤtze zeigen nun, wo man anfangen muͤſſe, das iſt und das iſt nicht aufzuſuchen, und beſon- ders ſind die angefuͤhrten Grundſaͤtze diejenigen, wel- che der Moͤglichkeit in der Zuſammenſetzung der Be- griffe und Dinge Schranken ſetzen. Wir haben in dem angefuͤhrten §. 12. angezeiget, wie Euclid in Abſicht auf den Raum dabey verfahren, um die Graͤnzen der Moͤglichkeit der Figuren zu beweiſen, und die daſelbſt angezogenen beyden Grundſaͤtze, die er fuͤrnehmlich dazu gebraucht, finden ſich oben (§. 79. Axiom. 3. §. 137. Axiom. 10.), und noch allgemeiner vorgetragen, weil wir hier nicht die Geometrie, ſon- dern die Grundlehre vor uns haben, (§. 80. 138. 116.).
§. 252.
Ueberhaupt geht der Widerſpruch auf das, was nicht zugleich ſeyn kann. Nun bedeutet das Wort zugleich urſpruͤnglich ſo viel, als zu gleicher Zeit, und in dieſer Bedeutung gilt der Grundſatz: daß die Theile der Zeit ſchlechthin nicht zugleich ſind (§. 83. Axiom. 1.), welcher an ſich ſchon eine Anlage zur Entdeckung der Widerſpruͤche angiebt. Man hat aber dieſe engere Bedeutung ausgedehnet und ſie gar tranſcendent gemacht. Denn in der Koͤr- perwelt und uͤberhaupt iſt das Solide, welches zu- gleich, oder zu gleicher Zeit exiſtirt, oder als exiſti- rend angenommen wird, dem Orte nach außer ein- ander, dabey aber, ſo fern es verbunden iſt, bey- ſammen. Erſteres giebt wiederum die Grundſaͤtze, daß die Theile des Raumes außer einander ſind (§. 79. Axiom. 1. 5.), daß das Solide jedes andere von dem Orte ausſchließe, wo es iſt (§. 88. Axiom. 2.), daß einerley Solides nicht zugleich an mehr als einem Orte, noch ver-
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Das Seyn und das Nicht ſeyn.
§. 251.
Dieſe Saͤtze zeigen nun, wo man anfangen muͤſſe,
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ders ſind die angefuͤhrten Grundſaͤtze diejenigen, wel-
che der Moͤglichkeit in der Zuſammenſetzung der Be-
griffe und Dinge Schranken ſetzen. Wir haben in
dem angefuͤhrten §. 12. angezeiget, wie Euclid in
Abſicht auf den Raum dabey verfahren, um die
Graͤnzen der Moͤglichkeit der Figuren zu beweiſen,
und die daſelbſt angezogenen beyden Grundſaͤtze, die
er fuͤrnehmlich dazu gebraucht, finden ſich oben (§. 79.
Axiom. 3. §. 137. Axiom. 10.), und noch allgemeiner
vorgetragen, weil wir hier nicht die Geometrie, ſon-
dern die Grundlehre vor uns haben, (§. 80. 138. 116.).
§. 252.
Ueberhaupt geht der Widerſpruch auf das, was
nicht zugleich ſeyn kann. Nun bedeutet das Wort
zugleich urſpruͤnglich ſo viel, als zu gleicher Zeit,
und in dieſer Bedeutung gilt der Grundſatz: daß
die Theile der Zeit ſchlechthin nicht zugleich
ſind (§. 83. Axiom. 1.), welcher an ſich ſchon eine
Anlage zur Entdeckung der Widerſpruͤche angiebt.
Man hat aber dieſe engere Bedeutung ausgedehnet
und ſie gar tranſcendent gemacht. Denn in der Koͤr-
perwelt und uͤberhaupt iſt das Solide, welches zu-
gleich, oder zu gleicher Zeit exiſtirt, oder als exiſti-
rend angenommen wird, dem Orte nach außer ein-
ander, dabey aber, ſo fern es verbunden iſt, bey-
ſammen. Erſteres giebt wiederum die Grundſaͤtze,
daß die Theile des Raumes außer einander
ſind (§. 79. Axiom. 1. 5.), daß das Solide jedes
andere von dem Orte ausſchließe, wo es iſt
(§. 88. Axiom. 2.), daß einerley Solides nicht
zugleich an mehr als einem Orte, noch ver-
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/259>, abgerufen am 21.11.2024.
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