Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.Das Seyn und das Nicht seyn. sey oder nicht, unschicklich und ungereimt, weil beygeometrischen Figuren von Tugenden und Lastern die Rede gar nicht vorkömmt, und die Moralität schlecht- hin nur die Jntellectualwelt angeht. Wir führen dieses hier um desto mehr an, weil man in der Me- taphysic gar zu leichte ein Ding überhaupt in solche Arten eintheilet, in welche eigentlich nur eine gewisse Art von Dingen eingetheilet werden kann, oder auch, in welche sich ein Ding überhaupt, nur in einer ge- wissen Absicht, eintheilen läßt. Und wenn diese Art, oder das so genannte Fundamentum diuisionis, in der Sprache keinen Namen hat, so ist es auch schwerer, es deutlich anzuzeigen und kenntlich zu machen. Die Schwierigkeit, die Substanzen und Accidenzen von einander so zu unterscheiden, daß sich alles Mögliche und Gedenkbare in diese zwo Classen vertheilen lasse; die Frage, die dabey gemacht wird, ob Zeit, Raum, Kräfte, Verhältnisse etc. Substanzen oder Accidenzen sind etc. scheinen aus einem Mangel von Begriffen und Wörtern herzurühren, durch die sich entscheiden ließ, ob oder wie ferne die Eintheilung in Substan- zen und Accidenzen allgemein oder nur special sey, oder welches Fundamentum diuisionis dabey eigent- lich zum Grunde liege? Denn so z. E. setzet ein Ver- hältniß Substanzen und Accidenzen voraus, das Verhältniß selbst aber ist dessen unerachtet von bey- den verschieden. Uebrigens wird uns die hier vorge- tragene Anmerkung im Folgenden dienen, den so ge- nannten Terminum infinitum deutlicher zu erklären. §. 248. Um nun wiederum zu dem Satze des Widerspru- das
Das Seyn und das Nicht ſeyn. ſey oder nicht, unſchicklich und ungereimt, weil beygeometriſchen Figuren von Tugenden und Laſtern die Rede gar nicht vorkoͤmmt, und die Moralitaͤt ſchlecht- hin nur die Jntellectualwelt angeht. Wir fuͤhren dieſes hier um deſto mehr an, weil man in der Me- taphyſic gar zu leichte ein Ding uͤberhaupt in ſolche Arten eintheilet, in welche eigentlich nur eine gewiſſe Art von Dingen eingetheilet werden kann, oder auch, in welche ſich ein Ding uͤberhaupt, nur in einer ge- wiſſen Abſicht, eintheilen laͤßt. Und wenn dieſe Art, oder das ſo genannte Fundamentum diuiſionis, in der Sprache keinen Namen hat, ſo iſt es auch ſchwerer, es deutlich anzuzeigen und kenntlich zu machen. Die Schwierigkeit, die Subſtanzen und Accidenzen von einander ſo zu unterſcheiden, daß ſich alles Moͤgliche und Gedenkbare in dieſe zwo Claſſen vertheilen laſſe; die Frage, die dabey gemacht wird, ob Zeit, Raum, Kraͤfte, Verhaͤltniſſe ꝛc. Subſtanzen oder Accidenzen ſind ꝛc. ſcheinen aus einem Mangel von Begriffen und Woͤrtern herzuruͤhren, durch die ſich entſcheiden ließ, ob oder wie ferne die Eintheilung in Subſtan- zen und Accidenzen allgemein oder nur ſpecial ſey, oder welches Fundamentum diuiſionis dabey eigent- lich zum Grunde liege? Denn ſo z. E. ſetzet ein Ver- haͤltniß Subſtanzen und Accidenzen voraus, das Verhaͤltniß ſelbſt aber iſt deſſen unerachtet von bey- den verſchieden. Uebrigens wird uns die hier vorge- tragene Anmerkung im Folgenden dienen, den ſo ge- nannten Terminum infinitum deutlicher zu erklaͤren. §. 248. Um nun wiederum zu dem Satze des Widerſpru- das
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0255" n="219"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Seyn und das Nicht ſeyn.</hi></fw><lb/> ſey oder nicht, unſchicklich und ungereimt, weil bey<lb/> geometriſchen Figuren von Tugenden und Laſtern die<lb/> Rede gar nicht vorkoͤmmt, und die Moralitaͤt ſchlecht-<lb/> hin nur die Jntellectualwelt angeht. Wir fuͤhren<lb/> dieſes hier um deſto mehr an, weil man in der Me-<lb/> taphyſic gar zu leichte ein Ding uͤberhaupt in ſolche<lb/> Arten eintheilet, in welche eigentlich nur eine gewiſſe<lb/> Art von Dingen eingetheilet werden kann, oder auch,<lb/> in welche ſich ein Ding uͤberhaupt, nur in einer ge-<lb/> wiſſen Abſicht, eintheilen laͤßt. Und wenn dieſe Art,<lb/> oder das ſo genannte <hi rendition="#aq">Fundamentum diuiſionis,</hi> in der<lb/> Sprache keinen Namen hat, ſo iſt es auch ſchwerer,<lb/> es deutlich anzuzeigen und kenntlich zu machen. Die<lb/> Schwierigkeit, die Subſtanzen und Accidenzen von<lb/> einander ſo zu unterſcheiden, daß ſich alles Moͤgliche<lb/> und Gedenkbare in dieſe zwo Claſſen vertheilen laſſe;<lb/> die Frage, die dabey gemacht wird, ob Zeit, Raum,<lb/> Kraͤfte, Verhaͤltniſſe ꝛc. Subſtanzen oder Accidenzen<lb/> ſind ꝛc. ſcheinen aus einem Mangel von Begriffen<lb/> und Woͤrtern herzuruͤhren, durch die ſich entſcheiden<lb/> ließ, ob oder wie ferne die Eintheilung in Subſtan-<lb/> zen und Accidenzen allgemein oder nur ſpecial ſey,<lb/> oder welches <hi rendition="#aq">Fundamentum diuiſionis</hi> dabey eigent-<lb/> lich zum Grunde liege? Denn ſo z. E. ſetzet ein Ver-<lb/> haͤltniß Subſtanzen und Accidenzen voraus, das<lb/> Verhaͤltniß ſelbſt aber iſt deſſen unerachtet von bey-<lb/> den verſchieden. Uebrigens wird uns die hier vorge-<lb/> tragene Anmerkung im Folgenden dienen, den ſo ge-<lb/> nannten <hi rendition="#aq">Terminum infinitum</hi> deutlicher zu erklaͤren.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 248.</head><lb/> <p>Um nun wiederum zu dem Satze des Widerſpru-<lb/> ches und den beyden daraus gefolgerten Grundſaͤtzen<lb/> (§. 245. 246.) zuruͤcke zu kehren, merken wir an, daß<lb/> <fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0255]
Das Seyn und das Nicht ſeyn.
ſey oder nicht, unſchicklich und ungereimt, weil bey
geometriſchen Figuren von Tugenden und Laſtern die
Rede gar nicht vorkoͤmmt, und die Moralitaͤt ſchlecht-
hin nur die Jntellectualwelt angeht. Wir fuͤhren
dieſes hier um deſto mehr an, weil man in der Me-
taphyſic gar zu leichte ein Ding uͤberhaupt in ſolche
Arten eintheilet, in welche eigentlich nur eine gewiſſe
Art von Dingen eingetheilet werden kann, oder auch,
in welche ſich ein Ding uͤberhaupt, nur in einer ge-
wiſſen Abſicht, eintheilen laͤßt. Und wenn dieſe Art,
oder das ſo genannte Fundamentum diuiſionis, in der
Sprache keinen Namen hat, ſo iſt es auch ſchwerer,
es deutlich anzuzeigen und kenntlich zu machen. Die
Schwierigkeit, die Subſtanzen und Accidenzen von
einander ſo zu unterſcheiden, daß ſich alles Moͤgliche
und Gedenkbare in dieſe zwo Claſſen vertheilen laſſe;
die Frage, die dabey gemacht wird, ob Zeit, Raum,
Kraͤfte, Verhaͤltniſſe ꝛc. Subſtanzen oder Accidenzen
ſind ꝛc. ſcheinen aus einem Mangel von Begriffen
und Woͤrtern herzuruͤhren, durch die ſich entſcheiden
ließ, ob oder wie ferne die Eintheilung in Subſtan-
zen und Accidenzen allgemein oder nur ſpecial ſey,
oder welches Fundamentum diuiſionis dabey eigent-
lich zum Grunde liege? Denn ſo z. E. ſetzet ein Ver-
haͤltniß Subſtanzen und Accidenzen voraus, das
Verhaͤltniß ſelbſt aber iſt deſſen unerachtet von bey-
den verſchieden. Uebrigens wird uns die hier vorge-
tragene Anmerkung im Folgenden dienen, den ſo ge-
nannten Terminum infinitum deutlicher zu erklaͤren.
§. 248.
Um nun wiederum zu dem Satze des Widerſpru-
ches und den beyden daraus gefolgerten Grundſaͤtzen
(§. 245. 246.) zuruͤcke zu kehren, merken wir an, daß
das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |