Falle bedeutet möglich ungefähr eben so viel, als vielleicht, und muß daher mit seiner eigentlichen Bedeutung nicht vermenget werden, welche von dem Worte mögen, und daher von dem Begriffe der Kräfte hergenommen ist, und folglich auf alles geht, was durch Kräfte geschehen kann.
§. 244.
Aus dem, daß eine Sache nicht zugleich seyn und nicht seyn kann, folget, daß sie entweder ist, oder nicht ist. Auch hiebey versteht man eben dieselbe Sache, und in eben der Absicht betrachtet. Denn da wir gar leicht, nicht nur Sachen mit Worten be- nennen, sondern Sachen den Worten andichten: so bleibt es möglich, daß eine solche supponirte oder gedichtete Sache zum Theil ist, zum Theil nicht ist. Daher können wir den erst angeführten Satz nicht so unbedingt bey solchen Vorstellungen gebrauchen, die vielmehr von den Worten, als von den Sachen selbst herrühren, und öfters wegen versteckten Wider- sprüchen Undinge vorstellen, die nicht nur nicht sind, sondern gar nicht seyn können, und folglich in bloßen Einbildungen bestehen.
§. 245.
Man nennet den Satz: daß jede Sache entwe- der ist oder nicht ist, das Principium exclusi tertii, und eigentlich will er sagen, daß zwischen Seyn und Nicht seyn kein Mittel statt habe. Man kann beyfügen, kein Mittel, welches real wäre. Denn auf eine bloß ideale Art lassen sich zwischen Seyn und Nicht seyn Stufen oder Grade gedenken, wel- che die Wahrscheinlichkeit und Grade der Gewißheit vorstellen. Dieser Satz wird ferner eben so, wie
der
VII. Hauptſtuͤck.
Falle bedeutet moͤglich ungefaͤhr eben ſo viel, als vielleicht, und muß daher mit ſeiner eigentlichen Bedeutung nicht vermenget werden, welche von dem Worte moͤgen, und daher von dem Begriffe der Kraͤfte hergenommen iſt, und folglich auf alles geht, was durch Kraͤfte geſchehen kann.
§. 244.
Aus dem, daß eine Sache nicht zugleich ſeyn und nicht ſeyn kann, folget, daß ſie entweder iſt, oder nicht iſt. Auch hiebey verſteht man eben dieſelbe Sache, und in eben der Abſicht betrachtet. Denn da wir gar leicht, nicht nur Sachen mit Worten be- nennen, ſondern Sachen den Worten andichten: ſo bleibt es moͤglich, daß eine ſolche ſupponirte oder gedichtete Sache zum Theil iſt, zum Theil nicht iſt. Daher koͤnnen wir den erſt angefuͤhrten Satz nicht ſo unbedingt bey ſolchen Vorſtellungen gebrauchen, die vielmehr von den Worten, als von den Sachen ſelbſt herruͤhren, und oͤfters wegen verſteckten Wider- ſpruͤchen Undinge vorſtellen, die nicht nur nicht ſind, ſondern gar nicht ſeyn koͤnnen, und folglich in bloßen Einbildungen beſtehen.
§. 245.
Man nennet den Satz: daß jede Sache entwe- der iſt oder nicht iſt, das Principium excluſi tertii, und eigentlich will er ſagen, daß zwiſchen Seyn und Nicht ſeyn kein Mittel ſtatt habe. Man kann beyfuͤgen, kein Mittel, welches real waͤre. Denn auf eine bloß ideale Art laſſen ſich zwiſchen Seyn und Nicht ſeyn Stufen oder Grade gedenken, wel- che die Wahrſcheinlichkeit und Grade der Gewißheit vorſtellen. Dieſer Satz wird ferner eben ſo, wie
der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0252"n="216"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VII.</hi> Hauptſtuͤck.</hi></fw><lb/>
Falle bedeutet <hirendition="#fr">moͤglich</hi> ungefaͤhr eben ſo viel, als<lb/><hirendition="#fr">vielleicht,</hi> und muß daher mit ſeiner eigentlichen<lb/>
Bedeutung nicht vermenget werden, welche von dem<lb/>
Worte <hirendition="#fr">moͤgen,</hi> und daher von dem Begriffe der<lb/><hirendition="#fr">Kraͤfte</hi> hergenommen iſt, und folglich auf alles geht,<lb/>
was durch Kraͤfte geſchehen kann.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 244.</head><lb/><p>Aus dem, daß eine Sache nicht zugleich ſeyn und<lb/>
nicht ſeyn kann, folget, <hirendition="#fr">daß ſie entweder iſt, oder<lb/>
nicht iſt.</hi> Auch hiebey verſteht man eben dieſelbe<lb/>
Sache, und in eben der Abſicht betrachtet. Denn<lb/>
da wir gar leicht, nicht nur Sachen mit Worten be-<lb/>
nennen, ſondern Sachen den Worten andichten: ſo<lb/>
bleibt es moͤglich, daß eine ſolche ſupponirte oder<lb/><hirendition="#fr">gedichtete</hi> Sache zum Theil iſt, zum Theil nicht iſt.<lb/>
Daher koͤnnen wir den erſt angefuͤhrten Satz nicht<lb/>ſo unbedingt bey ſolchen Vorſtellungen gebrauchen,<lb/>
die vielmehr von den Worten, als von den Sachen<lb/>ſelbſt herruͤhren, und oͤfters wegen verſteckten Wider-<lb/>ſpruͤchen <hirendition="#fr">Undinge</hi> vorſtellen, die nicht nur nicht ſind,<lb/>ſondern gar nicht ſeyn koͤnnen, und folglich in bloßen<lb/>
Einbildungen beſtehen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 245.</head><lb/><p>Man nennet den Satz: <hirendition="#fr">daß jede Sache entwe-<lb/>
der iſt oder nicht iſt,</hi> das <hirendition="#aq">Principium excluſi tertii,</hi><lb/>
und eigentlich will er ſagen, daß zwiſchen <hirendition="#fr">Seyn</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Nicht ſeyn</hi> kein Mittel ſtatt habe. Man kann<lb/>
beyfuͤgen, kein Mittel, welches <hirendition="#fr">real</hi> waͤre. Denn<lb/>
auf eine bloß <hirendition="#fr">ideale</hi> Art laſſen ſich zwiſchen <hirendition="#fr">Seyn</hi><lb/>
und <hirendition="#fr">Nicht ſeyn</hi> Stufen oder Grade gedenken, wel-<lb/>
che die Wahrſcheinlichkeit und Grade der Gewißheit<lb/>
vorſtellen. Dieſer Satz wird ferner eben ſo, wie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[216/0252]
VII. Hauptſtuͤck.
Falle bedeutet moͤglich ungefaͤhr eben ſo viel, als
vielleicht, und muß daher mit ſeiner eigentlichen
Bedeutung nicht vermenget werden, welche von dem
Worte moͤgen, und daher von dem Begriffe der
Kraͤfte hergenommen iſt, und folglich auf alles geht,
was durch Kraͤfte geſchehen kann.
§. 244.
Aus dem, daß eine Sache nicht zugleich ſeyn und
nicht ſeyn kann, folget, daß ſie entweder iſt, oder
nicht iſt. Auch hiebey verſteht man eben dieſelbe
Sache, und in eben der Abſicht betrachtet. Denn
da wir gar leicht, nicht nur Sachen mit Worten be-
nennen, ſondern Sachen den Worten andichten: ſo
bleibt es moͤglich, daß eine ſolche ſupponirte oder
gedichtete Sache zum Theil iſt, zum Theil nicht iſt.
Daher koͤnnen wir den erſt angefuͤhrten Satz nicht
ſo unbedingt bey ſolchen Vorſtellungen gebrauchen,
die vielmehr von den Worten, als von den Sachen
ſelbſt herruͤhren, und oͤfters wegen verſteckten Wider-
ſpruͤchen Undinge vorſtellen, die nicht nur nicht ſind,
ſondern gar nicht ſeyn koͤnnen, und folglich in bloßen
Einbildungen beſtehen.
§. 245.
Man nennet den Satz: daß jede Sache entwe-
der iſt oder nicht iſt, das Principium excluſi tertii,
und eigentlich will er ſagen, daß zwiſchen Seyn und
Nicht ſeyn kein Mittel ſtatt habe. Man kann
beyfuͤgen, kein Mittel, welches real waͤre. Denn
auf eine bloß ideale Art laſſen ſich zwiſchen Seyn
und Nicht ſeyn Stufen oder Grade gedenken, wel-
che die Wahrſcheinlichkeit und Grade der Gewißheit
vorſtellen. Dieſer Satz wird ferner eben ſo, wie
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/252>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.