und wenn sie zugleich sind, so sind sie nicht an gleichem Orte (§. 103.). Diese Art von Jdentität ist eben- falls eine Einheit, aber in gewissen Absichten be- trachtet, welche der Satz angiebt. Jn diesen Ab- sichten aber ist sie absolut, und admittirt nur Brüche, die von 0 bis auf 1 gehen. Die Möglichkeit einer solchen Jdentität kann man nicht in Abrede seyn, man müßte denn eine Unmöglichkeit finden, daß Gott nicht nach einem und eben demselben Vorbilde zwey oder mehrere Dinge erschaffen könnte.
§. 130.
Ob aber eine solche Jdentität in der wirklichen Welt vorkomme, ist eine ganz andere Frage. Da sage ich nein, und wenn sie auch einmal zuträfe, so wäre es nur für einen Augenblick, weil die Ursa- chen, welche alle Dinge der Welt beständig ändern, viel zu häufig sind, und viel zu sehr durch einander laufen, als daß eine Jdentität nach solcher Schärfe genommen länger dauern könnte. Aus diesem Grunde lasse ich das Leibnitzi- sche Principium indiscernibilium, in Absicht auf die wirkliche Welt, durchaus gelten. Und in eben die- ser Absicht kann es allenfalls auch durch teleologische Gründe bekräftiget werden, weil die Mannichfaltig- keit ein wesentliches Stück der Vollkommenheit der Welt ausmacht. Hingegen in Absicht auf mögliche, und wenn man so will, minder vollkommene Welten, scheint es mir nicht durchaus anwendbar (§. 129.).
§. 131.
Jch werde hier noch gelegentlich eine andere An- merkung beyfügen, welche die Platonische Apocata- stasin oder Progressum rerum circularem betrifft.
Plato
IV. Hauptſtuͤck. Grundſaͤtze
und wenn ſie zugleich ſind, ſo ſind ſie nicht an gleichem Orte (§. 103.). Dieſe Art von Jdentitaͤt iſt eben- falls eine Einheit, aber in gewiſſen Abſichten be- trachtet, welche der Satz angiebt. Jn dieſen Ab- ſichten aber iſt ſie abſolut, und admittirt nur Bruͤche, die von 0 bis auf 1 gehen. Die Moͤglichkeit einer ſolchen Jdentitaͤt kann man nicht in Abrede ſeyn, man muͤßte denn eine Unmoͤglichkeit finden, daß Gott nicht nach einem und eben demſelben Vorbilde zwey oder mehrere Dinge erſchaffen koͤnnte.
§. 130.
Ob aber eine ſolche Jdentitaͤt in der wirklichen Welt vorkomme, iſt eine ganz andere Frage. Da ſage ich nein, und wenn ſie auch einmal zutraͤfe, ſo waͤre es nur fuͤr einen Augenblick, weil die Urſa- chen, welche alle Dinge der Welt beſtaͤndig aͤndern, viel zu haͤufig ſind, und viel zu ſehr durch einander laufen, als daß eine Jdentitaͤt nach ſolcher Schaͤrfe genommen laͤnger dauern koͤnnte. Aus dieſem Grunde laſſe ich das Leibnitzi- ſche Principium indiſcernibilium, in Abſicht auf die wirkliche Welt, durchaus gelten. Und in eben die- ſer Abſicht kann es allenfalls auch durch teleologiſche Gruͤnde bekraͤftiget werden, weil die Mannichfaltig- keit ein weſentliches Stuͤck der Vollkommenheit der Welt ausmacht. Hingegen in Abſicht auf moͤgliche, und wenn man ſo will, minder vollkommene Welten, ſcheint es mir nicht durchaus anwendbar (§. 129.).
§. 131.
Jch werde hier noch gelegentlich eine andere An- merkung beyfuͤgen, welche die Platoniſche Apocata- ſtaſin oder Progreſſum rerum circularem betrifft.
Plato
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0128"n="92"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Hauptſtuͤck. Grundſaͤtze</hi></fw><lb/>
und wenn ſie zugleich ſind, ſo ſind ſie nicht an gleichem<lb/>
Orte (§. 103.). Dieſe Art von Jdentitaͤt iſt eben-<lb/>
falls eine Einheit, aber in gewiſſen <hirendition="#fr">Abſichten</hi> be-<lb/>
trachtet, welche der Satz angiebt. Jn dieſen Ab-<lb/>ſichten aber iſt ſie abſolut, und admittirt nur Bruͤche,<lb/>
die von 0 bis auf 1 gehen. Die Moͤglichkeit einer<lb/>ſolchen Jdentitaͤt kann man nicht in Abrede ſeyn,<lb/>
man muͤßte denn eine Unmoͤglichkeit finden, daß Gott<lb/>
nicht nach einem und eben demſelben Vorbilde zwey<lb/>
oder mehrere Dinge erſchaffen koͤnnte.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 130.</head><lb/><p>Ob aber eine ſolche Jdentitaͤt in der wirklichen<lb/>
Welt vorkomme, iſt eine ganz andere Frage. Da<lb/>ſage ich nein, und wenn ſie auch einmal zutraͤfe, ſo<lb/>
waͤre es nur fuͤr einen Augenblick, <hirendition="#fr">weil die Urſa-<lb/>
chen, welche alle Dinge der Welt beſtaͤndig<lb/>
aͤndern, viel zu haͤufig ſind, und viel zu ſehr<lb/>
durch einander laufen, als daß eine Jdentitaͤt<lb/>
nach ſolcher Schaͤrfe genommen laͤnger dauern<lb/>
koͤnnte.</hi> Aus dieſem Grunde laſſe ich das Leibnitzi-<lb/>ſche <hirendition="#aq">Principium indiſcernibilium,</hi> in Abſicht auf die<lb/>
wirkliche Welt, durchaus gelten. Und in eben die-<lb/>ſer Abſicht kann es allenfalls auch durch teleologiſche<lb/>
Gruͤnde bekraͤftiget werden, weil die Mannichfaltig-<lb/>
keit ein weſentliches Stuͤck der Vollkommenheit der<lb/>
Welt ausmacht. Hingegen in Abſicht auf moͤgliche,<lb/>
und wenn man ſo will, minder vollkommene Welten,<lb/>ſcheint es mir nicht durchaus anwendbar (§. 129.).</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 131.</head><lb/><p>Jch werde hier noch gelegentlich eine andere An-<lb/>
merkung beyfuͤgen, welche die Platoniſche Apocata-<lb/>ſtaſin oder <hirendition="#aq">Progreſſum rerum circularem</hi> betrifft.<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Plato</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[92/0128]
IV. Hauptſtuͤck. Grundſaͤtze
und wenn ſie zugleich ſind, ſo ſind ſie nicht an gleichem
Orte (§. 103.). Dieſe Art von Jdentitaͤt iſt eben-
falls eine Einheit, aber in gewiſſen Abſichten be-
trachtet, welche der Satz angiebt. Jn dieſen Ab-
ſichten aber iſt ſie abſolut, und admittirt nur Bruͤche,
die von 0 bis auf 1 gehen. Die Moͤglichkeit einer
ſolchen Jdentitaͤt kann man nicht in Abrede ſeyn,
man muͤßte denn eine Unmoͤglichkeit finden, daß Gott
nicht nach einem und eben demſelben Vorbilde zwey
oder mehrere Dinge erſchaffen koͤnnte.
§. 130.
Ob aber eine ſolche Jdentitaͤt in der wirklichen
Welt vorkomme, iſt eine ganz andere Frage. Da
ſage ich nein, und wenn ſie auch einmal zutraͤfe, ſo
waͤre es nur fuͤr einen Augenblick, weil die Urſa-
chen, welche alle Dinge der Welt beſtaͤndig
aͤndern, viel zu haͤufig ſind, und viel zu ſehr
durch einander laufen, als daß eine Jdentitaͤt
nach ſolcher Schaͤrfe genommen laͤnger dauern
koͤnnte. Aus dieſem Grunde laſſe ich das Leibnitzi-
ſche Principium indiſcernibilium, in Abſicht auf die
wirkliche Welt, durchaus gelten. Und in eben die-
ſer Abſicht kann es allenfalls auch durch teleologiſche
Gruͤnde bekraͤftiget werden, weil die Mannichfaltig-
keit ein weſentliches Stuͤck der Vollkommenheit der
Welt ausmacht. Hingegen in Abſicht auf moͤgliche,
und wenn man ſo will, minder vollkommene Welten,
ſcheint es mir nicht durchaus anwendbar (§. 129.).
§. 131.
Jch werde hier noch gelegentlich eine andere An-
merkung beyfuͤgen, welche die Platoniſche Apocata-
ſtaſin oder Progreſſum rerum circularem betrifft.
Plato
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/128>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.