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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 99. Die Gerichtsbarkeit des Reichs.
Landtages zur Stellung des Antrages befugt ist. Aus der Aus-
drucksweise des Reichsgesetzes, welches einen Antrag des "Bundes-
staates" verlangt, kann nicht gefolgert werden, daß die Bundes-
regierungen
hierzu nicht befugt seien; denn der Antrag wird
in allen Fällen von der Landesregierung im Namen des Staates
beim Bundesrath gestellt. Dem Bundesrath ist es zwar unbe-
nommen, die Legitimation der betreffenden Regierungen zu prüfen,
er ist hierzu aber nicht verpflichtet, sondern er kann die Verant-
wortung für den Antrag der Regierung überlassen. Ist aber ein-
mal die Kaiserl. Verordnung gemäß §. 3 Abs. 2 cit. formell ord-
nungsgemäß ergangen, so ist die Rechtsgültigkeit derselben unab-
hängig von der Entscheidung der Frage, ob die betreffende Landes-
regierung den Antrag bei der Reichsregierung befugter oder unbe-
fugter Weise gestellt hat 1).

Von der Befugniß zur Stellung eines solchen Antrags haben
Gebrauch gemacht hinsichtlich der in erster Instanz zur Zuständig-
keit der Generalkommissionen oder der diesen entsprechenden Be-
hörden gehörenden Rechtsstreitigkeiten über Gemeinheitstheilungen,
Zusammenlegungen von Grundstücken, Ablösungen u. s. w. Preußen,
Anhalt, Weimar, Meiningen, beide Schwarzburg,
Waldeck
und Schaumburg-Lippe 2); ferner hinsichtlich der
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Landesherren und der Mit-
glieder des landesherrlichen Hauses Preußen, Hessen und
Waldeck 3).

2. In Strafsachen.

Das Reichsgericht ist zuständig:

a) in erster und letzter Instanz für die Untersuchung und
Entscheidung in den Fällen des Hochverraths und des Landesver-
rathes, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich
gerichtet sind 4). Hierdurch ist Art. 75 der Reichsverf. aufgehoben

1) Vgl. Bd. I. S. 119 ff. Bd. II. S. 86 ff. Auch die Prot. der Reichs-
tagskomm. S. 433. (Hahn 645.)
2) Kaiserl. Verordn. v. 26. Septemb. 1879 §. 1 (R.G.Bl. S. 287) und
Verordnungen vom gleichen Tage S. 291 ff.
3) Kaiserl. Verordn. v. 26. Septemb. 1879 §. 2 (R.G.Bl. S. 288); Ver-
ordn. von demselben Tage für Hessische Sachen (S. 289); für Waldeck'sche
Sachen §. 2 (S. 295.)
4) Gerichtsverf.Ges. §. 136 Ziff. 1. Der erste Senat des Reichsgerichts
hat bei diesen Fällen die Funktionen der Strafkammer zu versehen, während

§. 99. Die Gerichtsbarkeit des Reichs.
Landtages zur Stellung des Antrages befugt iſt. Aus der Aus-
drucksweiſe des Reichsgeſetzes, welches einen Antrag des „Bundes-
ſtaates“ verlangt, kann nicht gefolgert werden, daß die Bundes-
regierungen
hierzu nicht befugt ſeien; denn der Antrag wird
in allen Fällen von der Landesregierung im Namen des Staates
beim Bundesrath geſtellt. Dem Bundesrath iſt es zwar unbe-
nommen, die Legitimation der betreffenden Regierungen zu prüfen,
er iſt hierzu aber nicht verpflichtet, ſondern er kann die Verant-
wortung für den Antrag der Regierung überlaſſen. Iſt aber ein-
mal die Kaiſerl. Verordnung gemäß §. 3 Abſ. 2 cit. formell ord-
nungsgemäß ergangen, ſo iſt die Rechtsgültigkeit derſelben unab-
hängig von der Entſcheidung der Frage, ob die betreffende Landes-
regierung den Antrag bei der Reichsregierung befugter oder unbe-
fugter Weiſe geſtellt hat 1).

Von der Befugniß zur Stellung eines ſolchen Antrags haben
Gebrauch gemacht hinſichtlich der in erſter Inſtanz zur Zuſtändig-
keit der Generalkommiſſionen oder der dieſen entſprechenden Be-
hörden gehörenden Rechtsſtreitigkeiten über Gemeinheitstheilungen,
Zuſammenlegungen von Grundſtücken, Ablöſungen u. ſ. w. Preußen,
Anhalt, Weimar, Meiningen, beide Schwarzburg,
Waldeck
und Schaumburg-Lippe 2); ferner hinſichtlich der
bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten der Landesherren und der Mit-
glieder des landesherrlichen Hauſes Preußen, Heſſen und
Waldeck 3).

2. In Strafſachen.

Das Reichsgericht iſt zuſtändig:

a) in erſter und letzter Inſtanz für die Unterſuchung und
Entſcheidung in den Fällen des Hochverraths und des Landesver-
rathes, inſofern dieſe Verbrechen gegen den Kaiſer oder das Reich
gerichtet ſind 4). Hierdurch iſt Art. 75 der Reichsverf. aufgehoben

1) Vgl. Bd. I. S. 119 ff. Bd. II. S. 86 ff. Auch die Prot. der Reichs-
tagskomm. S. 433. (Hahn 645.)
2) Kaiſerl. Verordn. v. 26. Septemb. 1879 §. 1 (R.G.Bl. S. 287) und
Verordnungen vom gleichen Tage S. 291 ff.
3) Kaiſerl. Verordn. v. 26. Septemb. 1879 §. 2 (R.G.Bl. S. 288); Ver-
ordn. von demſelben Tage für Heſſiſche Sachen (S. 289); für Waldeck’ſche
Sachen §. 2 (S. 295.)
4) Gerichtsverf.Geſ. §. 136 Ziff. 1. Der erſte Senat des Reichsgerichts
hat bei dieſen Fällen die Funktionen der Strafkammer zu verſehen, während
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[60/0070] §. 99. Die Gerichtsbarkeit des Reichs. Landtages zur Stellung des Antrages befugt iſt. Aus der Aus- drucksweiſe des Reichsgeſetzes, welches einen Antrag des „Bundes- ſtaates“ verlangt, kann nicht gefolgert werden, daß die Bundes- regierungen hierzu nicht befugt ſeien; denn der Antrag wird in allen Fällen von der Landesregierung im Namen des Staates beim Bundesrath geſtellt. Dem Bundesrath iſt es zwar unbe- nommen, die Legitimation der betreffenden Regierungen zu prüfen, er iſt hierzu aber nicht verpflichtet, ſondern er kann die Verant- wortung für den Antrag der Regierung überlaſſen. Iſt aber ein- mal die Kaiſerl. Verordnung gemäß §. 3 Abſ. 2 cit. formell ord- nungsgemäß ergangen, ſo iſt die Rechtsgültigkeit derſelben unab- hängig von der Entſcheidung der Frage, ob die betreffende Landes- regierung den Antrag bei der Reichsregierung befugter oder unbe- fugter Weiſe geſtellt hat 1). Von der Befugniß zur Stellung eines ſolchen Antrags haben Gebrauch gemacht hinſichtlich der in erſter Inſtanz zur Zuſtändig- keit der Generalkommiſſionen oder der dieſen entſprechenden Be- hörden gehörenden Rechtsſtreitigkeiten über Gemeinheitstheilungen, Zuſammenlegungen von Grundſtücken, Ablöſungen u. ſ. w. Preußen, Anhalt, Weimar, Meiningen, beide Schwarzburg, Waldeck und Schaumburg-Lippe 2); ferner hinſichtlich der bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten der Landesherren und der Mit- glieder des landesherrlichen Hauſes Preußen, Heſſen und Waldeck 3). 2. In Strafſachen. Das Reichsgericht iſt zuſtändig: a) in erſter und letzter Inſtanz für die Unterſuchung und Entſcheidung in den Fällen des Hochverraths und des Landesver- rathes, inſofern dieſe Verbrechen gegen den Kaiſer oder das Reich gerichtet ſind 4). Hierdurch iſt Art. 75 der Reichsverf. aufgehoben 1) Vgl. Bd. I. S. 119 ff. Bd. II. S. 86 ff. Auch die Prot. der Reichs- tagskomm. S. 433. (Hahn 645.) 2) Kaiſerl. Verordn. v. 26. Septemb. 1879 §. 1 (R.G.Bl. S. 287) und Verordnungen vom gleichen Tage S. 291 ff. 3) Kaiſerl. Verordn. v. 26. Septemb. 1879 §. 2 (R.G.Bl. S. 288); Ver- ordn. von demſelben Tage für Heſſiſche Sachen (S. 289); für Waldeck’ſche Sachen §. 2 (S. 295.) 4) Gerichtsverf.Geſ. §. 136 Ziff. 1. Der erſte Senat des Reichsgerichts hat bei dieſen Fällen die Funktionen der Strafkammer zu verſehen, während

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/70>, abgerufen am 21.12.2024.