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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 98. Die Gerichtsbarkeit der Einzelstaaten.
des dem Reichskanzler unterstellten Reichsjustizamtes bewirkt 1).
Wenn hierbei Mängel hervortreten, deren Abstellung die Regierung
des Einzelstaates trotz einer Anregung des Reichskanzlers verwei-
gert, so entscheidet der Bundesrath über die richtige Auslegung
und Handhabung der Reichsgesetze 2). Für die Gerichtsbarkeit gel-
ten keine, von diesen allgemeinen Prinzipien abweichende Regeln
und es ist demnach hier einfach auf die Erörterungen zu verwei-
sen, welche Bd. I S. 255--261 und Bd. II S. 232--237 gegeben
worden sind. Nur ist selbstverständlich hierbei zu beachten, daß
soweit die Regierungen der Einzelstaaten nicht befugt sind, auf die
Thätigkeit der Gerichte einzuwirken, auch der Reichskanzler nicht
befugt ist, den Regierungen gegenüber unter Berufung auf das
kaiserl. Beaufsichtigungsrecht eine Kontrole und Kritik über die
Handhabung der Gerichtsbarkeit auszuüben oder die Unabhängig-
keit der Gerichte anzutasten. Die Kompetenz des Reichskanzlers
und event. des Bundesrathes ist im Wesentlichen auf die Beauf-
sichtigung der Justizverwaltung beschränkt, insbesondere darauf,
daß in den Einzelstaaten die im Gerichtsverfassungsgesetz vorge-
zeichneten Behörden-Organisationen wirklich durchgeführt, die er-
forderlichen Gerichte, Staatsanwaltschaften u. s. w. errichtet und
mit qualifizirten Beamten besetzt werden und daß die Gerichte bei
ihren Amtsverrichtungen vor unerlaubten Einwirkungen der Ver-
waltungsbehörden u. dgl. gewahrt bleiben 3). Der Fall einer Justiz-
verweigerung
kann auf dem Gebiet der ordentlichen streitigen
Gerichtsbarkeit seit dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze nicht
leicht vorkommen; sollten unvorherzusehende Umstände ihn dennoch
herbeiführen, so würde gemäß Art. 77 der R.V. der Bundesrath
die Beschwerde zu prüfen und die Abhülfe zu bewirken haben 4).

II. Die reichsgesetzlich nicht normirte Gerichts-
barkeit
.

Das gesammte Gebiet der Gerichtsbarkeit, welches nicht unter
die Kriterien der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit fällt, ist der
freien Autonomie und Verwaltung Seitens der Einzelstaaten

1) Reichsverf. Art. 17.
2) Reichsverf. Art. 7 Ziff. 3.
3) Vgl. Bd. I. S. 305.
4) Siehe Bd. I. S. 267. 268.

§. 98. Die Gerichtsbarkeit der Einzelſtaaten.
des dem Reichskanzler unterſtellten Reichsjuſtizamtes bewirkt 1).
Wenn hierbei Mängel hervortreten, deren Abſtellung die Regierung
des Einzelſtaates trotz einer Anregung des Reichskanzlers verwei-
gert, ſo entſcheidet der Bundesrath über die richtige Auslegung
und Handhabung der Reichsgeſetze 2). Für die Gerichtsbarkeit gel-
ten keine, von dieſen allgemeinen Prinzipien abweichende Regeln
und es iſt demnach hier einfach auf die Erörterungen zu verwei-
ſen, welche Bd. I S. 255—261 und Bd. II S. 232—237 gegeben
worden ſind. Nur iſt ſelbſtverſtändlich hierbei zu beachten, daß
ſoweit die Regierungen der Einzelſtaaten nicht befugt ſind, auf die
Thätigkeit der Gerichte einzuwirken, auch der Reichskanzler nicht
befugt iſt, den Regierungen gegenüber unter Berufung auf das
kaiſerl. Beaufſichtigungsrecht eine Kontrole und Kritik über die
Handhabung der Gerichtsbarkeit auszuüben oder die Unabhängig-
keit der Gerichte anzutaſten. Die Kompetenz des Reichskanzlers
und event. des Bundesrathes iſt im Weſentlichen auf die Beauf-
ſichtigung der Juſtizverwaltung beſchränkt, insbeſondere darauf,
daß in den Einzelſtaaten die im Gerichtsverfaſſungsgeſetz vorge-
zeichneten Behörden-Organiſationen wirklich durchgeführt, die er-
forderlichen Gerichte, Staatsanwaltſchaften u. ſ. w. errichtet und
mit qualifizirten Beamten beſetzt werden und daß die Gerichte bei
ihren Amtsverrichtungen vor unerlaubten Einwirkungen der Ver-
waltungsbehörden u. dgl. gewahrt bleiben 3). Der Fall einer Juſtiz-
verweigerung
kann auf dem Gebiet der ordentlichen ſtreitigen
Gerichtsbarkeit ſeit dem Inkrafttreten der Reichsjuſtizgeſetze nicht
leicht vorkommen; ſollten unvorherzuſehende Umſtände ihn dennoch
herbeiführen, ſo würde gemäß Art. 77 der R.V. der Bundesrath
die Beſchwerde zu prüfen und die Abhülfe zu bewirken haben 4).

II. Die reichsgeſetzlich nicht normirte Gerichts-
barkeit
.

Das geſammte Gebiet der Gerichtsbarkeit, welches nicht unter
die Kriterien der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit fällt, iſt der
freien Autonomie und Verwaltung Seitens der Einzelſtaaten

1) Reichsverf. Art. 17.
2) Reichsverf. Art. 7 Ziff. 3.
3) Vgl. Bd. I. S. 305.
4) Siehe Bd. I. S. 267. 268.
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[52/0062] §. 98. Die Gerichtsbarkeit der Einzelſtaaten. des dem Reichskanzler unterſtellten Reichsjuſtizamtes bewirkt 1). Wenn hierbei Mängel hervortreten, deren Abſtellung die Regierung des Einzelſtaates trotz einer Anregung des Reichskanzlers verwei- gert, ſo entſcheidet der Bundesrath über die richtige Auslegung und Handhabung der Reichsgeſetze 2). Für die Gerichtsbarkeit gel- ten keine, von dieſen allgemeinen Prinzipien abweichende Regeln und es iſt demnach hier einfach auf die Erörterungen zu verwei- ſen, welche Bd. I S. 255—261 und Bd. II S. 232—237 gegeben worden ſind. Nur iſt ſelbſtverſtändlich hierbei zu beachten, daß ſoweit die Regierungen der Einzelſtaaten nicht befugt ſind, auf die Thätigkeit der Gerichte einzuwirken, auch der Reichskanzler nicht befugt iſt, den Regierungen gegenüber unter Berufung auf das kaiſerl. Beaufſichtigungsrecht eine Kontrole und Kritik über die Handhabung der Gerichtsbarkeit auszuüben oder die Unabhängig- keit der Gerichte anzutaſten. Die Kompetenz des Reichskanzlers und event. des Bundesrathes iſt im Weſentlichen auf die Beauf- ſichtigung der Juſtizverwaltung beſchränkt, insbeſondere darauf, daß in den Einzelſtaaten die im Gerichtsverfaſſungsgeſetz vorge- zeichneten Behörden-Organiſationen wirklich durchgeführt, die er- forderlichen Gerichte, Staatsanwaltſchaften u. ſ. w. errichtet und mit qualifizirten Beamten beſetzt werden und daß die Gerichte bei ihren Amtsverrichtungen vor unerlaubten Einwirkungen der Ver- waltungsbehörden u. dgl. gewahrt bleiben 3). Der Fall einer Juſtiz- verweigerung kann auf dem Gebiet der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit ſeit dem Inkrafttreten der Reichsjuſtizgeſetze nicht leicht vorkommen; ſollten unvorherzuſehende Umſtände ihn dennoch herbeiführen, ſo würde gemäß Art. 77 der R.V. der Bundesrath die Beſchwerde zu prüfen und die Abhülfe zu bewirken haben 4). II. Die reichsgeſetzlich nicht normirte Gerichts- barkeit. Das geſammte Gebiet der Gerichtsbarkeit, welches nicht unter die Kriterien der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit fällt, iſt der freien Autonomie und Verwaltung Seitens der Einzelſtaaten 1) Reichsverf. Art. 17. 2) Reichsverf. Art. 7 Ziff. 3. 3) Vgl. Bd. I. S. 305. 4) Siehe Bd. I. S. 267. 268.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/62>, abgerufen am 21.12.2024.