Inventar des Staates. Die charakteristische Eigenschaft dieser Vermögensobjekte besteht darin, daß sie nicht freies, disponibles Kapital, sondern hinsichtlich ihrer Verwendung durch ihre Zweck- bestimmung gebunden sind 1). Das Finanzvermögen dagegen dient nicht direct den Staatszwecken, sondern setzt die Regierung durch seinen Kapitalswerth oder dessen Erträge in die Lage, einen Theil der für die Durchführung der Staatszwecke erforderlichen Kosten bestreiten zu können; es ist werbendes oder wirth- schaftliches Vermögen des Staates. Da Erwerb, Besitz und Verwaltung dieses Vermögens nicht selbst einen Zweck des Staates bilden, sondern demselben nur indirect die Erfüllung seiner Auf- gaben erleichtern sollen, so ist die Anlage und Verwaltung dieser Kapitalien eine freie, d. h. lediglich durch politische und finanz- wissenschaftliche Rücksichten bestimmte. Das Verwaltungsvermögen ist wesentliches, durch den Staatszweck erfordertes Vermögen des Fiskus; das Finanzvermögen ist zufälliges, durch die hi- storische Entwicklung der Finanzwirthschaft dem Fiskus überliefertes Vermögen. Als Subject des Finanzvermögens erscheint der Staat als Kapitalist, der sein Vermögen zu seinem pekuniären Vortheil ausbeutet; als Subject des Verwaltungsvermögens stellt der Fis- kus sein Vermögen dem öffentlichen Dienst zu Gebot. Daraus ergiebt sich, daß das Finanzvermögen im Wesentlichen unter den allgemeinen Regeln des Privatrechts steht, während dieselben hin- sichtlich des Verwaltungsvermögens durch verwaltungsrechtliche Sätze nicht unwesentlich modifizirt sind.
A.Das Finanzvermögen.
Weder der norddeutsche Bund noch das Deutsche Reich haben bei ihrer Entstehung freies, werbendes Vermögen besessen, da den Bundesgliedern die Abtretung eines solchen an das Reich nicht auferlegt wurde. Durch den glücklichen Ausgang des Französischen Krieges aber ist das Deutsche Reich früher, als es nach der natür- lichen Entwicklung seiner Finanzwirthschaft zu erwarten gewesen ist, in den Besitz von Finanzvermögen gekommen, indem ein Theil
1) Dies schließt aber weder den Kapitalswerth noch den finanziellen Nutzen dieses Vermögens aus, da die Benutzung und Verwendung desselben Seitens der Verwaltungsbehörden den Baaraufwand (z. B. die Zahlung von Mieths- preisen für Amtslokale) erübrigt oder vermindert.
§. 108. Das active Reichsvermögen.
Inventar des Staates. Die charakteriſtiſche Eigenſchaft dieſer Vermögensobjekte beſteht darin, daß ſie nicht freies, disponibles Kapital, ſondern hinſichtlich ihrer Verwendung durch ihre Zweck- beſtimmung gebunden ſind 1). Das Finanzvermögen dagegen dient nicht direct den Staatszwecken, ſondern ſetzt die Regierung durch ſeinen Kapitalswerth oder deſſen Erträge in die Lage, einen Theil der für die Durchführung der Staatszwecke erforderlichen Koſten beſtreiten zu können; es iſt werbendes oder wirth- ſchaftliches Vermögen des Staates. Da Erwerb, Beſitz und Verwaltung dieſes Vermögens nicht ſelbſt einen Zweck des Staates bilden, ſondern demſelben nur indirect die Erfüllung ſeiner Auf- gaben erleichtern ſollen, ſo iſt die Anlage und Verwaltung dieſer Kapitalien eine freie, d. h. lediglich durch politiſche und finanz- wiſſenſchaftliche Rückſichten beſtimmte. Das Verwaltungsvermögen iſt weſentliches, durch den Staatszweck erfordertes Vermögen des Fiskus; das Finanzvermögen iſt zufälliges, durch die hi- ſtoriſche Entwicklung der Finanzwirthſchaft dem Fiskus überliefertes Vermögen. Als Subject des Finanzvermögens erſcheint der Staat als Kapitaliſt, der ſein Vermögen zu ſeinem pekuniären Vortheil ausbeutet; als Subject des Verwaltungsvermögens ſtellt der Fis- kus ſein Vermögen dem öffentlichen Dienſt zu Gebot. Daraus ergiebt ſich, daß das Finanzvermögen im Weſentlichen unter den allgemeinen Regeln des Privatrechts ſteht, während dieſelben hin- ſichtlich des Verwaltungsvermögens durch verwaltungsrechtliche Sätze nicht unweſentlich modifizirt ſind.
A.Das Finanzvermögen.
Weder der norddeutſche Bund noch das Deutſche Reich haben bei ihrer Entſtehung freies, werbendes Vermögen beſeſſen, da den Bundesgliedern die Abtretung eines ſolchen an das Reich nicht auferlegt wurde. Durch den glücklichen Ausgang des Franzöſiſchen Krieges aber iſt das Deutſche Reich früher, als es nach der natür- lichen Entwicklung ſeiner Finanzwirthſchaft zu erwarten geweſen iſt, in den Beſitz von Finanzvermögen gekommen, indem ein Theil
1) Dies ſchließt aber weder den Kapitalswerth noch den finanziellen Nutzen dieſes Vermögens aus, da die Benutzung und Verwendung deſſelben Seitens der Verwaltungsbehörden den Baaraufwand (z. B. die Zahlung von Mieths- preiſen für Amtslokale) erübrigt oder vermindert.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0212"n="202"/><fwplace="top"type="header">§. 108. Das active Reichsvermögen.</fw><lb/><hirendition="#g">Inventar</hi> des Staates. Die charakteriſtiſche Eigenſchaft dieſer<lb/>
Vermögensobjekte beſteht darin, daß ſie nicht freies, disponibles<lb/>
Kapital, ſondern hinſichtlich ihrer Verwendung durch ihre Zweck-<lb/>
beſtimmung <hirendition="#g">gebunden</hi>ſind <noteplace="foot"n="1)">Dies ſchließt aber weder den Kapitalswerth noch den finanziellen Nutzen<lb/>
dieſes Vermögens aus, da die Benutzung und Verwendung deſſelben Seitens<lb/>
der Verwaltungsbehörden den Baaraufwand (z. B. die Zahlung von Mieths-<lb/>
preiſen für Amtslokale) erübrigt oder vermindert.</note>. Das Finanzvermögen dagegen<lb/>
dient nicht direct den Staatszwecken, ſondern ſetzt die Regierung<lb/>
durch ſeinen Kapitalswerth oder deſſen Erträge in die Lage, einen<lb/>
Theil der für die Durchführung der Staatszwecke erforderlichen<lb/>
Koſten beſtreiten zu können; es iſt <hirendition="#g">werbendes</hi> oder <hirendition="#g">wirth-<lb/>ſchaftliches</hi> Vermögen des Staates. Da Erwerb, Beſitz und<lb/>
Verwaltung dieſes Vermögens nicht ſelbſt einen Zweck des Staates<lb/>
bilden, ſondern demſelben nur indirect die Erfüllung ſeiner Auf-<lb/>
gaben erleichtern ſollen, ſo iſt die Anlage und Verwaltung dieſer<lb/>
Kapitalien eine <hirendition="#g">freie</hi>, d. h. lediglich durch politiſche und finanz-<lb/>
wiſſenſchaftliche Rückſichten beſtimmte. Das Verwaltungsvermögen<lb/>
iſt <hirendition="#g">weſentliches</hi>, durch den Staatszweck erfordertes Vermögen<lb/>
des Fiskus; das Finanzvermögen iſt <hirendition="#g">zufälliges</hi>, durch die hi-<lb/>ſtoriſche Entwicklung der Finanzwirthſchaft dem Fiskus überliefertes<lb/>
Vermögen. Als Subject des Finanzvermögens erſcheint der Staat<lb/>
als Kapitaliſt, der ſein Vermögen zu ſeinem pekuniären Vortheil<lb/>
ausbeutet; als Subject des Verwaltungsvermögens ſtellt der Fis-<lb/>
kus ſein Vermögen dem öffentlichen Dienſt zu Gebot. Daraus<lb/>
ergiebt ſich, daß das Finanzvermögen im Weſentlichen unter den<lb/>
allgemeinen Regeln des Privatrechts ſteht, während dieſelben hin-<lb/>ſichtlich des Verwaltungsvermögens durch verwaltungsrechtliche<lb/>
Sätze nicht unweſentlich modifizirt ſind.</p><lb/><divn="4"><head><hirendition="#aq">A.</hi><hirendition="#g">Das Finanzvermögen</hi>.</head><lb/><p>Weder der norddeutſche Bund noch das Deutſche Reich haben<lb/>
bei ihrer Entſtehung freies, werbendes Vermögen beſeſſen, da den<lb/>
Bundesgliedern die Abtretung eines ſolchen an das Reich nicht<lb/>
auferlegt wurde. Durch den glücklichen Ausgang des Franzöſiſchen<lb/>
Krieges aber iſt das Deutſche Reich früher, als es nach der natür-<lb/>
lichen Entwicklung ſeiner Finanzwirthſchaft zu erwarten geweſen<lb/>
iſt, in den Beſitz von Finanzvermögen gekommen, indem ein Theil<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[202/0212]
§. 108. Das active Reichsvermögen.
Inventar des Staates. Die charakteriſtiſche Eigenſchaft dieſer
Vermögensobjekte beſteht darin, daß ſie nicht freies, disponibles
Kapital, ſondern hinſichtlich ihrer Verwendung durch ihre Zweck-
beſtimmung gebunden ſind 1). Das Finanzvermögen dagegen
dient nicht direct den Staatszwecken, ſondern ſetzt die Regierung
durch ſeinen Kapitalswerth oder deſſen Erträge in die Lage, einen
Theil der für die Durchführung der Staatszwecke erforderlichen
Koſten beſtreiten zu können; es iſt werbendes oder wirth-
ſchaftliches Vermögen des Staates. Da Erwerb, Beſitz und
Verwaltung dieſes Vermögens nicht ſelbſt einen Zweck des Staates
bilden, ſondern demſelben nur indirect die Erfüllung ſeiner Auf-
gaben erleichtern ſollen, ſo iſt die Anlage und Verwaltung dieſer
Kapitalien eine freie, d. h. lediglich durch politiſche und finanz-
wiſſenſchaftliche Rückſichten beſtimmte. Das Verwaltungsvermögen
iſt weſentliches, durch den Staatszweck erfordertes Vermögen
des Fiskus; das Finanzvermögen iſt zufälliges, durch die hi-
ſtoriſche Entwicklung der Finanzwirthſchaft dem Fiskus überliefertes
Vermögen. Als Subject des Finanzvermögens erſcheint der Staat
als Kapitaliſt, der ſein Vermögen zu ſeinem pekuniären Vortheil
ausbeutet; als Subject des Verwaltungsvermögens ſtellt der Fis-
kus ſein Vermögen dem öffentlichen Dienſt zu Gebot. Daraus
ergiebt ſich, daß das Finanzvermögen im Weſentlichen unter den
allgemeinen Regeln des Privatrechts ſteht, während dieſelben hin-
ſichtlich des Verwaltungsvermögens durch verwaltungsrechtliche
Sätze nicht unweſentlich modifizirt ſind.
A. Das Finanzvermögen.
Weder der norddeutſche Bund noch das Deutſche Reich haben
bei ihrer Entſtehung freies, werbendes Vermögen beſeſſen, da den
Bundesgliedern die Abtretung eines ſolchen an das Reich nicht
auferlegt wurde. Durch den glücklichen Ausgang des Franzöſiſchen
Krieges aber iſt das Deutſche Reich früher, als es nach der natür-
lichen Entwicklung ſeiner Finanzwirthſchaft zu erwarten geweſen
iſt, in den Beſitz von Finanzvermögen gekommen, indem ein Theil
1) Dies ſchließt aber weder den Kapitalswerth noch den finanziellen Nutzen
dieſes Vermögens aus, da die Benutzung und Verwendung deſſelben Seitens
der Verwaltungsbehörden den Baaraufwand (z. B. die Zahlung von Mieths-
preiſen für Amtslokale) erübrigt oder vermindert.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/212>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.