Der Vorstand hat die Disciplinar-Strafgewalt über die Mit- glieder zu handhaben, auf Antrag Streitigkeiten unter den Mit- gliedern der Kammer oder zwischen einem Mitgliede und dessen Auftraggeber zu vermitteln, Gutachten auf Erfordern der Landes- justizverwaltung oder der Gerichte zu erstatten und das Vermögen der Kammer zu verwalten 1). Sowohl der Vorstand als auch die Kammer sind berechtigt, Vorstellungen und Anträge, welche das Interesse der Rechtspflege oder der Rechtsanwaltschaft betreffen, an die Landesjustizverwaltung zu richten 2). Der Anwaltskammer bei dem Reichsgericht steht dieselbe Befugniß gegenüber dem Reichs- kanzler zu 3). Die Geschäfte des Vorstandes werden unentgeldlich geführt 4); die Wahl zum Mitgliede darf nur derjenige ablehnen, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, und wer die letzten vier Jahre Mitglied des Vorstandes gewesen ist, für die nächsten vier Jahre 5). Der Vorsitzende hat jährlich der Landesjustizverwaltung und dem Oberlandesgericht einen schriftlichen Bericht über die Thätigkeit der Kammer und des Vorstandes zu erstatten 6).
IV.Disciplinar-Strafgewalt.
Die Rechtsanwälte sind in Hinsicht auf die Verletzung der ihnen obliegenden Berufspflichten einer Disciplinargewalt unter- worfen, welche sich in ihrem Begriff und Wesen von der Discipli- nargewalt über Beamte in Nichts unterscheidet 7). Die Hand- habung derselben ist den Vorständen der Anwaltskammern über- tragen, wie ja auch bei andern Gewerbetreibenden die Innungs- vorstände eine, bisweilen weitreichende Disciplinargewalt haben; nur ist freilich bei der Ausübung der Disciplinargewalt über Rechts- anwälte der Staat in höherem Grade interessirt als bei anderen Gewerben. Durch das Reichsgesetz ist daher nicht nur die Hand- habung der Disciplinargewalt über Rechtsanwälte bis in das Ein- zelne geregelt, sondern es ist auch eine Mitwirkung der Staats-
1) a. a. O. §. 49.
2) a. a. O. §. 50.
3) ebenda §. 98.
4) ebenda §. 51.
5) ebenda §. 45.
6) ebend. §. 61. Hinsichtlich des Reichsgerichts vgl. §. 98.
7) Vgl. Bd. I. S. 447 ff.
§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.
Der Vorſtand hat die Disciplinar-Strafgewalt über die Mit- glieder zu handhaben, auf Antrag Streitigkeiten unter den Mit- gliedern der Kammer oder zwiſchen einem Mitgliede und deſſen Auftraggeber zu vermitteln, Gutachten auf Erfordern der Landes- juſtizverwaltung oder der Gerichte zu erſtatten und das Vermögen der Kammer zu verwalten 1). Sowohl der Vorſtand als auch die Kammer ſind berechtigt, Vorſtellungen und Anträge, welche das Intereſſe der Rechtspflege oder der Rechtsanwaltſchaft betreffen, an die Landesjuſtizverwaltung zu richten 2). Der Anwaltskammer bei dem Reichsgericht ſteht dieſelbe Befugniß gegenüber dem Reichs- kanzler zu 3). Die Geſchäfte des Vorſtandes werden unentgeldlich geführt 4); die Wahl zum Mitgliede darf nur derjenige ablehnen, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, und wer die letzten vier Jahre Mitglied des Vorſtandes geweſen iſt, für die nächſten vier Jahre 5). Der Vorſitzende hat jährlich der Landesjuſtizverwaltung und dem Oberlandesgericht einen ſchriftlichen Bericht über die Thätigkeit der Kammer und des Vorſtandes zu erſtatten 6).
IV.Disciplinar-Strafgewalt.
Die Rechtsanwälte ſind in Hinſicht auf die Verletzung der ihnen obliegenden Berufspflichten einer Disciplinargewalt unter- worfen, welche ſich in ihrem Begriff und Weſen von der Discipli- nargewalt über Beamte in Nichts unterſcheidet 7). Die Hand- habung derſelben iſt den Vorſtänden der Anwaltskammern über- tragen, wie ja auch bei andern Gewerbetreibenden die Innungs- vorſtände eine, bisweilen weitreichende Disciplinargewalt haben; nur iſt freilich bei der Ausübung der Disciplinargewalt über Rechts- anwälte der Staat in höherem Grade intereſſirt als bei anderen Gewerben. Durch das Reichsgeſetz iſt daher nicht nur die Hand- habung der Disciplinargewalt über Rechtsanwälte bis in das Ein- zelne geregelt, ſondern es iſt auch eine Mitwirkung der Staats-
1) a. a. O. §. 49.
2) a. a. O. §. 50.
3) ebenda §. 98.
4) ebenda §. 51.
5) ebenda §. 45.
6) ebend. §. 61. Hinſichtlich des Reichsgerichts vgl. §. 98.
7) Vgl. Bd. I. S. 447 ff.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbn="122"facs="#f0132"/><fwtype="header"place="top">§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.</fw><lb/><p>Der Vorſtand hat die Disciplinar-Strafgewalt über die Mit-<lb/>
glieder zu handhaben, auf Antrag Streitigkeiten unter den Mit-<lb/>
gliedern der Kammer oder zwiſchen einem Mitgliede und deſſen<lb/>
Auftraggeber zu vermitteln, Gutachten auf Erfordern der Landes-<lb/>
juſtizverwaltung oder der Gerichte zu erſtatten und das Vermögen<lb/>
der Kammer zu verwalten <noteplace="foot"n="1)">a. a. O. §. 49.</note>. Sowohl der Vorſtand als auch die<lb/>
Kammer ſind berechtigt, Vorſtellungen und Anträge, welche das<lb/>
Intereſſe der Rechtspflege oder der Rechtsanwaltſchaft betreffen,<lb/>
an die Landesjuſtizverwaltung zu richten <noteplace="foot"n="2)">a. a. O. §. 50.</note>. Der Anwaltskammer<lb/>
bei dem Reichsgericht ſteht dieſelbe Befugniß gegenüber dem Reichs-<lb/>
kanzler zu <noteplace="foot"n="3)">ebenda §. 98.</note>. Die Geſchäfte des Vorſtandes werden unentgeldlich<lb/>
geführt <noteplace="foot"n="4)">ebenda §. 51.</note>; die Wahl zum Mitgliede darf nur derjenige ablehnen,<lb/>
der das 65. Lebensjahr vollendet hat, und wer die letzten vier<lb/>
Jahre Mitglied des Vorſtandes geweſen iſt, für die nächſten vier<lb/>
Jahre <noteplace="foot"n="5)">ebenda §. 45.</note>. Der Vorſitzende hat jährlich der Landesjuſtizverwaltung<lb/>
und dem Oberlandesgericht einen ſchriftlichen Bericht über die<lb/>
Thätigkeit der Kammer und des Vorſtandes zu erſtatten <noteplace="foot"n="6)">ebend. §. 61. Hinſichtlich des Reichsgerichts vgl. §. 98.</note>.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#aq">IV.</hi><hirendition="#g">Disciplinar-Strafgewalt</hi>.</head><lb/><p>Die Rechtsanwälte ſind in Hinſicht auf die Verletzung der<lb/>
ihnen obliegenden Berufspflichten einer Disciplinargewalt unter-<lb/>
worfen, welche ſich in ihrem Begriff und Weſen von der Discipli-<lb/>
nargewalt über Beamte in Nichts unterſcheidet <noteplace="foot"n="7)">Vgl. Bd. <hirendition="#aq">I.</hi> S. 447 ff.</note>. Die Hand-<lb/>
habung derſelben iſt den Vorſtänden der Anwaltskammern über-<lb/>
tragen, wie ja auch bei andern Gewerbetreibenden die Innungs-<lb/>
vorſtände eine, bisweilen weitreichende Disciplinargewalt haben;<lb/>
nur iſt freilich bei der Ausübung der Disciplinargewalt über Rechts-<lb/>
anwälte der Staat in höherem Grade intereſſirt als bei anderen<lb/>
Gewerben. Durch das Reichsgeſetz iſt daher nicht nur die Hand-<lb/>
habung der Disciplinargewalt über Rechtsanwälte bis in das Ein-<lb/>
zelne geregelt, ſondern es iſt auch eine Mitwirkung der Staats-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[122/0132]
§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.
Der Vorſtand hat die Disciplinar-Strafgewalt über die Mit-
glieder zu handhaben, auf Antrag Streitigkeiten unter den Mit-
gliedern der Kammer oder zwiſchen einem Mitgliede und deſſen
Auftraggeber zu vermitteln, Gutachten auf Erfordern der Landes-
juſtizverwaltung oder der Gerichte zu erſtatten und das Vermögen
der Kammer zu verwalten 1). Sowohl der Vorſtand als auch die
Kammer ſind berechtigt, Vorſtellungen und Anträge, welche das
Intereſſe der Rechtspflege oder der Rechtsanwaltſchaft betreffen,
an die Landesjuſtizverwaltung zu richten 2). Der Anwaltskammer
bei dem Reichsgericht ſteht dieſelbe Befugniß gegenüber dem Reichs-
kanzler zu 3). Die Geſchäfte des Vorſtandes werden unentgeldlich
geführt 4); die Wahl zum Mitgliede darf nur derjenige ablehnen,
der das 65. Lebensjahr vollendet hat, und wer die letzten vier
Jahre Mitglied des Vorſtandes geweſen iſt, für die nächſten vier
Jahre 5). Der Vorſitzende hat jährlich der Landesjuſtizverwaltung
und dem Oberlandesgericht einen ſchriftlichen Bericht über die
Thätigkeit der Kammer und des Vorſtandes zu erſtatten 6).
IV. Disciplinar-Strafgewalt.
Die Rechtsanwälte ſind in Hinſicht auf die Verletzung der
ihnen obliegenden Berufspflichten einer Disciplinargewalt unter-
worfen, welche ſich in ihrem Begriff und Weſen von der Discipli-
nargewalt über Beamte in Nichts unterſcheidet 7). Die Hand-
habung derſelben iſt den Vorſtänden der Anwaltskammern über-
tragen, wie ja auch bei andern Gewerbetreibenden die Innungs-
vorſtände eine, bisweilen weitreichende Disciplinargewalt haben;
nur iſt freilich bei der Ausübung der Disciplinargewalt über Rechts-
anwälte der Staat in höherem Grade intereſſirt als bei anderen
Gewerben. Durch das Reichsgeſetz iſt daher nicht nur die Hand-
habung der Disciplinargewalt über Rechtsanwälte bis in das Ein-
zelne geregelt, ſondern es iſt auch eine Mitwirkung der Staats-
1) a. a. O. §. 49.
2) a. a. O. §. 50.
3) ebenda §. 98.
4) ebenda §. 51.
5) ebenda §. 45.
6) ebend. §. 61. Hinſichtlich des Reichsgerichts vgl. §. 98.
7) Vgl. Bd. I. S. 447 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/132>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.