Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 59. Die Verordnungen des Reichs. §. 59. Die Verordnungen des Reichs. I. Ueber Begriff und Wesen der Verordnung stehen sich Die Durchsicht jeder größeren Gesetz- und Verordnungssamm- 1) Vgl. z. B. Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht (5. Aufl.) II. S. 94. Beseler, Deutsches Privatrecht I. §. 18. Förster, Preuß. Privatr. I. §. 9. Dernburg, Preuß. Privatr. I. §. 16 S. 29. G. Planck in Ihering's Jahrb. Bd. IX. S. 339. E. A. Chr. (v. Stockmar) in Aegidi's Zeitschr. f. Deutsches Staatsr. Bd. I. S. 203 fg. und namentlich Lor. v. Stein, Handb. der Verwaltungslehre I. S. 30 fg. S. 64 ff. (2. Aufl. 1876). 2) Diese Ansicht ist bei den Staatsrechtslehrern die herrschende. Unter ihren sehr zahlreichen Vertretern sind hervorzuheben: Zachariä, Staatsr. II. §. 160 (S. 168 ff.). v. Held, Verf.-R. II. S. 59 ff. v. Mohl, Staats- recht, Völkerr. u. Polit. II. S. 404 ff. v. Gerber, Grundzüge §. 48 S. 150. Ferner v. Mohl, Württemb. Staatsr. I. §. 33 S. 198. v. Pözl, Bayr. Verf.-R. §. 161. §. 163. v. Rönne, Preuß. Staatsr. I. 1. S. 172. 185 ff. Schulze, Preuß. Staatsr. II. S. 225. Böhlau, Mecklenb. Landr. I. §. 51. S. 311. Roth, Bayr. Civilr. I. §. 7 S. 95. Unger, System des österr. Privatr. I. S. 26. 27. Gneist, Verwaltung, Justiz, Rechtsweg S. 73: "Gesetz ist die mit Zustimmung der verfassungsmäßigen Landesvertretung er- lassene Verordnung; Verordnung der Ausdruck des Staatswillens ohne diese Zustimmung." 5*
§. 59. Die Verordnungen des Reichs. §. 59. Die Verordnungen des Reichs. I. Ueber Begriff und Weſen der Verordnung ſtehen ſich Die Durchſicht jeder größeren Geſetz- und Verordnungsſamm- 1) Vgl. z. B. Bluntſchli, Allgemeines Staatsrecht (5. Aufl.) II. S. 94. Beſeler, Deutſches Privatrecht I. §. 18. Förſter, Preuß. Privatr. I. §. 9. Dernburg, Preuß. Privatr. I. §. 16 S. 29. G. Planck in Ihering’s Jahrb. Bd. IX. S. 339. E. A. Chr. (v. Stockmar) in Aegidi’s Zeitſchr. f. Deutſches Staatsr. Bd. I. S. 203 fg. und namentlich Lor. v. Stein, Handb. der Verwaltungslehre I. S. 30 fg. S. 64 ff. (2. Aufl. 1876). 2) Dieſe Anſicht iſt bei den Staatsrechtslehrern die herrſchende. Unter ihren ſehr zahlreichen Vertretern ſind hervorzuheben: Zachariä, Staatsr. II. §. 160 (S. 168 ff.). v. Held, Verf.-R. II. S. 59 ff. v. Mohl, Staats- recht, Völkerr. u. Polit. II. S. 404 ff. v. Gerber, Grundzüge §. 48 S. 150. Ferner v. Mohl, Württemb. Staatsr. I. §. 33 S. 198. v. Pözl, Bayr. Verf.-R. §. 161. §. 163. v. Rönne, Preuß. Staatsr. I. 1. S. 172. 185 ff. Schulze, Preuß. Staatsr. II. S. 225. Böhlau, Mecklenb. Landr. I. §. 51. S. 311. Roth, Bayr. Civilr. I. §. 7 S. 95. Unger, Syſtem des öſterr. Privatr. I. S. 26. 27. Gneiſt, Verwaltung, Juſtiz, Rechtsweg S. 73: „Geſetz iſt die mit Zuſtimmung der verfaſſungsmäßigen Landesvertretung er- laſſene Verordnung; Verordnung der Ausdruck des Staatswillens ohne dieſe Zuſtimmung.“ 5*
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§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
§. 59. Die Verordnungen des Reichs.
I. Ueber Begriff und Weſen der Verordnung ſtehen ſich
in der Deutſchen Literatur zwei Anſichten gegenüber. Nach der
einen iſt die Verordnung eine Aeußerung der Verwaltungs-
oder Regierungsthätigkeit des Staates; ſie bildet den Gegenſatz
zum Geſetze; in ihr kommt nicht der Wille des Staates oder Vol-
kes, ſondern der Wille der Regierung oder des Königs zum Aus-
drucke; ſie findet Anwendung auf dem Gebiete, welches von der
Geſetzgebung der freien Thätigkeit der Verwaltungsbehörden über-
laſſen iſt; ſie iſt ein Ausfluß der ſogen. vollziehenden Gewalt 1).
Nach der anderen Anſicht iſt die Verordnung dem Geſetz gleich-
artig; ſie enthält Rechtsvorſchriften; der Ausdruck Geſetz im wei-
teren Sinne umfaßt die eigentlichen oder formellen Geſetze und
die Verordnungen; Verordnungen ſind demnach Geſetze, welche von
dem Staatsoberhaupt oder den mit dieſer Befugniß ausgeſtatteten
Behörden ohne Mitwirkung der Volksvertretung erlaſſen ſind 2).
Die Durchſicht jeder größeren Geſetz- und Verordnungsſamm-
lung lehrt, daß beide Anſichten für einen Theil der Verordnungen
richtig ſind. Es gibt zahlloſe Verordnungen, welche Rechtsſätze
enthalten und ſich materiell durchaus nicht von Geſetzen unterſchei-
den, welche gewiſſermaßen nur zufällig ſtatt in der Form des Ge-
1) Vgl. z. B. Bluntſchli, Allgemeines Staatsrecht (5. Aufl.) II. S. 94.
Beſeler, Deutſches Privatrecht I. §. 18. Förſter, Preuß. Privatr. I. §. 9.
Dernburg, Preuß. Privatr. I. §. 16 S. 29. G. Planck in Ihering’s
Jahrb. Bd. IX. S. 339. E. A. Chr. (v. Stockmar) in Aegidi’s Zeitſchr.
f. Deutſches Staatsr. Bd. I. S. 203 fg. und namentlich Lor. v. Stein,
Handb. der Verwaltungslehre I. S. 30 fg. S. 64 ff. (2. Aufl. 1876).
2) Dieſe Anſicht iſt bei den Staatsrechtslehrern die herrſchende. Unter
ihren ſehr zahlreichen Vertretern ſind hervorzuheben: Zachariä, Staatsr. II.
§. 160 (S. 168 ff.). v. Held, Verf.-R. II. S. 59 ff. v. Mohl, Staats-
recht, Völkerr. u. Polit. II. S. 404 ff. v. Gerber, Grundzüge §. 48 S. 150.
Ferner v. Mohl, Württemb. Staatsr. I. §. 33 S. 198. v. Pözl, Bayr.
Verf.-R. §. 161. §. 163. v. Rönne, Preuß. Staatsr. I. 1. S. 172. 185 ff.
Schulze, Preuß. Staatsr. II. S. 225. Böhlau, Mecklenb. Landr. I.
§. 51. S. 311. Roth, Bayr. Civilr. I. §. 7 S. 95. Unger, Syſtem des
öſterr. Privatr. I. S. 26. 27. Gneiſt, Verwaltung, Juſtiz, Rechtsweg S. 73:
„Geſetz iſt die mit Zuſtimmung der verfaſſungsmäßigen Landesvertretung er-
laſſene Verordnung; Verordnung der Ausdruck des Staatswillens ohne dieſe
Zuſtimmung.“
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