Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.

b) In den im §. 101 der Seemanns-Ordnung und im §. 8
des Ges. v. 27. Dezember 1872 aufgeführten Criminalfällen er-
folgt die Untersuchung und Entscheidung durch das Seemannsamt.
Gegen den Bescheid kann der Beschuldigte innerhalb einer zehn-
tägigen Frist von der Verkündigung oder der Zustellung ab auf
gerichtliche Entscheidung antragen. Für das weitere Verfahren ist
dann das inländische Gericht des Heimatshafens und event. des
deutschen Hafens, welchen das Schiff nach der Straffestsetzung zu-
erst erreicht, zuständig 1). Lautet der Bescheid des Konsulates aber
auf eine Geldstrafe, so ist er vorläufig vollstreckbar 2).

c) Polizeiliche Befugnisse.

Die Reichskonsuln sind befugt, über die Schiffe der Deutschen
Handelsmarine die Polizeigewalt auszuüben 3). Auch diese Be-
stimmung versteht sich mit der Einschränkung, daß die Konsuln
nicht in die Hoheitsrechte des Staates eingreifen dürfen, in dessen
Gebiet sie residiren. Das Reich kann seinen Konsuln nicht die
Polizeigewalt des fremden Staates, sondern nur seine eigenen
Rechte zur Ausübung übertragen. Dem Konsul steht es demge-
mäß zu, eine Kontrolle über die Befolgung der in der Seemanns-
Ordnung und den anderen auf die Seeschifffahrt bezüglichen Ge-
setzen des Deutschen Reiches und der Bundesstaaten enthaltenen
Vorschriften auszuüben; insbesondere darauf zu achten, daß die
auf die Gesundheit und die Sicherheit der Schiffsleute bezüglichen
Vorschriften nicht verletzt werden. Er wird Klagen der Schiffs-

stimmungen ist nicht, die Kompetenz der inländischen Gerichte durch Be-
gründung eines forum speciale zu beschränken, sondern die Einmischung der
ausländischen Gerichte auszuschließen; das Seemanns-Amt und bezw.
Konsulat bildet deshalb keine eigentliche Instanz im Sinne der Civilproceß-
Ordnung und die Beschreitung des Rechtsweges im Inlande ist keine Appella-
tion. -- Die Konsular-Verträge haben meistens die Schlichtung der Rechts-
streitigkeiten, welche zwischen dem Schiffer und den Schiffsleuten entstehen,
durch die Konsuln ausdrücklich zugelassen. Niederlande Art. 12. Ita-
lien
15. Spanien 15. Vereinigte Staaten 13. Rußland 11.
Vgl. Esperson II. Nro. 267 ff. S. 152.
1) Auf das Verfahren finden in diesem Falle die §§. 455--458 der Straf-
proceß-Ordn. Anwendung. Vgl. Einf.-Ges. zur St.-Pr.-Ordn. §. 5.
2) Ueber das von den Konsuln zu beobachtende Verfahren enthält die
Nachtrags-Instr. v. 22. Febr. 1873 zu §. 33 des Kons.-Ges. ausführliche
Vorschriften. Hänel und Lesse S. 78.
3) Konsulatsges. §. 33. Vgl. König, Handb. S. 270 ff.
§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.

β) In den im §. 101 der Seemanns-Ordnung und im §. 8
des Geſ. v. 27. Dezember 1872 aufgeführten Criminalfällen er-
folgt die Unterſuchung und Entſcheidung durch das Seemannsamt.
Gegen den Beſcheid kann der Beſchuldigte innerhalb einer zehn-
tägigen Friſt von der Verkündigung oder der Zuſtellung ab auf
gerichtliche Entſcheidung antragen. Für das weitere Verfahren iſt
dann das inländiſche Gericht des Heimatshafens und event. des
deutſchen Hafens, welchen das Schiff nach der Straffeſtſetzung zu-
erſt erreicht, zuſtändig 1). Lautet der Beſcheid des Konſulates aber
auf eine Geldſtrafe, ſo iſt er vorläufig vollſtreckbar 2).

c) Polizeiliche Befugniſſe.

Die Reichskonſuln ſind befugt, über die Schiffe der Deutſchen
Handelsmarine die Polizeigewalt auszuüben 3). Auch dieſe Be-
ſtimmung verſteht ſich mit der Einſchränkung, daß die Konſuln
nicht in die Hoheitsrechte des Staates eingreifen dürfen, in deſſen
Gebiet ſie reſidiren. Das Reich kann ſeinen Konſuln nicht die
Polizeigewalt des fremden Staates, ſondern nur ſeine eigenen
Rechte zur Ausübung übertragen. Dem Konſul ſteht es demge-
mäß zu, eine Kontrolle über die Befolgung der in der Seemanns-
Ordnung und den anderen auf die Seeſchifffahrt bezüglichen Ge-
ſetzen des Deutſchen Reiches und der Bundesſtaaten enthaltenen
Vorſchriften auszuüben; insbeſondere darauf zu achten, daß die
auf die Geſundheit und die Sicherheit der Schiffsleute bezüglichen
Vorſchriften nicht verletzt werden. Er wird Klagen der Schiffs-

ſtimmungen iſt nicht, die Kompetenz der inländiſchen Gerichte durch Be-
gründung eines forum speciale zu beſchränken, ſondern die Einmiſchung der
ausländiſchen Gerichte auszuſchließen; das Seemanns-Amt und bezw.
Konſulat bildet deshalb keine eigentliche Inſtanz im Sinne der Civilproceß-
Ordnung und die Beſchreitung des Rechtsweges im Inlande iſt keine Appella-
tion. — Die Konſular-Verträge haben meiſtens die Schlichtung der Rechts-
ſtreitigkeiten, welche zwiſchen dem Schiffer und den Schiffsleuten entſtehen,
durch die Konſuln ausdrücklich zugelaſſen. Niederlande Art. 12. Ita-
lien
15. Spanien 15. Vereinigte Staaten 13. Rußland 11.
Vgl. Esperson II. Nro. 267 ff. S. 152.
1) Auf das Verfahren finden in dieſem Falle die §§. 455—458 der Straf-
proceß-Ordn. Anwendung. Vgl. Einf.-Geſ. zur St.-Pr.-Ordn. §. 5.
2) Ueber das von den Konſuln zu beobachtende Verfahren enthält die
Nachtrags-Inſtr. v. 22. Febr. 1873 zu §. 33 des Konſ.-Geſ. ausführliche
Vorſchriften. Hänel und Leſſe S. 78.
3) Konſulatsgeſ. §. 33. Vgl. König, Handb. S. 270 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <pb facs="#f0274" n="260"/>
                  <fw place="top" type="header">§. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten.</fw><lb/>
                  <p>&#x03B2;) In den im §. 101 der Seemanns-Ordnung und im §. 8<lb/>
des Ge&#x017F;. v. 27. Dezember 1872 aufgeführten Criminalfällen er-<lb/>
folgt die Unter&#x017F;uchung und Ent&#x017F;cheidung durch das Seemannsamt.<lb/>
Gegen den Be&#x017F;cheid kann der Be&#x017F;chuldigte innerhalb einer zehn-<lb/>
tägigen Fri&#x017F;t von der Verkündigung oder der Zu&#x017F;tellung ab auf<lb/>
gerichtliche Ent&#x017F;cheidung antragen. Für das weitere Verfahren i&#x017F;t<lb/>
dann das inländi&#x017F;che Gericht des Heimatshafens und event. des<lb/>
deut&#x017F;chen Hafens, welchen das Schiff nach der Straffe&#x017F;t&#x017F;etzung zu-<lb/>
er&#x017F;t erreicht, zu&#x017F;tändig <note place="foot" n="1)">Auf das Verfahren finden in die&#x017F;em Falle die §§. 455&#x2014;458 der Straf-<lb/>
proceß-Ordn. Anwendung. Vgl. Einf.-Ge&#x017F;. zur St.-Pr.-Ordn. §. 5.</note>. Lautet der Be&#x017F;cheid des Kon&#x017F;ulates aber<lb/>
auf eine Geld&#x017F;trafe, &#x017F;o i&#x017F;t er vorläufig voll&#x017F;treckbar <note place="foot" n="2)">Ueber das von den Kon&#x017F;uln zu beobachtende Verfahren enthält die<lb/><hi rendition="#g">Nachtrags-In&#x017F;tr</hi>. v. 22. Febr. 1873 zu §. 33 des Kon&#x017F;.-Ge&#x017F;. ausführliche<lb/>
Vor&#x017F;chriften. <hi rendition="#g">Hänel</hi> und <hi rendition="#g">Le&#x017F;&#x017F;e</hi> S. 78.</note>.</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head><hi rendition="#aq">c</hi>) <hi rendition="#g">Polizeiliche Befugni&#x017F;&#x017F;e</hi>.</head><lb/>
                  <p>Die Reichskon&#x017F;uln &#x017F;ind befugt, über die Schiffe der Deut&#x017F;chen<lb/>
Handelsmarine die Polizeigewalt auszuüben <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#g">Kon&#x017F;ulatsge&#x017F;</hi>. §. 33. Vgl. <hi rendition="#g">König</hi>, Handb. S. 270 ff.</note>. Auch die&#x017F;e Be-<lb/>
&#x017F;timmung ver&#x017F;teht &#x017F;ich mit der Ein&#x017F;chränkung, daß die Kon&#x017F;uln<lb/>
nicht in die Hoheitsrechte des Staates eingreifen dürfen, in de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Gebiet &#x017F;ie re&#x017F;idiren. Das Reich kann &#x017F;einen Kon&#x017F;uln nicht die<lb/>
Polizeigewalt des fremden Staates, &#x017F;ondern nur &#x017F;eine eigenen<lb/>
Rechte zur Ausübung übertragen. Dem Kon&#x017F;ul &#x017F;teht es demge-<lb/>
mäß zu, eine Kontrolle über die Befolgung der in der Seemanns-<lb/>
Ordnung und den anderen auf die See&#x017F;chifffahrt bezüglichen Ge-<lb/>
&#x017F;etzen des Deut&#x017F;chen Reiches und der Bundes&#x017F;taaten enthaltenen<lb/>
Vor&#x017F;chriften auszuüben; insbe&#x017F;ondere darauf zu achten, daß die<lb/>
auf die Ge&#x017F;undheit und die Sicherheit der Schiffsleute bezüglichen<lb/>
Vor&#x017F;chriften nicht verletzt werden. Er wird Klagen der Schiffs-<lb/><note xml:id="seg2pn_33_2" prev="#seg2pn_33_1" place="foot" n="4)">&#x017F;timmungen i&#x017F;t nicht, die Kompetenz der <hi rendition="#g">inländi&#x017F;chen</hi> Gerichte durch Be-<lb/>
gründung eines <hi rendition="#aq">forum speciale</hi> zu be&#x017F;chränken, &#x017F;ondern die Einmi&#x017F;chung der<lb/><hi rendition="#g">ausländi&#x017F;chen</hi> Gerichte auszu&#x017F;chließen; das Seemanns-Amt und bezw.<lb/>
Kon&#x017F;ulat bildet deshalb keine eigentliche In&#x017F;tanz im Sinne der Civilproceß-<lb/>
Ordnung und die Be&#x017F;chreitung des Rechtsweges im Inlande i&#x017F;t keine Appella-<lb/>
tion. &#x2014; Die Kon&#x017F;ular-Verträge haben mei&#x017F;tens die Schlichtung der Rechts-<lb/>
&#x017F;treitigkeiten, welche zwi&#x017F;chen dem Schiffer und den Schiffsleuten ent&#x017F;tehen,<lb/>
durch die Kon&#x017F;uln ausdrücklich zugela&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#g">Niederlande</hi> Art. 12. <hi rendition="#g">Ita-<lb/>
lien</hi> 15. <hi rendition="#g">Spanien</hi> 15. <hi rendition="#g">Vereinigte Staaten</hi> 13. <hi rendition="#g">Rußland</hi> 11.<lb/>
Vgl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Esperson</hi> II.</hi> Nro. 267 ff. S. 152.</note><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[260/0274] §. 70. Die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. β) In den im §. 101 der Seemanns-Ordnung und im §. 8 des Geſ. v. 27. Dezember 1872 aufgeführten Criminalfällen er- folgt die Unterſuchung und Entſcheidung durch das Seemannsamt. Gegen den Beſcheid kann der Beſchuldigte innerhalb einer zehn- tägigen Friſt von der Verkündigung oder der Zuſtellung ab auf gerichtliche Entſcheidung antragen. Für das weitere Verfahren iſt dann das inländiſche Gericht des Heimatshafens und event. des deutſchen Hafens, welchen das Schiff nach der Straffeſtſetzung zu- erſt erreicht, zuſtändig 1). Lautet der Beſcheid des Konſulates aber auf eine Geldſtrafe, ſo iſt er vorläufig vollſtreckbar 2). c) Polizeiliche Befugniſſe. Die Reichskonſuln ſind befugt, über die Schiffe der Deutſchen Handelsmarine die Polizeigewalt auszuüben 3). Auch dieſe Be- ſtimmung verſteht ſich mit der Einſchränkung, daß die Konſuln nicht in die Hoheitsrechte des Staates eingreifen dürfen, in deſſen Gebiet ſie reſidiren. Das Reich kann ſeinen Konſuln nicht die Polizeigewalt des fremden Staates, ſondern nur ſeine eigenen Rechte zur Ausübung übertragen. Dem Konſul ſteht es demge- mäß zu, eine Kontrolle über die Befolgung der in der Seemanns- Ordnung und den anderen auf die Seeſchifffahrt bezüglichen Ge- ſetzen des Deutſchen Reiches und der Bundesſtaaten enthaltenen Vorſchriften auszuüben; insbeſondere darauf zu achten, daß die auf die Geſundheit und die Sicherheit der Schiffsleute bezüglichen Vorſchriften nicht verletzt werden. Er wird Klagen der Schiffs- 4) 1) Auf das Verfahren finden in dieſem Falle die §§. 455—458 der Straf- proceß-Ordn. Anwendung. Vgl. Einf.-Geſ. zur St.-Pr.-Ordn. §. 5. 2) Ueber das von den Konſuln zu beobachtende Verfahren enthält die Nachtrags-Inſtr. v. 22. Febr. 1873 zu §. 33 des Konſ.-Geſ. ausführliche Vorſchriften. Hänel und Leſſe S. 78. 3) Konſulatsgeſ. §. 33. Vgl. König, Handb. S. 270 ff. 4) ſtimmungen iſt nicht, die Kompetenz der inländiſchen Gerichte durch Be- gründung eines forum speciale zu beſchränken, ſondern die Einmiſchung der ausländiſchen Gerichte auszuſchließen; das Seemanns-Amt und bezw. Konſulat bildet deshalb keine eigentliche Inſtanz im Sinne der Civilproceß- Ordnung und die Beſchreitung des Rechtsweges im Inlande iſt keine Appella- tion. — Die Konſular-Verträge haben meiſtens die Schlichtung der Rechts- ſtreitigkeiten, welche zwiſchen dem Schiffer und den Schiffsleuten entſtehen, durch die Konſuln ausdrücklich zugelaſſen. Niederlande Art. 12. Ita- lien 15. Spanien 15. Vereinigte Staaten 13. Rußland 11. Vgl. Esperson II. Nro. 267 ff. S. 152.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/274
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/274>, abgerufen am 03.12.2024.