Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen. der zweite mit der Vereinigung des im Friedensvertrage v. 26. Febr.1871 abgetretenen Gebietes mit dem Deutschen Reiche, der dritte mit der Einführung der Deutschen Reichsverfassung im Reichslande. I. Die Zeit der kriegerischen Occupation. 1. Die Rechtsregeln, welche für diese Periode zur Anwendung a) Die französische Gesetzgebungsbefugniß erlosch in dem Ge- 1) Vgl. hierzu die Erörterungen von Löning, Die Verwaltung des General-Gouvernem. im Elsaß. Straßb. 1874 S. 8 ff. 2) Löning a. a. O. S. 26 ff.
§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. der zweite mit der Vereinigung des im Friedensvertrage v. 26. Febr.1871 abgetretenen Gebietes mit dem Deutſchen Reiche, der dritte mit der Einführung der Deutſchen Reichsverfaſſung im Reichslande. I. Die Zeit der kriegeriſchen Occupation. 1. Die Rechtsregeln, welche für dieſe Periode zur Anwendung a) Die franzöſiſche Geſetzgebungsbefugniß erloſch in dem Ge- 1) Vgl. hierzu die Erörterungen von Löning, Die Verwaltung des General-Gouvernem. im Elſaß. Straßb. 1874 S. 8 ff. 2) Löning a. a. O. S. 26 ff.
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§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
der zweite mit der Vereinigung des im Friedensvertrage v. 26. Febr.
1871 abgetretenen Gebietes mit dem Deutſchen Reiche, der dritte
mit der Einführung der Deutſchen Reichsverfaſſung im Reichslande.
I. Die Zeit der kriegeriſchen Occupation.
1. Die Rechtsregeln, welche für dieſe Periode zur Anwendung
zu bringen ſind, beruhen auf dem völkerrechtlichen Prinzip, daß
durch die kriegeriſche Beſetzung eines Gebietes die ſtaatliche Zuge-
hörigkeit deſſelben rechtlich nicht aufgehoben oder verändert wird,
wohl aber thatſächlich die Ausübung der einheimiſchen
Staatsgewalt ſuspendirt und auf die occupirende Macht übertra-
gen wird 1). Bis zum Friedensſchluß war Elſaß-Lothringen ein
Theil Frankreichs, nicht Deutſchlands; aber die franzöſiſche Staats-
gewalt konnte in den von den Deutſchen Heeren beſetzten Gebieten
ſich nicht wirkſam äußern, ihre Handhabung und Ausübung war
dem Oberbefehlshaber der Deutſchen Heere, d. h. dem Könige von
Preußen zugefallen. Die Suſpenſion der franzöſiſchen Staatsge-
walt enthält zugleich den Ausſchluß der franzöſiſchen Geſetzgebung;
in denjenigen Gebieten, welche dem Machtbereich des franzöſiſchen
Staates entzogen waren, konnten Willensakte deſſelben überhaupt
nicht, alſo auch nicht Geſetze, zur rechtlichen Geltung gelangen. Da-
gegen war der Oberbefehlshaber der Deutſchen Armee in der Lage,
die in der Staatsgewalt enthaltenen Befugniſſe auszuüben, alſo
auch Geſetzesbefehle zu erlaſſen, und die Schranken, die er ſich
hierbei auferlegte, waren lediglich durch die völkerrechtliche Uebung
gegeben 2). Aus dieſem Grundſatze ergeben ſich folgende Conſe-
quenzen:
a) Die franzöſiſche Geſetzgebungsbefugniß erloſch in dem Ge-
biete des Reichslandes nicht durch einen einheitlichen Rechtsakt und
nicht mit einem Male, ſondern nach und nach mit dem Vorrücken
der Deutſchen Heere. Entſcheidend dafür iſt nicht die Thatſache,
daß ein Ort von Deutſchen Truppen beſetzt worden iſt, ſondern
daß er der Einwirkung der franzöſiſchen Staatsgewalt entzogen
worden iſt. Beides braucht nicht nothwendig zuſammenzufallen;
1) Vgl. hierzu die Erörterungen von Löning, Die Verwaltung des
General-Gouvernem. im Elſaß. Straßb. 1874 S. 8 ff.
2) Löning a. a. O. S. 26 ff.
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