Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen. Ein Widerspruch zwischen einem Reichsgesetz und einem Lan- b) Daneben besteht das Recht des Reiches, die Ausführung §. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen. Aus der eigenthümlichen Stellung, welche das Reichsland ein- 1) In Anwendung dieses Prinzips hat das Ober-Appellat.-Ge- richt zu Dresden durch Erk. v. 27. Sept. 1872 (Goltdammer's Archiv Bd. XX. S. 97 ff.) die Königl. Sächs. Verordn. v. 10. Dez. 1870 für unwirk- sam erklärt, welche in Folge dessen aufgehoben wurde. Rüdorff, Kom- mentar (2. Aufl.) S. 50. 2) Vgl. meine Erörterungen in Hirth's Annalen 1873 S. 484 fg. Ein
Beispiel eines solchen Vorganges ist oben Bd. I. S. 266 Note 1 mitgetheilt. In einem anderen Falle hat der Bundesrath durch Beschluß anerkannt (Protok. 1873 §. 134): "daß der Erlaß landesgesetzlicher Bestimmuugen in Beziehung auf Forst- und Feldpolizei-Straffälle und auf den Holz-(Forst) Diebstahl durch §. 2 Abs. 2 des Einf.-Ges. zum St.-G.-B. v. 31. Mai 1870 nicht ausge- schlossen sei." §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. Ein Widerſpruch zwiſchen einem Reichsgeſetz und einem Lan- b) Daneben beſteht das Recht des Reiches, die Ausführung §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. Aus der eigenthümlichen Stellung, welche das Reichsland ein- 1) In Anwendung dieſes Prinzips hat das Ober-Appellat.-Ge- richt zu Dresden durch Erk. v. 27. Sept. 1872 (Goltdammer’s Archiv Bd. XX. S. 97 ff.) die Königl. Sächſ. Verordn. v. 10. Dez. 1870 für unwirk- ſam erklärt, welche in Folge deſſen aufgehoben wurde. Rüdorff, Kom- mentar (2. Aufl.) S. 50. 2) Vgl. meine Erörterungen in Hirth’s Annalen 1873 S. 484 fg. Ein
Beiſpiel eines ſolchen Vorganges iſt oben Bd. I. S. 266 Note 1 mitgetheilt. In einem anderen Falle hat der Bundesrath durch Beſchluß anerkannt (Protok. 1873 §. 134): „daß der Erlaß landesgeſetzlicher Beſtimmuugen in Beziehung auf Forſt- und Feldpolizei-Straffälle und auf den Holz-(Forſt) Diebſtahl durch §. 2 Abſ. 2 des Einf.-Geſ. zum St.-G.-B. v. 31. Mai 1870 nicht ausge- ſchloſſen ſei.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="120" facs="#f0134"/> <fw type="header" place="top">§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.</fw><lb/> <p>Ein Widerſpruch zwiſchen einem Reichsgeſetz und einem Lan-<lb/> desgeſetz liegt aber nicht nur dann vor, wenn das Reichsgeſetz eine<lb/><hi rendition="#g">andere</hi> Rechtsvorſchrift aufſtellt als das Landesgeſetz, ſondern<lb/> auch in dem Fall, wenn das Reich <hi rendition="#g">den Erlaß</hi> einer landesgeſetz-<lb/> lichen Vorſchrift ausdrücklich oder ſtillſchweigend unterſagt hat <note place="foot" n="1)">In Anwendung dieſes Prinzips hat das <hi rendition="#g">Ober-Appellat.-Ge-<lb/> richt zu Dresden</hi> durch Erk. v. 27. Sept. 1872 (Goltdammer’s Archiv<lb/> Bd. <hi rendition="#aq">XX.</hi> S. 97 ff.) die Königl. Sächſ. Verordn. v. 10. Dez. 1870 für unwirk-<lb/> ſam erklärt, welche in Folge deſſen aufgehoben wurde. <hi rendition="#g">Rüdorff</hi>, Kom-<lb/> mentar (2. Aufl.) S. 50.</note>.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">b</hi>) Daneben beſteht das Recht des Reiches, die Ausführung<lb/> der Reichsgeſetze zu überwachen und die im Art. 4 der R.-V. auf-<lb/> gezählten Angelegenheiten zu beaufſichtigen. Dieſe Befugniß kann<lb/> aber nicht in der Art geltend gemacht werden, daß der Kaiſer reſp.<lb/> ſein Miniſter, der Reichskanzler, oder der Bundesrath ein Landes-<lb/> geſetz für nichtig erklärt oder in die amtliche Thätigkeit der Landes-<lb/> behörden unmittelbar eingreift, ſondern nur dem Landesherrn, reſp.<lb/> der Centralregierung des Einzelſtaates gegenüber, indem der Einzel-<lb/> ſtaat über die Unzuläſſigkeit des von ihm erlaſſenen Geſetzes auf-<lb/> geklärt und zur pflichtmäßigen Rücknahme deſſelben aufgefordert<lb/> wird <note place="foot" n="2)">Vgl. meine Erörterungen in Hirth’s Annalen 1873 S. 484 fg. Ein<lb/> Beiſpiel eines ſolchen Vorganges iſt oben Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 266 Note 1 mitgetheilt. In<lb/> einem anderen Falle hat der Bundesrath durch Beſchluß anerkannt (Protok. 1873<lb/> §. 134): „daß der Erlaß landesgeſetzlicher Beſtimmuugen in Beziehung auf<lb/> Forſt- und Feldpolizei-Straffälle und auf den Holz-(Forſt) Diebſtahl durch<lb/> §. 2 Abſ. 2 des Einf.-Geſ. zum St.-G.-B. v. 31. Mai 1870 <hi rendition="#g">nicht</hi> ausge-<lb/> ſchloſſen ſei.“</note>.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 62. <hi rendition="#b">Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.</hi></head><lb/> <p>Aus der eigenthümlichen Stellung, welche das Reichsland ein-<lb/> nimmt, ergeben ſich auch hinſichtlich der Geſetzgebung Beſonder-<lb/> heiten und zwar ſowohl in Beziehung auf die Formen, in denen<lb/> der geſetzgeberiſche Wille zur rechtlichen Wirkſamkeit gelangt <hi rendition="#g">als</hi><lb/> auch in Beziehung auf das gegenſeitige Verhältniß von Reichsge-<lb/> ſetzgebung und Landesgeſetzgebung. Der hiſtoriſchen Entwicklung<lb/> gemäß ſind drei Zeiträume von einander zu unterſcheiden, für<lb/> welche verſchiedene Grundſätze zur Anwendung kommen. Der erſte<lb/> beginnt mit der Occupation des Landes durch die Deutſchen Heere,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0134]
§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
Ein Widerſpruch zwiſchen einem Reichsgeſetz und einem Lan-
desgeſetz liegt aber nicht nur dann vor, wenn das Reichsgeſetz eine
andere Rechtsvorſchrift aufſtellt als das Landesgeſetz, ſondern
auch in dem Fall, wenn das Reich den Erlaß einer landesgeſetz-
lichen Vorſchrift ausdrücklich oder ſtillſchweigend unterſagt hat 1).
b) Daneben beſteht das Recht des Reiches, die Ausführung
der Reichsgeſetze zu überwachen und die im Art. 4 der R.-V. auf-
gezählten Angelegenheiten zu beaufſichtigen. Dieſe Befugniß kann
aber nicht in der Art geltend gemacht werden, daß der Kaiſer reſp.
ſein Miniſter, der Reichskanzler, oder der Bundesrath ein Landes-
geſetz für nichtig erklärt oder in die amtliche Thätigkeit der Landes-
behörden unmittelbar eingreift, ſondern nur dem Landesherrn, reſp.
der Centralregierung des Einzelſtaates gegenüber, indem der Einzel-
ſtaat über die Unzuläſſigkeit des von ihm erlaſſenen Geſetzes auf-
geklärt und zur pflichtmäßigen Rücknahme deſſelben aufgefordert
wird 2).
§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
Aus der eigenthümlichen Stellung, welche das Reichsland ein-
nimmt, ergeben ſich auch hinſichtlich der Geſetzgebung Beſonder-
heiten und zwar ſowohl in Beziehung auf die Formen, in denen
der geſetzgeberiſche Wille zur rechtlichen Wirkſamkeit gelangt als
auch in Beziehung auf das gegenſeitige Verhältniß von Reichsge-
ſetzgebung und Landesgeſetzgebung. Der hiſtoriſchen Entwicklung
gemäß ſind drei Zeiträume von einander zu unterſcheiden, für
welche verſchiedene Grundſätze zur Anwendung kommen. Der erſte
beginnt mit der Occupation des Landes durch die Deutſchen Heere,
1) In Anwendung dieſes Prinzips hat das Ober-Appellat.-Ge-
richt zu Dresden durch Erk. v. 27. Sept. 1872 (Goltdammer’s Archiv
Bd. XX. S. 97 ff.) die Königl. Sächſ. Verordn. v. 10. Dez. 1870 für unwirk-
ſam erklärt, welche in Folge deſſen aufgehoben wurde. Rüdorff, Kom-
mentar (2. Aufl.) S. 50.
2) Vgl. meine Erörterungen in Hirth’s Annalen 1873 S. 484 fg. Ein
Beiſpiel eines ſolchen Vorganges iſt oben Bd. I. S. 266 Note 1 mitgetheilt. In
einem anderen Falle hat der Bundesrath durch Beſchluß anerkannt (Protok. 1873
§. 134): „daß der Erlaß landesgeſetzlicher Beſtimmuugen in Beziehung auf
Forſt- und Feldpolizei-Straffälle und auf den Holz-(Forſt) Diebſtahl durch
§. 2 Abſ. 2 des Einf.-Geſ. zum St.-G.-B. v. 31. Mai 1870 nicht ausge-
ſchloſſen ſei.“
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Zitationshilfe: | Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/134>, abgerufen am 03.03.2025. |